Religiöser Dialog von wem und wozu?

Leserbrief an die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. Juli 2009
Kardinal Karl Lehmann hat sich in einem umfangreichen Beitrag der Mühe unterzogen, Religionen und Religionsangehörige im Anschluss an Hans Küng unter eine Weltperspektive für die Zukunft zu stellen (Beitrag “Was heißt: Dialog der Religionen?”, FAZ vom 15.7.). Darin enthalten ist die offizielle Begegnung der Religionen, wie Lehmann sie im vorbereitetenden “ökumenischen Gespräch der christlichen Kirchen” erlebte. Hier hatten ja die Kirchenleitungen mit ihren theologischen Beauftragten einander gegenüber gestanden und einen Konsens zu erreichen versucht. Dem folgend fordert Lehmann, es “müssen die Religionen selbst bei aller hilfreichen Begleitung durch andere zueinander finden. Das macht gewiss jeden Begriff eines Dialoges der Religionen komplexer ... und schwieriger.” Jedoch, da “das Einverständnis in der Sache das Ziel aller Verständigung ist”, drängt der Dialog der Religionen zu einem Konsens. Dabei gibt es ein Minimum an Einvernehmen, es gibt Teilkonsense oder auch einen Totalkonsens.

Kaum von dieser Art des Dialogs unterschieden wird von Lehmann eine weitere Form des Dialogs behandelt, der “Interreligiöse Dialog”. Bei diesem geht es um die Begegnung von Personen verschiedener Religionszugehörigkeit. Hierfür fordert Lehmann Rücksicht auf die Eigenart religiöser Überzeugungen, nämlich ”Verzicht auf Einseitigkeiten und Machtpositionen, wahre Ebenbürtigkeit der Partner, Verzicht auf simple Wiederlegung, Bereitschaft zu riskanter Begegnung”. Als Begegnungsform schlägt Lehmann den Begriff des “religiösen Zeugnisses” vor. Dieses bedeutet für ihn “die authentische Darstellung eines Bekenntnisses, wie es zur Religion gehört. Schon während der Präsentation der eigenen Überzeugung tritt man in den Austausch mit den jeweils vorgestellten Partnern.” Das schlichte Kennenlernen, Kontakte, Besuche (z.B. in Moscheen) und einfache Gespräche bekommen dadurch ein größeres Gewicht.

Lehmann kann dafür auch ein selbsterlebtes Beispiel anführen. Darüber berichtet er: “Ein Taxifahrer hält auf der Straße, die ich überqueren will und fragt freundlich: ‘Geht es Ihnen wieder besser?’ Auf meine bejahende Antwort folgt ein ‘Ich bin ein Iraner. Ich bin 26 Jahre im Exil. Ich bin dankbar, daß ich hier sein darf.’ Meine Antwort: ‘Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und auf ein gutes Wiedersehen_’ Er fährt weiter.”

Wozu sind denn nun solche Dialoge gut, wozu dienen sie? Der Dialog der Religionen zwischen den religiösen Funktionären findet bei Lehmann keine grössere Aufmerksamkeit mehr. Es ist für ihn ja klar, dass hier ein Konsens in der Einheit aller Religionen erzielt werden soll. So bleibt im Blickpunkt der interreligiöse Dialog von Mensch zu Mensch.Wozu dies, wenn man Glauben hat? Missionarische Sendung ist zwar nicht ausgeschlossen, aber sie kann nicht das eigentliche Ziel sein, denn das wäre zweifellos ein Rückfall in vergangene Zeiten, die der neue Dialog ja gerade überwinden will. Der interreligiöse Dialog ist bei Lehmann auch nicht, wie der redaktionelle Vorspann behauptet, “auf das Finden und das Anerkennen von Wahrheit ausgerichtet”. Vielmehr muss sich der interreligiöse Dialog auch - neben anderem - “um die Suche nach Wahrheit und die Erfüllung dieses Suchens in einer konkreten Religion” kümmern. Zur Wahrheitssuche brauchte man den interreligiösen Dialog wohl auch nicht dringend. Dazu würde ja vielleicht schon die Bibel genügen.

Zur Klärung des von Lehmann angestrebten Dialog-Ziels könnte der Taxifahrer-Bischofs-Dialog helfen. Gleich ob der Iraner Moslem, Bahai, Christ oder Atheist war, es geht für den Christen darum, Offenheit zu zeigen und das religiöse Gegenüber in seinen Positionen und Werthaltungen mit Sympathie aufzunehmen. Hier will Lehmann für seine Herde oder die “katholische Weltkirche”, die er am Schluß seiner Überlegungen erwähnt, beispielgebend vorausgehen. Auch wurde von ihm ja ein religiöses Zeugnis abgegeben. Schliesslich hat Lehmann doch von Gott gesprochen_

Aber welchen Gott hat er gemeint? Der trinitarische christliche Gott dürfte es nicht gewesen sein. Denn Lehmann hat ja schon lange die christliche Religion weit hinter sich gelassen. Das bekundete er z.B. als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in einem Schreiben aus dem Jahre 2004 für alle klar erkennbar. Dort behauptete er: “Nach Aussage der biblischen Schriften hat Gott, der Vater, schon vor der Erschaffung der Welt alle Menschen erwählt und mit dem Heil beschenkt.” Unter einer solchen Voraussetzung braucht man keinen Christus als Erlöser mehr und Jesus kann nicht Gott gewesen sein. Der christliche Glaube ist also überlebt. Was nun? Da bleibt eben nur der interreligiöse Dialog als nötige Hilfe, um den alten Glauben abzustreifen und neue Orientierungen zu gewinnen.

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