Labre
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"WENN DER HIMMEL BLASS WIRD ..." Überlegungen zum Zölibat, Teil 2, v. Kaplan A. Betschart

Zölibat als Element einer umfassenden priesterlichen Spiritualität

Wenn wir uns also um ein positives Verständnis des Zölibats bemühen, scheint mir besonders wichtig, dass wir ihn nicht isoliert, sondern auf dem Hintergrund einer umfassenden Spiritualität des priesterlichen Dienstes betrachten.
Weil die Übertragung des priesterlichen Amtes ein Sakrament ist, das Sakrament der Priesterweihe, kommt dadurch wesentlich zum Ausdruck, dass der Priester seine Sendung und seinen Auftrag sich nicht selber nimmt und auch nicht von Menschen delegiert bekommt, sondern von Christus empfängt. Und wir verstehen dieses priesterliche Amt selber als sakramentalen Dienst, weil wir davon überzeugt sind, dass im amtlichen Tun des Priesters Christus selber handelt, dass er Christi Werk vollbringt und dessen Heil wirkt, trotz der persönlichen Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit des Amtsträgers. Aber das bedeutet nicht, dass der Priester sich nicht um eine dem Amt entsprechende Lebensweise bemühen müsste. Wo ein Priester sich nur auf sein objektiv-sakramentales Amt berufen würde, entstünde ein fataler Funktionalismus, ein lebenserstickendes Beamtentum. Der Amtsträger muss nicht fehlerfrei sein. Aber das gläubige Volk hat ein feines Gespür und zurecht die Erwartung, dass der Amtsträger in seinem eigenen Dasein zu leben versucht, was er von seinem Amt her amtlich-sakramental verkündet und vollzieht, wie es ja auch bei der Priesterweihe heisst:

“Bedenke, was du tust! Ahme nach, was du vollziehst! Und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!”

Paulus beschreibt das apostolische Amt einmal mit dem kraftvollen Wort:

“Wir sind Gesandte an Christi Statt; und Gott ist es, der durch uns mahnt” (2 Kor 5,20).

Wenn also der Priester Repräsentant Christi ist und in einer ganz besonderen Weise an der Sendung Christi teilhat, hat er auch in seiner persönlichen Lebensweise an Jesus Christus Mass zu nehmen. Bei Jesus aber stellen wir fest, dass er sich ganz und bis ins letzte mit seiner Sendung identifiziert. Er erfüllt seine Sendung, indem er ganz vom Vater her lebt und ganz für die Menschen da ist. Er ist der “Mensch für die andern”, indem er ganz der “Mann Gottes” (vgl. 1 Tim 6,11) ist.
Wenn nun der Priester Repräsentant Christi ist, kann er sein Amt nicht adäquat, dem Beispiel Christi entsprechend, erfüllen, ohne sein eigenes Leben dafür einzusetzen. Wer von Amtes wegen das Heil des Gottesreiches verkündet und vermittelt, muss in seiner Person selber davon betroffen sein. Kurz gesagt: es geht hier um eine dem Amt entsprechende glaubwürdige Existenz. Glaubwürdiges apostolisches Handeln aber kann es nur geben als spezifische Form der Nachfolge Jesu.
Was Nachfolge Jesu bedeutet, kann man an verschiedenen Weisungen Jesu und an Phänomenen seines Lebens ablesen. Wer im biblischen Sinne Jesus nachfolgen will, kommt nicht umhin, auch die evangelischen Räte - Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit - ins Auge zu fassen. Wir haben zu Beginn der Vortragsreihe bereits ein wenig darüber gesprochen.
Den priesterlichen Zölibat können wir nur richtig verstehen, wenn wir ihn nicht für sich allein betrachten, sondern im Zusammenhang einer umfassenden priesterlichen Form der Nachfolge Jesu. Wo er aus diesem Zusammenhang isoliert wird, besteht die Gefahr, dass er zum blossen Ersatz für eine wirkliche Spiritualität verkommt: man “hält den Zölibat”, anstatt das ganze Leben in die Nachfolge des Herrn zu stellen.
Gemäss der Einsicht, dass es glaubwürdiges Leben und Handeln als Priester nur geben kann in einer konkreten Nachfolge Jesu, hält die Kirche die evangelischen Räte als angemessen für ein priesterliches Dasein, “weil sie liebend raten, wie der Herr zu leben” (A. M. Sicati). Durch das Leben nach den Räten soll in existentieller Weise Christus sichtbar gemacht werden. Was amtlich verkündet und vermittelt wird, soll in der persönlichen Lebensweise nach dem Beispiel Jesu auch existentiell gelebt werden.
Damit ist klar, dass die evangelischen Räte und damit eben auch die priesterliche Ehelosigkeit nicht um ihrer selbst willen ergriffen werden. Der Verzicht auf ein so hohes menschliches Gut, wie die Ehe es ist, will dieses nicht abwerten oder geringachten, sondern ist nur um eines höheren Gutes willen möglich und sinnvoll. Der Verzicht dient letztlich dazu, eine grössere Möglichkeit zu schaffen, eine möglichst restlose Verfügbarkeit zu Gott, zur Kirche und zu den Menschen hin. Hier sind nun auch die Angemessenheitsgründe für die Verbindung von Priesteramt und Zölibat angesiedelt.
Im Priesterseminar St. Petrus herrscht dem Zölibat gegenüber glücklicherweise ein positives Klima. Und ich bin sicher nicht der einzige, der Ihnen das Positive der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen nahezubringen versucht, auch die Angemessenheitsgründe. Deshalb kann ich mich darauf beschränken, Ihnen zwei Angemessenheitsgründe vorzulegen: einen sehr bewährten, konservativen und einen neuen, modernen, der nicht kritiklos übernommen werden kann; letzteren Angemessenheitsgrund zu Ihrer Information über den heutigen Stand der Zölibatsdiskussion.

“Um des Himmelreiches willen”

Nach den Worten des Konzils im Dekret über die zeitgemässe Erneuerung des Ordenslebens PERFECTAE CARITATIS

“macht die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen in einzigartiger Weise für eine grössere Liebe zu Gott und zu allen Menschen frei” (PC 12),

freilich nur, wenn ich den Zölibat nicht nur widerwillig in Kauf nehme, sondern versuche, ihn täglich neu als positive Möglichkeit zu verstehen und zu leben. Nochmals: Christliche Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist kein Verzicht aus Verachtung oder Abwertung der Ehe. Immerhin ist ja die Ehe ein Sakrament, nicht aber der Zölibat. Der Zölibat darf auch nicht gleichbedeutend sein mit “ohne Liebe leben”, sondern meint gerade eine noch grössere Form der Liebe. Die frei bejahte Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist ein sehr hoher Ausdruck dafür, dass man sich von Gott geliebt weiss und dessen Liebe erwidern will.
Entscheidend ist dabei die Erkenntnis: Christus nachzufolgen ist so erstrebenswert, dass man seinetwillen auch auf ein so hohes Gut wie die Ehe verzichten kann. Die Ehelosigkeit ist dann nicht Zeichen der Abwehr oder der Verachtung, sondern Zeichen der Entschlossenheit der ganzen Person auf Christus hin und wird so zum Zeugnis für Christus und seine Botschaft vom Reich Gottes. Sie ist nicht mangelnde Liebesfähigkeit, sondern Ermöglichung grösserer Liebe und zugleich der Entschluss, sich selbst mit der ganzen Liebe, auch mit der Liebe zur Welt und zu den Menschen, vollkommen an Gott zu binden.
Dadurch wird die Existenz des Priesters eine Bestätigung dessen, wovon er dauernd spricht und was er sakramental feiert und vermittelt: das Kommen des Reiches Gottes durch die Hingabe Jesu in Tod und Auferstehung. Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen soll ein Markenzeichen dafür sein, dass das Reich Gottes und der Glaube es wert sind, ganz dafür zu leben, dass das Reich Gottes wirklich die kostbare Perle und der Schatz im Acker ist, für den alles herzugeben sich lohnt. Ist es also nicht sinnvoll und angemessen, dass dieses Grössere des Reiches Gottes gerade von den Menschen besonders - und zwar ganz existentiell - bezeugt und dar gelebt wird, die in sakramentaler Weise dazu gesandt sind, die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden und Christus und die Kirche zu repräsentieren?!

Zölibat: Leben im Fragment - Nähe zum Leidenden

Dies ist der zweite, der moderne “Angemessenheitsgrund” für die Verbindung von priesterlichem Amt und Zölibat, eingeführt von K. Demmer in seinem Buch “Zumutung aus dem Ewigen. Gedanken zum priesterlichen Zölibat”, 1991. Wie bereits gesagt, lege ich Ihnen diesen Gedanken einmal vor, wobei er meiner Ansicht nach nicht absolute Gültigkeit besitzt. Sicher trifft er in gewisser Weise zu auf den, der sein Leben auf den Zölibat auszurichten beginnt, also - etwas banal ausgedrückt - für den Anfänger, aber sicher nicht mehr für den, der in der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen seine Erfüllung und Vollendung gefunden hat. Aber urteilen Sie selbst; der Gedankengang ist folgender:
Die Geschlechtlichkeit ist eine zentrale Schicht menschlicher Wirklichkeit. Dabei geht es nicht nur um Sexualität, sondern viel tiefer um Glück, Geborgenheit, Anerkennung, Liebe und Gemeinschaft. Der Zölibat als freiwillige Absage an eine Erfüllung dieser tiefen und sich immer wieder regenden Erwartung ist mit einer offenen Wunde zu vergleichen. Sie macht zunächst das Leben zu einem Dasein im Fragment. Der Platz des Zölibatären ist dort, wo das Leben Fragment, Fraktur ist und offene Wunden nicht heilen. Ohne zu dramatisieren sollte sich jeder dieser Dimension bewusst bleiben, der aus freier Entscheidung die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen wählt.
Nun gibt es aber in dieser Welt ungezählte offene Wunden. Denken wir an Menschen, die ein Leben lang am Rand ihrer Kräfte existieren und ihr Letztes geben; an Menschen, die überhaupt nie die Erfahrung von Liebe machen durften; an die vielen Kranken, an die an den Rand Gedrängten, an die Zu-kurz-Gekommenen und Gescheiterten. Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen wählt bewusst und frei eine Art des Verwundetseins. Das sollte den Ehelosen in die Nähe all dieser Verwundeten, in die Nähe gerade der Leidenden bringen. Wo die Ehelosigkeit in diesem Sinne bewusst angenommen und bejaht und dann in den Dienst der Leiden und Nöte der Menschen gestellt wird, kann sie sehr fruchtbar werden: zu einem Zeichen der Hoffnung, dass es für jeden Menschen ein Leben in Würde gibt, dass auch ein Dasein, das nicht die letzte menschliche Erfüllung gefunden hat, trotzdem ein erfülltes Leben sein kann.
Der Priester kommt immer wieder mit gescheiterten Lebensgeschichten in Berührung; er schaut in menschliche Tragödien hinein, aber nicht aus der Haltung einer unangefochtenen Überlegenheit, sondern aus einem existentiellen Wissen um das Leidensvolle und Gebrechliche des Menschseins.
Damit wird die Ehelosigkeit des Priesters zu einem Zeichen auch für die Eheleute. Auch die Ehe garantiert ja nicht das ganze und endgültige Glück. Auch in der Ehe gibt es Räume des Unerfüllten, des Fragmentarischen. Auch die Eheleute sind Träger von Verheissungen, die sie aus eigenem nie ganz einlösen können. Selbst die christliche Ehe kann nur gelingen in einer Liebe auf Hoffnung hin - auf Den, der allein des Menschen Herz ganz erfüllen kann. Der Ehelose, der um des Himmelreiches willen ganz auf diese Hoffnung setzt, die Christus ist, wird so auch den Eheleuten sehr nahe sein und für sie zu einem Zeichen werden, dass alles Leben in dieser Welt fragmentarisch bleibt, dass aber dennoch die Hoffnung auf Erfüllung besteht!
Der um des Himmelreiches willen Ehelose ist immer wieder gezwungen, mit sich selber zu Rate zu gehen und sich selbst gegenüber Rechenschaft abzulegen über seinen Lebensentwurf. Dies kann ihn auch befähigen, Rat zu geben, wo Menschen vor Not nicht mehr weiter wissen, oder auch still dabeizusein bei den grossen Lebensproblemen, für die es keine Patentlösung gibt, sondern bestenfalls ein paar bescheidene erwägenswerte Gesichtspunkte und Hinweise gegeben werden können.
So viel aus diesen Überlegungen von K. Demmer, die man sicher nicht völlig von der Hand weisen kann. Doch möchte ich diesem Gedankengang folgendes entgegenstellen: Es ist für mich einfach unvorstellbar, dass ein in grosser Treue um des Himmelreiches willen ehelos lebender, also jungfräulicher Mensch, sein Leben immer als Fragment, als Fraktur und als offene Wunde empfindet, die nicht heilt. Bereits der jungfräulich lebende hl. Paulus schreibt über die Ehelosigkeit im 1. Korintherbrief u. a.:

“Ich möchte nämlich, dass ihr ohne Sorge wäret. Der Unverheiratete sorgt sich um das, was des Herrn ist, wie er dem Herrn gefalle. Der Verheiratete sorgt sich um das, was der Welt ist, wie er der Frau gefalle, und ist geteilt” (1 Kor 7,32 f.).

Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist der direkteste Weg zur Gottesliebe, die einen Menschen restlos und ganz erfüllt, wenn er sich ihr bedingungslos und ungeteilt hingibt. Robert de Langeac, ein zeitgenössischer Mystiker, wie er genannt wird - sein wahrer Name lautete: Delage. Er war Professor der Dogmatik, Mitglied der Priesterkongregation von St. Sulpice; sein bischöflicher Oberer bezeichnete ihn als heiligmässigen Priester. Er starb 1949. Dieser Langeac, bzw. Delage schrieb in seinem Buch Geborgenheit in Gott, das zwölf Auflagen erlebt hatte, folgendes:

“Der Gottesliebe wohnt etwas Warmes inne, das den Seelengrund ausdehnt und die Seele beglückt. Unter dem Einfluss dieser Liebe fühlt sie sich wachsen, ihr Glücksvermögen nimmt zu und findet zugleich Erfüllung. Dann weitet sie sich von neuem - unter demselben Liebeseinfluss - und wird von neuem erfüllt. So geht es fort, fast ohne Unterlass. Die von deiner Liebe, o mein Gott, gewonnene Seele, steht unter dem Eindruck eines sich blühend entfaltenden tiefinnerlichen Lebens. In gewissen Augenblicken steigert sich die Liebesglut bis zur Unerträglichkeit. Dann dehnt sich sogar das körperliche Herz aus, wie wir es im Leben eines hl. Philipp Neri lesen, oder scheint von einem Pfeil durchbohrt, wie bei der hl. Theresia von Avila ...
Um ihren (der Seele) Zustand einigermassen verständlich zu machen, möchte man von einem Mark und Bein durchdringenden Glücksgefühl sprechen ...
Bei jeder Heimsuchung steigert sich das Glücksgefühl ... Jesus ist die Sonne der Seele. In seinem Licht glänzen sie (die Seelen) und werden warm in den Strahlen seiner Liebe. Er zieht sie an, er richtet sie gewissermassen zu sich empor ... Sie lieben ihn stark, grenzenlos. Je grösser ihre Reinheit, um so inniger hängen sie ihm an. Das Zarteste, Edelste, Grossmütigste auf Erden gehört ihm. Ja, o Jesus, es stimmt wörtlich, dass jedes reine Herz dich unbeschreiblich gern hat.”


Bei dem, der zu dieser Höhe der Liebe gelangt ist, kann nicht mehr von Fragment, von Fraktur und offener Wunde durch die Ehelosigkeit gesprochen werden. Hier hat ein menschliches Herz bereits die höchste Erfüllung gefunden, die auf dieser Welt möglich ist, eine Erfüllung, die selbst die harmonischte Ehe nicht zu bieten vermag.

Fortsetzung folgt
archangelus
Kommentar zu K. Demmer von P. Michael Wildfeuer
K. Demmer schreibt: „Die Geschlechtlichkeit ist eine zentrale Schicht menschlicher Wirklichkeit. Dabei geht es nicht nur um Sexualität, sondern viel tiefer um Glück, Geborgenheit, Anerkennung, Liebe und Gemeinschaft. Der Zölibat als freiwillige Absage an eine Erfüllung dieser tiefen und sich immer wieder regenden Erwartung ist mit einer offenen Wunde …Mehr
Kommentar zu K. Demmer von P. Michael Wildfeuer
K. Demmer schreibt: „Die Geschlechtlichkeit ist eine zentrale Schicht menschlicher Wirklichkeit. Dabei geht es nicht nur um Sexualität, sondern viel tiefer um Glück, Geborgenheit, Anerkennung, Liebe und Gemeinschaft. Der Zölibat als freiwillige Absage an eine Erfüllung dieser tiefen und sich immer wieder regenden Erwartung ist mit einer offenen Wunde zu vergleichen. Sie macht zunächst das Leben zu einem Dasein im Fragment. Der Platz des Zölibatären ist dort, wo das Leben Fragment, Fraktur ist und offene Wunden nicht heilen.“

Dazu möchte ich folgende Gedanken äußern, und zwar als Zölibatärer, nämlich als kath. Priester:
1. K. Demmer unterscheidet selbst zwischen Sexualität und dem viel Tieferem, nämlich „Glück Geborgenheit, Anerkennung, Liebe und Gemeinschaft“.
Der Zölibat ist nur Absage an das Erstere, nicht an das Letztere, d.h. der Zölibat ist nicht Absage an Glück, Geborgenheit, Anerkennung, Liebe und Gemeinschaft. Der zölibatäre Priester ruht – wenn er den Zölibat richtig sieht – wie der Lieblingsjünger Johannes am Herzen des Heilandes. Welcher Ehemann bekommt ein solches Glück, eine solche Geborgenheit, Anerkennung, Liebe und Gemeinschaft? Auch die liebste Ehefrau vermag nicht das zu geben, was ein Gott geben kann!

Es stimmt: Der Verzicht auf die Sexualität ist ein großer Verzicht, aber dafür wird dem Zölibatären etwas geschenkt, was diesen Verzicht unvergleichlich übersteigt. So sagt der Heiland: „Niemand verlässt um des Reiches Gottes willen Haus, Frau (!!!), Bruder, Eltern oder Kinder, ohne dass er ein Vielfaches dafür in dieser Welt empfängt und in der zukünftigen Welt das ewige Leben“ (Lk 18,29f).

2. Unser Herr Jesus Christus selbst lebte ehelos. War sein Leben ein Leben im Fragment? Er, in dem Gott „die ganze Fülle hat wohnen lassen“ (Kol 1,19)? Er, „in dem alles erschaffen ist im Himmel und auf Erden“ (Kol 1,16)? Er, der also auch die Geschlechtlichkeit erschaffen hat, Ihm sollte etwas mangeln? Nein, ich kann mir das nicht vorstellen. Die Wonnen, die Er zu geben vermag, übersteigen hundertfach die schönsten geschlechtlichen Wonnen. Ja, der Priester leistet einen Verzicht, aber er erhält Hundertfaches dafür, und zwar schon in diesem Leben. Von den Wonnen des Priesters aus gesehen, lebt der Ehemann im Fragment. Von der Fülle Christi aus gesehen, lebt der Verheiratete in der Fraktur.

3. Das Leben hier auf Erden ist nur ein Schatten des Zukünftigen. Im Himmel gibt es weder Heiraten noch Geheiratetwerden. Im Himmel gibt es nur höchstes Erfülltsein, unendliche Sättigung. Die geschlechtliche Liebe ist ja nur ein schwacher Abglanz der unendlichen Liebe, zu der der Mensch in seiner Vollendung berufen ist.