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"Spät hab' ich Dich geliebt ..." Predigt zum Feste des hl. Augustinus v. Kaplan A. Betschart

“Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir, o Gott”

Die Kirche feiert heute das Fest eines bekehrten großen Sünders, eines hervorragenden Lehrers der abendländischen Kirche, eines herrlichen Bischofs und eines wunderbaren Heiligen, mit einem Wort: das Fest eines glühend Gott Liebenden. Von ihm sagt der evangelische Theologe und Religionsphilosoph Friedrich Heiler: “Alle großen Persönlichkeiten des Mittelalters stehen in seiner Dankesschuld ... Dieser Priesterkönig ist der stille Papst des Abendlandes gewesen, dessen Geist die Kirche wirklich regiert hat und aus dessen Anregungen das Beste hervorgegangen ist, was sie geleistet hat.”
Es ist jener Mann, der die Ursehnsucht des Menschen nach Gott in die unvergänglichen Worte gekleidet hat:

“Zu Dir hin hast Du uns geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in Dir, o Gott!” (Conf I 1,1)

Es ist der hl. Augustinus, der dies in seinen Confessiones, in seinen Bekenntnissen, schrieb, die bis heute zu den hervorragendsten Denkmälern der Weltliteratur zählen. Es ist jener Mann, dessen Bedeutung auf die katholische Glaubenslehre und die katholische Frömmigkeit ungeheuer ist. Er gehört zu den Ersten und den Besten, die der abendländischen Mystik, diesem Weg zur ekstatischen Vereinigung mit Gott, die Bahn gewiesen hat.
Aber Augustinus hat nicht nur einigen gottbegnadeten Mystikern den Weg für ihren kontemplativen und ekstatischen Höhenflug gewiesen, er hat vielmehr auch auf die katholische Durchschnittsfrömmigkeit den stärksten Einfluß ausgeübt. Als größter Beter unter den Kirchenlehrern hat Augustinus wie kein anderer abendländischer Frommer die katholischen Christen das Beten gelehrt:

“Das Beten ist das Atmen der Seele.”

Seine großen Gebetsbekenntnisse haben auf das individuelle Beten der katholischen Frommen jahrhundertelang, wenn nicht stärker, so doch im gleichen Maße eingewirkt wie die Gebete der Liturgie ...; die überwältigende Erfahrung von Gottes sündenvergebender Gnade, wie sie dem Völkerapostel (Paulus) geschenkt ward, vereint sich bei Augustinus “mit der Sehnsucht nach dem unaussprechlichen Licht und der höchsten Schönheit ( vgl. Fr. Heiler). Augustinus strebte trotz der vielen Irrwege, die er ging, nach dem “summum bonum”, nach dem höchsten Gut, nach Gott. Er selbst sagt darüber:

“Dir, Seele, genügt nichts anderes als Jener, der dich erschaffen hat. Was immer auch du anderes ergreifst, es wird elend, weil dir nur das genügen kann, der dich nach Seinem Gleichnis erschaffen hat” (Serm 125;11).

Augustinus’ erstes Leben

Aurelius Augustinus, wie sein voller Name lautet, kam im Jahre 354 in Nordafrika, im Dorfe Thagaste, zur Welt, etwa 250 km südwestlich von Tunis, im heutigen Algerien. Er war Kind zweier Welten: des sterbenden Heidentums, das sein jähzorniger, der Welt der Sinne zugewandter Vater Patricius verkörperte, der aber kurz vor seinem Tode noch Christ wurde, und des emporwachsenden Christentums, “das wenige Jahre zuvor aus der Katakombennacht der blutigen Verfolgungen zur Staatsreligion heraufgestigen war” (L. Hecht). Diese Welt wurde verkörpert durch seine Mutter Monika, eine fromme, kluge und herzensgute Frau. Von ihr hatte Augustinus die Schlagfertigkeit geerbt, die ihn berühmt machte und vor der sich seine Gegner fürchteten; vom Vater dagegen erbte er die Sinnlichkeit und den Drang zu einem ausschweifenden Leben.
Augustinus war bis zu seiner Bekehrung ein wirklich großer Sünder. Er selbst schreibt über seine Jugend, mit Gott Zwiesprache haltend:

“Was hätte es aber Häßlicheres vor Dir gegeben als mich, der ich auch schon in dieser Umwelt Mißfallen erregte? Denn mit ungezählten Lügen hinterging ich ... die Lehrer und die Eltern aus Hang zum Spiel, aus Leidenschaft, mir dummes Zeug im Theater anzusehen ... Auch Diebstähle beging ich im Keller der Eltern und vom Tisch weg, weil mein Gaumen über mich gebot oder weil ich für die Kameraden etwas brauchte, die sich ihre Spielgesellschaft ... bezahlen ließen. Und dann, wenn wir spielten, gewann ich oft nur ermogelte Siege, selber aber besiegt von der hohlen Gier, mich hervorzutun. Und was ertrug ich weniger - wie schimpfte ich gewaltig, wenn ich dahinterkam - wegen dem, was ich anderen tat? Und schimpfte man über mich, wenn man dahinterkam, so tobte ich lieber in Zorn und Wut, als daß ich es eingestanden hätte.”

Wegen Geldmangels mußte ihn der Vater mit sechzehn Jahren von der Schule nehmen. Für Augustinus begann eine Zeit des Müßigganges und der ausschweifenden Sinnlichkeit. Es “wuchs mir das Dorngestrüpp der Sinnlichkeit über den Kopf, und keine Hand war da, es auszureißen”, bekennt er, obwohl seine Mutter ihn ermahnte. Augustinus:

“Wessen waren denn die Worte, wenn nicht die Deinen (mein Gott), die Du durch den Mund der Mutter, die an Dich glaubte, mir oft und oft in meine Ohren riefst?”

Als Siebzehnjähriger lebt er mit einer Freundin im Konkubinat. Sie gebiert ihm einen unehelichen Sohn, den er Adeodatus - von Gott geschenkt - nennt. Als über Dreißigjähriger entläßt er sie auf Vorhaltungen seiner Mutter, die ihm eine standesgemäße Heirat vermitteln will. Während der zweijährigen Wartezeit nimmt er sich eine Mätresse, da er nicht enthaltsam leben will.

Augustinus’ zweites Leben

Doch da greift die Vorsehung nach ihm. Durch Ciceros Büchlein “Hortensius” wird in ihm das Streben nach Wahrheit und die Liebe zur Weisheit geweckt. Augustinus verlangt nach unsterblicher Weisheit. Aber die Hl. Schrift ist für seinen stolzen, in der Rhetorik gebildeten Geist zu einfach. So findet er sich, der Hochgelehrte, für neun Jahre in einer Scheinreligion, im Manichäismus. Was er sucht, die Wahrheit, findet er hier nicht, und Herz und Geist bleiben ihm leer und unerfüllt. Angeekelt vom Treiben der Großstadt Karthago schifft er sich nach Rom ein, nachdem er zuvor seine abratende und weinende Mutter belogen hatte. In Rom aber geht es ihm finanziell äußerst schlecht, so daß er mit Freuden zugreift, als ihm im Jahre 384 in Mailand ein Lehrstuhl angeboten wird. Hier wirkt Ambrosius, der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Bischof und Prediger. Mit großem Interesse lauscht Augustinus den Predigten des Ambrosius, aber wegen des sprachlichen Wohlklanges und nicht des Inhaltes wegen. Doch unbemerkt empfängt er den Samen des katholischen Glaubens und erkennt, “daß mit seichtem Zweifel die Lehre des Christentums nicht abgetan werden kann” (L. Hecht).
Der Besuch eines afrikanischen Landsmannes wirft den Unruhigen endgültig aus der Bahn. Er “erzählt Augustinus vom Leben der ägyptischen Einsiedler, die der vornehmen Gesellschaft angehörend von Gottes Gnade getroffen, allem entsagt und sich Gott geweiht hatten” (L. Hecht). Augustinus’ Seele gerät in einen derartigen Aufruhr, daß er in den Garten hinausstürmt, wo er aus dem Nachbarhaus eine Kinderstimme hört, die sagt: “Nimm und lies!” Das war für ihn die Stimme Gottes. Er schlägt die Briefe des hl. Apostels Paulus auf und liest und

“das Licht der Sicherheit strömt in mein Herz und alle Zweifel verschwanden”,

bekennt er.
Augustinus hatte zu Gott heimgefunden. Und er machte damit Ernst. Am Karsamstag des Jahres 387 läßt er sich mit seinem Sohn Adeodatus und einem seiner Freunde von Bischof Ambrosius taufen, zur größten Freude seiner Mutter Monika, die anwesend ist. Er beschließt, im Herbst in die Heimat nach Afrika zurückzukehren. Doch zuvor stirbt seine Mutter im Hafen von Ostia. Tränenlos folgt er ihrem Sarg. Zuhause beweint er sie, die soviele Tränen für ihn vergossen hatte.
In der Heimat angekommen, verliert er bald seinen Sohn, dem er in großer Liebe zugetan war. Von jetzt an gehört sein Herz nur noch Gott. Und er beginnt, nur noch für Gott und für die Ausbreitung des Reiches Gottes zu leben. Zusammen mit Freunden lebt er drei Jahre lang in klösterlicher Abgeschiedenheit: betend, schreibend und lehrend. Aber das Volk verlangt ihn als Priester, und im Jahre 396 wird er zum Bischof von Hippo geweiht.
Augustinus, der die Stille liebte, wird nun in die großen religiösen, geistigen und politischen Kämpfe hineingezogen, die damals die Welt bewegten. Mit Wort und Schrift kämpft er an vorderster Front gegen die Irrlehren: gegen den Manichäismus, den Pelagianismus und gegen die Donatisten. Letztere bildeten Schlägertrupps, die gegen die Gläubigen brandschatzend und mordend durch die Lande zogen. Augustinus war oft in Lebensgefahr und mußte wie ein moderner Staatsmann von heute seine Reiseroute geheimhalten oder die geplante kurzfristig ändern, um die Todfeinde zu täuschen.
Von seiner vielen Arbeit und den strapaziösen und gefährlichen Reisen ermüdet, wurde er krank, sterbenskrank. Die weltpolitische Ordnung war am Zusammenbrechen, der Untergang des Römerreiches war nicht mehr aufzuhalten. Die Unruhen hatten auch auf die afrikanische Heimat des Augustinus übergegriffen. Seine Bischofsstadt war von den Vandalen eingeschlossen. Im dritten Monat der Belagerung, am 28. August 430, ging Augustinus heim in die ewige Ruhe und in die unendliche Schönheit Gottes, nach der es ihn immer verlangt hatte. Bekennt er doch mit hinreißenden Worten:

“Spät hab’ ich Dich geliebt, Du Schönheit, ewig alt und ewig neu, spät hab’ ich Dich geliebt! Und siehe, bei mir drin warst Du, und ich lief hinaus und suchte draußen Dich, und häßlich ungestalt warf ich mich auf das Schöngestaltete, das Du geschaffen. Du warst bei mir, und ich war nicht bei Dir. Und was von Dir solange mich fernhielt, waren Dinge, die doch, wenn sie in Dir nicht wären, gar nicht wären. Du aber riefst und schriest und brachst mir meine Taubheit. Du blitztest, strahltest und verjagtest meine Blindheit. Du duftetest, und ich trank Deinen Duft und atme nun in Dir. Gekostet hab’ ich Dich, nun hungre ich nach Dir und dürste. Und Du berührtest mich, ich aber glühe in Sehnsucht auf, in Sehnsucht nach Deinem Frieden.”

Quellenhinweis:

▸ Augustinus, Bekenntnisse, Fischer Bücherei Bd. Nr. 103, Frankfurt/M-Hamburg 19562.
▸ Boros L. (hrsg.), Aurelius Augustinus - Aufstieg zu Gott, Reihe: Zeugnisse mystischer Welterfahrung, Lizenzausgabe 1983 mit freundlicher Genehmigung des Walter-Verlages, Olten.
▸ Bacht H. SJ, Die Tage des Herrn, Bd. III, Frankfurt a. M. 1960.
▸ Hecht L., Hl. Augustinus, Kirchenlehrer; in: Unsere Namenspatrone in Wort und Bild, München-Pasing o. J.
▸ Kranz G., Sie lebten das Christentum, Regensburg 19752.

Bild: Hl. Augustinus von Michael Pacher (1430/40 - 1498)
archangelus
Eine sehr schöne Darstellung des Lebens dieses Geistesriesen. Herzliches Vergelt's Gott!
Santiago_
"Alle großen Persönlichkeiten des Mittelalters stehen in seiner Dankesschuld ... Dieser Priesterkönig ist der stille Papst des Abendlandes gewesen, dessen Geist die Kirche wirklich regiert hat und aus dessen Anregungen das Beste hervorgegangen ist, was sie geleistet hat.” 👏
Hl. Augustinus, bitte für uns Katholiken! 🙏Mehr
"Alle großen Persönlichkeiten des Mittelalters stehen in seiner Dankesschuld ... Dieser Priesterkönig ist der stille Papst des Abendlandes gewesen, dessen Geist die Kirche wirklich regiert hat und aus dessen Anregungen das Beste hervorgegangen ist, was sie geleistet hat.” 👏

Hl. Augustinus, bitte für uns Katholiken! 🙏
Salzburger
Ganz wichtig ist auch, dass der Hl.AUGUSTINUS die einzig erträgliche GeschichtsPhilosophie - alle anderen sind falsch! - entwarf: Die WeltGeschichte als "Kampf zwischen Glaube und Unglaube" (GOETHE), zwischen civitas terrena und civitas DEI - ohne irgendeinen BeTrug a la HEGEL oder MARX von einer "SynThese"!
Santiago_
@Salzburger
Und was sagen Sie zur Geschichtstheologie des hl. Bonaventura, die er im Rückgriff auf den hl. Augustinus entworfen hat? Ratzingers Habilitationsschrift handelt ja bekanntlich darüber.Mehr
@Salzburger

Und was sagen Sie zur Geschichtstheologie des hl. Bonaventura, die er im Rückgriff auf den hl. Augustinus entworfen hat? Ratzingers Habilitationsschrift handelt ja bekanntlich darüber.
Salzburger
@Santiago74 Ich muss gestehen, beide - den Hl.BONAVENTURA und die Schrift des weniger hl. Prof. RATZINGER - allzu sehr überflogen zu haben, um ein sicheres UrTeil abgeben zu können&wollen.
Santiago_
Trotzdem vielen Dank, werter Salzburger. In meinen Augen sind Ihre Beiträge und Kommentare eine enorme Bereicherung für Gloria. Vergelts Gott!
Salzburger
@Santiago74 ...was ich ehrlichen Herzens nur erwidern kann! Quasi seit ich hier angemeldet bin (Dez.2018) überlegte ich mir, Ihnen zu folgen, aber Sie sind so reichhaltig, nicht zuletzt an Videos, die ich dann doch aus technischen Gründen nicht abspielen kann, dass ich mit Ihnen kaum mitkommen könnte. (Allzuviel tägliche Computerey versuche ich zu vermeiden.)
Santiago_
Vielen Dank! Wenn Sie sich weiterhin (gelegentlich) einen von mir hochgeladenen Beitrag ansehen bzw. anhören und ggf. kommentieren, würde ich mich schon sehr darüber freuen.
Salzburger
@Santiago74 Ich auch!