Luthers Lebensende
Buch 1:  Eine historische Untersuchung

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Übersetzung abgeschlossen von August 2013 bis 8. Juli 2014.

   
   




 

  
Luthers Lebensende von Paul Majunke 1890/1891

Kurzbiographie Paul Majunke

Buch 1  Luthers Lebensende. Eine historische Untersuchung.   Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1891    Seite 1-100      

Anhang Buch 1

Buch 2  Eine historische Kritik über Luthers Lebensende.           Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1890    Seite 101-208


Buch 3  Ein letztes Wort an die Luther-Dichter.                              Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1890    Seite 209-260

Alle 3 Bücher in einem Pdf:   Orginal (Alte Schrift)

 

Ergänzungen unsererseits: Lateinische Übersetzungen und zusätzliche Erklärungen (Wörter, Personen) sind in dieser Farbe gehalten.

Buch 1 - Eine historische Untersuchung
 
Inhalt
Der verabredete Bericht über Luthers Tod

Die Gerüchte über Luthers Tod

Stand der Sache von 1546 bis 1592

Die erste authentische Nachricht über Luthers Lebensende (1592)

Die Replik der Protestanten auf die katholischerseits veröffentlichten Verhüllungen

Die Gemütsstimmung Luthers gegen Ende seines Lebens
Schlusswort

Anhang

 

Luthers Lebensende
 

eine historische Untersuchung

von

Paul Majunke
 

fünfte, verbesserte Auflage

Mainz,

Druck und Verlag von Fl. Kupferberg,

im Jahr 1891

Harvard College, Library (Bücherei-Archiv), 30. Jan. 1893


 

Vorbemerkung

In meiner unlängst erschienenen Volks-Ausgabe der „Geschichte des Kulturkampfes“ hatte ich in der historischen Einleitung unter anderem eine Stelle aus den „Hamburger Briefen“ (Berlin „Germania“) zitiert, in welcher angedeutet war, dass Luther keines natürlichen Todes gestorben war (siehe dazu unten den Schluss des Anhangs).

Da ich dies meinerseits für eine Tatsache ausgab, sind eine große Anzahl an Anfragen an mich ergangen, ob und wie sich jene Behauptung beweisen lasse. Als Antwort stelle ich den Fragestellern die vorliegende Broschüre zu, welche vielleicht auch für ein größeres Publikum Interesse hat.

Da man auf protestantischer Seite nicht müde wird, immer von Neuem die gehässigsten Geschichtslügen gegen die Katholiken auszugraben, - erst in der jüngsten Zeit sprachen die Anhänger des „Evangelischen Bundes“ wieder von den „schlechten Päpsten“, vom „römischen Übermut“, von „römischer Tücke“ (des bei den Tümmeleien verübten Unfugs gar nicht zu denken) - so mögen in specie (insbesondere) den Mitgliedern jenes „Bundes“ im Nachfolgenden aus der Geschichte ihrer „Kirche“ einige Blätter gewidmet werden, die keine Geschichtslügen, auch keinen Übermut und keine Tücke enthalten, die man aber in der protestantischen Literatur zu entfernen oder zu übertünchen pflegt.

Im Übrigen ist die vorliegende Schrift nicht fürs Volk, sondern nur für wissenschaftliche Kreise berechnet, weshalb auch die lateinischen Zitate ohne Übersetzung geblieben sind.

Hochkirch bei Glogau, 14. Nov. 1889.

Der Verfasser.

 

Zur zweiten Auflage.

Unter den bis jetzt erschienenen Kritiken hat auch die feindseligste nicht einen Beweis gegen die Echtheit der hier mitgeteilten Dokumente und gegen die Glaubwürdigkeit der gemeldeten Tatsachen vorbringen können.
Es hat darum diese Auflage nur einige unwesentliche Veränderungen resp. (respektive) Zusätze erfahren.
Ein Hauptzweck der vorliegenden Arbeit sollte auch der sein: dafür zu sorgen, dass die Ansicht, welche die großen Theologen und Historiker des 16. und 17. Jahrhunderts über Luthers Lebensende gehabt haben, nicht in Vergessenheit gerate, wozu wir ja bereits – man vergleiche unten das Schlusskapitel des Anhangs - auf dem besten Wege waren. Dieser Zweck ist schon jetzt erreicht.
6. Jänner 1890.
Der Verfasser.

Zur dritten Auflage.

Die vorliegende Auflage hat eine Bereicherung gefunden durch Berücksichtigung der „Apologie“ (Verteidigungsrede), welche der Wittenberger General-Super-Intendent (leitender kirchenamtlicher Aufseher) Hofmann 1746 gegen die „Verleumder“ Luthers gerichtet hat, sowie durch ein offenes direktes Geständnis Luthers, dass er oft von Selbstmordgedanken befallen sei.
19. Jänner 1890.
Der Verfasser.

Zur vierten Auflage.

In dieser ist das Zeugnis des Hosius (polnischer Kardinal) ausführlicher mitgeteilt, das des Claudius de Sainctes neu hinzugefügt worden. Auch ist eine Gegenschrift zur Apologie Müllers, sowie eine Duplik (Gegenerklärung des Beklagten) des Letzteren berücksichtigt.
19. Februar 1890.
Der Verfasser.

Zur fünften Auflage.

In dieser ist die Applikation (Eingabe an die Behörde) des Longolius in Wegfall gekommen (vergleiche „Ein letztes Wort an die Luther-Dichter“ S. 12 ff.); sonst sind nur Korrekturen formeller Natur vorgenommen worden.
10. Dezember 1890.
Der Verfasser.

 

Der verabredete Bericht über Luthers Tod.

Bald nachdem Luther in der Nacht vom 17. zum 18. Februar seinen Geist in seiner Vaterstadt Eisleben - wohin er sich behufs (zwecks) Schlichtung eines zwischen den Grafen von Mansfeld ausgebrochenen Streites begeben – ausgehaucht, traten die drei Prediger, welche dort in seiner Nähe waren, Spezial-Famulus Aurifaber (Diener Aurifaber), Justus Jonas von Halle und der Mansfeld'sche Hofprediger Michael Coelius zusammen, um einen gemeinsamen Bericht über den Tod und die letzten Lebenstage ihres Meisters für die Mit- und Nachwelt festzustellen.

Dass dieser Bericht veranlasst war durch verschiedene Gerüchte, welche sogleich nach Luthers Tode über die Art und Weise seines Endes in der Stadt Eisleben zirkulierten, geht hervor aus der Leichenrede, welche Michael Coelius dem Verstorbenen am 20. Februar gehalten hatte.

„Er ist noch nicht begraben“, sagte der Redner; „nicht mehr denn einen Tag tot gewesen und schon fanden sich Leute, die – durch den bösen Geist getrieben – ausgebracht haben sollen, als hab' man ihn tot im Bette gefunden.

Ja, ich trage nicht Zweifel, dass der, so von Anbeginn ein Lügner ist, noch mancherlei mehr und schlimmere Lügen erdenken wird, denn nicht um Luther ist's ihm mehr zu tun, sondern um seine Lehre.“ (vergleiche den Wortlaut des Originals unten im Anhang)

Welcher Art diese „schlimmeren Lügen“ hätten sein können, oder schon gewesen waren, hatte der Prediger nicht gesagt; aber dass solche „schlimmere Lügen“ in der Tat bereits im Kurs gewesen sein mussten, geht daraus hervor, dass der Redner, nachdem er im Folgenden den „wahren Hergang“ beim Tode Luthers erzählt hatte, zuletzt noch einmal mit verstärktem Pathos gegen die „Lügner“ loszuziehen für nötig hielt.

Der „wahre Hergang“ zunächst sollte der gewesen sein, dass Luther unter lauten Gebeten und Bibelsprüchen seine letzten Augenblicke zugebracht habe. Wiederholt soll er Psalmenstellen rezitiert und namentlich die Worte gesagt haben:

In manus tuas commendabo spiritum meum, redemisti me Domine Deus veritatis etc.“ („In deine Hände übergebe ich meinen Geist, du hast mich erlöst, oh Herr, Gott der Wahrheit etc.“)

Zuletzt hätten Doktor Jonas und der Redner Coelius ihn noch einmal mit eindringlicher Stimme gefragt: “Reverende (Hochwürden) Pater, wollet ihr auf Euern Herrn Jesum Christum sterben und die Lehre, so ihr in seinem Namen getan, bekennen?“ - worauf der Sterbende deutlich geantwortet: „Ja!“

„Hierauf fing er an, eine halbe Viertelstunde zu schlafen; dann tät er einen tiefen Odem holen und hiemit gab er sanft und in aller Stille mit großer Geduld seinen Geist auf.“

Unmittelbar nach dieser Erzählung wendet sich Coelius sogleich wieder an die „Lügner“.

„Das weiß Gott“, fährt er fort, „vor dem wir's auf unser Gewissen nehmen, dass es mit seinem (Luthers) Abschied also und nicht anders ergangen sei – wie man dasselbige in einer Historia1 (Historie) zusammengetragen und im Druck wird reichlicher ausgeben lassen.“

1 Der eingangs erwähnte Bericht von Jonas (Justus Jonas), Aurifaber und Coelius (Cölius Michael, Mansfelder Schlossprediger), der selbstverständlich mit dem Bericht des Coelius übereinstimmt.

„Das aber habe ich erzählet,“ so schließt Coelius , „dass man dem Teufel und den Seinen ihren lügenhaften Rachen stille; damit man, wenn man anders, wie jetzund (soeben) gehöret, davon reden wird, dem nicht Statt noch Glauben gebe. Denn ich und andere, so dabei gewest (gewesen), wollen dess' (dessen) lebendige Zeugen sein. Wer uns nun Glauben geben will, wohl gut; wer nicht will, der fahre hin (fort), lüge und trüge auf seine Abenteuer (Eigenverantwortung); ich weiß gottlob, dass ich der Wahrheit Zeugnis geben hab.“

Es müssen allerdings sehr bedenkliche Gerüchte gewesen sein, welche der „Teufel“ angestiftet hatte, wenn der Mansfelder Prediger mit einem solchen heftigen und wiederholten Ansturm und mit der ausgesprochenen Vermutung, dass sie nicht verstummen würden, sich gegen dieselben zur Wehr setzte – trotzdem das Lebensende Luthers ganz harmlos und naturgemäß verlaufen sein sollte – und wenn die drei Theologen noch angesichts des Leichnams Luthers eine „Historia (Historie)“ (in der sich die Erzählung des Coelius Michael über des Verschiedenen letzte Momente zum Teil wörtlich wiederfindet) für Gegenwart und Zukunft zusammenzustellen begannen1.

1 Außerdem verfasste Jonas noch einen Spezialbericht an den sächsischen Kurfürsten. Dieser Brief wurde später gleichfalls gedruckt. Der Druck stimmt natürlich mit den Angaben der „Historia (Historie)“ überein. Aber der Zweifel ist (trotz Seckendorf, der den Brief „Jonae manu subscriptam“, (von Jonas handsigniert), im Archiv zu Weimar - in „Reinschrift“ – gefunden hatte) berechtigt, ob der Brief im Original so gelautet hat, wie im Druck. – Für unsere spätere Darstellung ist übrigens der Umstand von Interesse, dass, während die „Historia“ unter Luthers Dienern, welche zu Eisleben um ihn waren, den Ambrosius „und andere Diener“ ausdrücklich erwähnt, auch in dem Jonas'schen Briefe an den Kurfürsten hervorgehoben wird, dass außer diesem Ambrosius „noch ein oder zwei“ Diener in Luthers Umgebung sich befunden haben.

Mit dieser Historia (Historie) hatten die Verfasser auch wirklich einen guten Griff getan. Als Flugschrift wurde dieselbe sogleich in hunderttausenden Exemplaren verbreitet, offiziell an die Höfe1 versandt und in fremde Sprachen übersetzt.

1 So u.a. an den Herzog Albrecht von Preußen. Dieser sandte wiederum die „Historie“ an den Bischof von Ermland (lat. und poln. Warmia), damit derselbe „der Unwahrheit so vyl (viel) weniger sich besorgen“ möge. (Hipler, Nikolaus Kopernikus und Martin Luther, Braunsberg 1868, S. 59) Dass man sich bis in Königsberg gegen „Unwahrheiten“ über Luthers Tod wehrte, ist jedenfalls charakteristisch.

Die (Historie) wurde später auch Luthers Werken (am Schlusse) einverleibt und dient seitdem sämtlichen protestantischen Luther-Biographen bis auf den heutigen Tag2 als Haupt-Geschichtsquelle über Luthers' Tod.

2 So z.B. dem Professor Köstlin. Dessen ganzes Lutherbuch ist übrigens nur ein sehr weitschweifiges Kompilatorium (Zusammenstellung), welches von geschichtlicher Kritik keine Spur verrät. Die mangelhafte Kenntnis der vorlutherischen Theologie, insbesondere die Unkenntnis der christlichen Dogmatik, sowie der Moral haben den Verfasser Luther idealisieren, nicht nach der Natur malen lassen. – Doch diesen Fehler hat ja Köstlin mit fast allen protestantischen Luther-Biographien gemein. Aber überaus lächerlich klingt es, wenn er aus Eigenem am Schlusse seines Werkes bemerkt, Luther habe „das bisher allgewaltige Reich Roms für immer in seinem Grund erschüttert“! – Wer so etwas sagen kann heute, wo das Werk Luthers mit Riesenschritten seiner Selbstauflösung entgegengeht, während die Macht Roms über die Gemüter gewaltiger dasteht, denn je seit 300 Jahren, für den scheint die Vernunft nach Luthers Ausspruch eine „babylonische H . . .“ zu sein!

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Die Gerüchte über Luthers Tod

Es frägt (fragt) sich nun, was das für Gerüchte gewesen sind, welche an Luthers Bahre über die Todesart des Entseelten ausgesprengt (verbreitet) worden waren. Oder zunächst müsste man wohl fragen, wer solche Gerüchte ausgestreut resp. (respektive = beziehungsweise) weiter verbreitet hat?
Nach der Ansicht des Coelius konnten die Urheber der böswilligen, ja „teuflischen“ Erdichtungen wohl nur die „Papisten“ (abwertende Bezeichnung für Katholiken) gewesen sein.
Aber wie kamen diese in die Lutherstadt Eisleben, in welcher im Jahre 1546 die „Freiheit“ der „christlichen Lehre“ bereits in solcher Blüte stand, dass in ihren Mauern ein „Papist“ gar keinen Atem mehr holen konnte!
1

1 In Döllinger's „Reformation“! I, S. 27 wird nach Georg Wizel's (Wicel, Witzel) Briefen der Nachweis geführt, dass es schon im Jahre 1533 in Eisleben „kaum 10 Katholiken“ gab, „und auch diese besuchten aus Scheu vor den Lutheranern den öffentlichen Gottesdienst nicht“.
Im Jahre 1538 starb der letzte der katholisch gesinnten Grafen von Mansfeld.

Und wie kämen die „Papisten“ gar in die unmittelbare Umgebung Luthers, in die Eislebener Theologen- und Adelskreise, oder gar in Luthers Dienerschaft hinein – denn nur von diesen Kreisen konnten nach Lage der Verhältnisse die Gerüchte ausgegangen sein, welche dann allerdings mit großer Schnelligkeit in der Stadt und Umgegend sich verbreiten konnten.
Die Urheber der Gerüchte konnten demnach nur Anhänger Luthers gewesen sein; diese würden aber gewiss nichts gesagt oder angedeutet haben, wenn nicht ein plötzliches und aus dem Rahmen des Natürlichen heraustretendes Ereignis sie genötigt hätte, dem Publikum auf zahllose Fragen Antwort zu geben.
Unter solchen Umständen war der Magister Coelius sehr unklug gewesen, wenn er glauben konnte, dass er mit seinem Gepoltere „dem Teufel und den Seinen ihren lügenhaften Rachen stillen“ würde. Er hat auf diese Weise erst recht Verdacht erweckt und für seine Erzählung ungläubige Ohren geschaffen.
Er scheint auch diese seine Unvorsichtigkeit bald bereut zu haben, denn in der gedruckten „Historia (Historie)“, die er im Verein mit dem schlaueren Jonas und dem gewandteren Aurifaber angefertigt und unterzeichnet hatte, findet sich nicht die geringste Andeutung mehr von jenen Gerüchten.
Und da, wie oben erwähnt, diese „Historia“ die Hauptquelle bezüglich des Todes Luthers für spätere Biographen blieb, so würden auch in der polemischen Literatur der Protestanten jene Gerüchte totgeschwiegen worden sein, wenn nicht katholische Schriftsteller von denselben Notiz genommen und sie für glaubhaft bezeichnet resp. (beziehungsweise) sie als Tatsachen hingestellt hätten.
Welcher Art also waren diese Erzählungen, die bald in ganz Sachsenland einer dem andern heimlich ins Ohr anvertraut hatte?

Wenn sie auch in Einzelheiten voneinander abwichen, so blieb bei allen doch ein gemeinsamer, einheitlicher Kern zurück. In der Hauptsache stimmten nämlich alle darin überein, dass Luther eines ganz plötzlichen, unerwarteten und dabei jämmerlichen Todes gestorben sei.1

1 In Georg Eder's „Inquisition wahrer und falscher Religion“, Dillingen 1573, S. 186, wird sogar Philipp Melanchthon (eigentlich Philipp Schwartzerdt, Humanist und Theologe, regte Luther zur Bibelübersetzung an und führte nach Luthers Tod die Reformationsbewegung weiter) als Zeuge dafür angeführt, dass Luther „gächling“ (unvorhersehens) gestorben sei.


Am 28. Jänner abends war Luther in Eisleben eingetroffen. Bereits am 29. Jänner begann er mit den Verhandlungen im Interesse seines Gönners, des Grafen Albrecht zu Mansfeld. Nebenbei hatte er von jenem Tage ab bis zu seinem Tode viermal gepredigt und sogar zwei Priester ordiniert und geweihet1.

1 Die mehrerwähnte „Historia“ gedenkt ebenfalls dieser „Ordination“ sowie der vier Predigten und bemerkt dabei, dass sie nach „apostolischem Brauch“ (!!) geschehen.


Noch am Abend des 17. Februar nahm er, wie die „Historia“ zugibt, sein Abendessen in gewöhnlicher Weise ein und bereits am achtzehnten morgens war er eine Leiche.

Da man von Luther wusste, dass er nicht nur gern aß und trank, sondern dass er selbst die Unmäßigkeit liebte – hatte er sich doch gerühmt, dass er „fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher“ – so wird wohl zunächst das Gerücht verbreitet gewesen sein, dass ihn, weil er sich zu voll gegessen und getrunken, ein Schlagfluss (Schlaganfall) (bei seinen ohnehin schon geschwächten körperlichen Kräften) hinweggerafft habe.

Bei Cochläus („De actis et scriptis Lutheri“ „Über die Machenschaften und Schriften Luthers“ Mainz 1548, Paris und Köln, 1565, p. 298 ff.) (Johannes Cochläus Humanist und Theologe, einer der erbittertsten Gegner Martin Luthers) findet sich ein ins Lateinische übersetzter Bericht „cujusdam civis Mansfeldensis“ („eines gewissen Mansfelder Bürgers“) abgedruckt, der in zahlreichen Einzelheiten von der „Historia“ abweicht.
Hiernach habe Luther am Abend vor seinem Tode noch alle seine Tischgenossen durch gewohnte Scherze aufgeheitert, aber bald darauf – um die achte Stunde – sich etwas unwohl gefühlt.
 

(Post medium noctis repente vocati sunt ad eum Duo Medici, quorum alter Doctor, alter Magister erat, qui ubi advenerunt non repererunt in eo ullum amplius pulsum.* Scrisperunt tamen mox Receptum quoddam pro immittendo Clisterio seu Enemate1.)   Nach Mitternacht seien plötzlich die beiden Eislebener Ärzte zu ihm gerufen worden, welche bei ihrer Ankunft keinen Pulsschlag mehr bei ihm angetroffen hätten. Sie verschrieben dennoch sogleich ein ärztliches Rezept für eine gewisse Verabreichung eines Klistiers oder auch Darm-Einlaufs1.

1 Das Gerücht, dass Luther bald nach oder gar vor Mitternacht (zum 18. Feber) verschieden sei, muss sich jedenfalls verbreitet und auch lange Zeit sich erhalten haben. Denn unter den zahlreichen Münzen, welche aus Anlass seines Todes geprägt wurden, befindet sich eine, welche 1622 zu Eisleben geprägt war und als Todestag den 17. Februar angibt ( „Vita D. Martini Lutheri nummis CXLV atque iconibus illustrata“, Francofurti et Lipsiae 1699. S. 177 ff., „Das Leben Luthers auf 145 Münzen und insbesondere auf Ikonen-Abbildungen veranschaulicht“, Frankfurt und Leipzig 1699. S. 177 ff.)
 
Darauf hätten sie nach dem Apotheker geschickt mit der Weisung, ein Klistier zu bereiten. Nun fährt der Bericht fort:
(Nur in Lateinisch im Buch)   (Unsere Übersetzung)

 Is ubi advenit et medicorum jussu temperasset atque calefecisset Clisterium, putabat illum adhuc vivere. Cumque versum esset corpus, ut ei Clisterium applicaretur, Apothecarius videns eum mortuum iam esse, ait at Medicos:

 „Mortuus est, quid opus est Enemate?“

 Aderat comes Albertus et nonnulli homines eruditi. Responderunt autem medici:

 „Quid tum? Appone Clisterium, si forte supersit ullus adhuc spiritus, ut reviviscat.“ Ille ergo cannulam apponens, sensit in saccum Clisterii exire quasdam ventositates et bombos. Erat enim totum corpus refertum humoribus ex superfluo cibo potuque. Habuerat enim coquinam magnifice instructam et vinum dulce atque exoticum permultis metretis abundans in hospitio. Ajunt sane, Lutherum omni prandio et coena unum ebibisse sextarium (d.h. fünf bis sechs Quart, 1 Quart ist ca. 1 Liter) vini dulcis et exotici. Ubi igitur Apothecarius Clisterium in corpus torsit, totum refusum est e corpore in lectum, qui splendide praeparatus erat. Ait itaque Medicis Apothecarius: „Non remanet Clisterium“ - dixerunt illi: „Omitte igitur.“

 Contenderunt autem inter sese duo illi Medici de genere mortis. Doctor dicebat, Apoplexiam fuisse: Visa est enim tortura oris et dextrum latus totum infiscatum. Magister verum, qui putabat, tam sanctum virum non debere manu Dei per Apoplexiam interimi, dicebat fuisse Catharhum suffocatiuum et per viam suffocationis mortem intrasse. His ita peractis advenerunt alii quoque, comites omnes; Jonas vero sedens ad caput defuncti, vehementer lamentabatur, manus invicem contorquens et jactitans. Interrogatus ergo, an Lutherus hesterno (iam enim initium erat diei sequentis1), quae erat feria Quinta et Februarij Decima Octua) vespere conquestus de aliquo fuisset dolore. Respondit ille: „Ah non, fuit enim heri ita laetus sicut nunquam fuit. Ah Domine Deus! Domine Deus!“

 

1 Siehe vorangehende kleingedruckte Note

 

Sobald als dieser dort eintraf und auf Anordnung der Ärzte das Klistier richtig mischte und dazu anwärmte, glaubte er, dass jener noch am Leben ist. Und weil der Körper umgedreht war, um diesem das Klistier zu verabreichen, sagte der Apotheker jedoch dagegen zu den Ärzten - genau sehend, dass dieser bereits tot ist:
„Er ist gestorben, welche Wirksamkeit hat da ein Einlauf?“(„quid opus est?“ = „Wozu die Mühe?“)
Der Begleiter Albert war zugegen und etliche gebildete Menschen, trotzdem aber antworteten die Ärzte: „Was weiter? Wende das Klistier an, wenn er vielleicht etwa noch am Leben ist, irgendein Lebenshauch bis jetzt immer noch vorhanden ist, auf dass er doch wieder auferstehe.“ Jener - folglich die Kanüle (hohles Röhrchen) ansetzend – bemerkte am Beutel das Austreten des Klistiers (Einlauf-Flüssigkeit) und irgendwelche (gewisse) Blähungen und dumpfe Geräusche (Brummen). Denn der ganze Körper war durch Essen und Trinken über das gewöhnliche Maß hinausgehend vollgestopft mit Flüssigkeiten. Er (Luther) hatte nämlich eine großartig ausgestattete Küche und süßen - insbesondere ausländischen – Wein, in zahlreichen Weinfässern für die Bewirtung (der Gäste) in Überfluss vorhanden. Sie sagen in der Tat , dass Luther bei jedem Mittag- und Abendessen sechs Quart (Liter) an süßem und exotischen Wein ausgetrunken hat. Als der Apotheker daher das Klistier in den Körper hineinwarf, wurde das Ganze wieder aus dem Körper heraus zurückgeworfen in das Bett, wie prächtig es doch vorbereitet war. Infolgedessen sagte der Apotheker zu den Ärzten: “Das Klistier verbleibt nicht.“ – Jene sagten darauf: “Lass es also sein!“ („So gib es auf!“)

Jene zwei Ärzte aber hingegen stritten unter sich über die Art des Todes. Der Doktor sagte, es sei ein Schlaganfall gewesen: Denn es wurden krampfartige Verzerrungen des Gesichts gesehen und die gesamte rechte Seite war verfärbt. Der Magister allerdings, welcher meinte, so ein heiliger Mann muss nicht über einen Schlaganfall durch die Hand Gottes hinfort genommen worden sein, sagte, dass es ein Erstickungs-Katarrh gewesen sei und auf diese Art und Weise der Atemnot sei dabei der Tod eingetreten. Im Zuge dieser Ausführungen kamen damit auch noch andere hinzu, allesamt Gefährten; Jonas jedoch saß beim Haupt des Verschiedenen, der im höchsten Maße bedauert wurde, die Hände abwechslungsweise zusammenschlagend und herum werfend. Daher stellte sich die Frage, ob Luther nicht etwa gestern (denn schon zu Beginn des darauffolgenden Tages1, welcher ein Donnerstag und der 18. Februar war) abends über irgendwelche Schmerzen geklagt hätte. Jener erwiderte: „Ach nein, denn gestern war eine so schöne Nacht, wie sie es niemals zuvor war. Oh Herrgott ! Herr Gott !“

Der Bericht erzählt dann, dass man abermals Wiederbelebungsversuche angestellt, dass diese aber wiederum erfolglos gewesen seien.
Wiederbelebungsversuche bei einem Toten, der – wie die „Historie“ behauptet – „friedlich und sanft im Herrn entschlafen“ sein sollte, sind jedenfalls eine auffallende Seltenheit.

Nicht minder merkwürdig ist die nachstehende nunmehr folgende Stelle des Berichts:

Habuit Lutherus quemdam apud se Magistrum fabulantem sibi. Qui a comitibus interrogatus, an Lutherus praecedente vespere de dolore aliquo conquestus fuisset.

Respondit, eum ita laetum fuisse, ut longo tempore tam laetus non fuerit. Narrabat enim historiam de quodam, qui diabolo se addixerat, magnam passus famem, ut ipsum cibaret. Diabolus ergo procurans abundanter et elixas et assatas carnes, ubi vidit eum plane saturatum, petiit eo animam ipsius, promissam sibi, quia iam satur esset.

Ille autem respondit, expectandum esse, donec moreretur. Non enim corpus sed animam ei addiert. Contra vero ait diabolus: „Nonne qui equum emit, frenum quoque equi retinet?“

Annuente illo intulit Diabolus sic: „Anima equus est, corpus frenum“, atque his dictis abripuit eum cum corpore pariter et anima. Laethi itaque fuerunt omnes, qui heac et id genus plure ab eo audierant.

 

Luther hatte bei sich in der Wohnung einen gewissen Magister.
Dieser wurde von den Gefährten gefragt, ob Luther am Vorabend über irgendwelche Schmerzen geklagt hätte. Er antwortete, dass dieser so glücklich gewesen sei, so froh, wie er es seit langer Zeit nicht mehr gewesen sei. Denn er erzählte nämlich die Geschichte über eine bestimmte Person, die großen Hunger gelitten hat, die sich dem Teufel verkaufte, um sich selbst zu ernähren. Der Teufel, folglich daher überreichlich sorgend und zwar mit gekochten und gebratenen Fleischstücken, verlangte - alsdann er ihn vollkommen gesättigt erblickte - deshalb von ihm die Seele desselben, die ihm versprochen wurde, da er bereits gesättigt war.
Jener aber erwiderte, dass er abzuwarten habe, bis er sterbe. Denn nicht den Leib, sondern die Seele hätte er ihm als Eigentum zugesagt. Demgegenüber jedoch sagte der Teufel: „Hält denn nicht auch der die Zügel des Pferdes in der Hand, der das Pferd kauft?“
Mit einem Kopfnicken flößte der Teufel jenem folgendes ein: „Die Seele ist das Pferd, der Körper die Zügel“, und so raffte er ihn darauf mit diesen Sätzen hinfort, zusammen mit dem Körper, ebenso wie auch mit der Seele. Und so waren daher alle zusammen fröhlich, welche von ihm das eben erwähnte mitangehört hatten.

Des Weiteren werden im Bericht die Leichenfeierlichkeiten geschildert. Die Darstellung weicht insofern von der der „Historie“ ab, als erzählt wird, es hätten die Leiche Luthers, nachdem man sie von Eisleben nach Wittenberg geschafft, einige Professoren und Doktoren der Wittenberger Universität vom Stadttor bis zum Schlosstor tragen wollen, zu welchem Zweck eine eigene Bahre verfertigt worden sei. Wegen des pestilenzialischen Gestanks1 aber, den die Leiche verbreitete, – trotzdem sie sich in einem metallenen Sarg befand und eisige Kälte herrschte – wäre es unmöglich gewesen, sie zu tragen, weshalb sie bis zur Schlosskirche gefahren werden musste.

1 Nach anderen Berichten hat dieser Gestank schon in Eisleben die Lüfte erfüllt, und zwar so, dass Tausende von schwarzen Raben hinzu geflogen seien und die Leiche bis Wittenberg begleitet hätten. – Die Mystiker gaben hierzu freilich eine andere Auslegung, als die Ornithologen (Vogelkundler).
(Siehe unten den Bericht des Helmesius, des Thyräus usw. darüber)

Cochläus selbst geht auf die Gerüchte, welche bezüglich der Todesart Luthers zirkulierten, nicht des Näheren ein. Aber auch er erwähnt, dass der Verstorbene am Abend vor seinem Tode reichlich Speise zu sich genommen und mit seinen Tischgenossen Scherze getrieben hätte.
De cuius obitu, Über dessen Tod, fährt er dann fort (l. c. p., vergl. S.294):
 

Multi multa scribunt. Aliter narrant et scribunt ex vicinis locis Catholici, aliter loquuntur et scribunt Lutherani. Multos enim agminatim emittunt germanice libellos ad persuadendum cunctis, quam sancte mortuus sit ille sanctissimus, ut aiunt, omnium eorum pater.

 

Viele schreiben viel. Die einen erzählen und schreiben als Katholiken aus den Nachbarländern, die anderen sprechen und schreiben als Lutheraner. Denn sie senden viele scharenweise aus, Bücher auf deutsch zur Überzeugung aller, wie ehrwürdig jener sehr Heiliger doch gestorben sei, wie man sagt, deren aller Vater.

An einer anderen Stelle sagt Cochläus (S. 298), dass die „Historie“ des Jonas „mendax et futilis“, lügenhaft und unzuverlässig sei und dass sie „complures stultitia“, ziemlich viele Dummheiten enthalte, „quae apud eruditos et cordatos viros Lutheri famam magis denigrant, quam celebrant“, welche bei den Gelehrten und Verständigen den Ruf Luthers mehr einschwärzen als ihn zu feiern.
Aber obgleich man die mehrerwähnte „Historia (Historie)“ und die im Seperat-Abdruck erschienenen Leichenreden (welche Jonas am 19. Februar und Coelius am 20. Februar in Eisleben, Johannes Bugenhagen - Doktor Pomeranus genannt, war ein Reformator und Weggefährte Martin Luthers - am 22. Februar und Melanchthon an demselben Tage in Wittenberg gehalten) mit einem Bildnis umgab, in welchem Luther im Heiligenschein dargestellt wurde; obgleich man sogar Denkmünzen (Gedenkmünzen) mit solchen Bildnissen prägen ließ – der Glaube an Luthers heiligmäßigen Tod fand nur wenig Anhänger. Ja nach der Redeweise mehrerer katholischer Schriftsteller zu schließen, muss auch auf Seite der Protestanten die Anschauung vorherrschend gewesen sein, dass der „Reformator“ eines plötzlichen und elenden Todes gestorben sei.

Helmesius, Ord. St. Francisci, bemerkt in seiner 1557 (zu Köln) erschienenen Schrift: „Captivitas Babylonica Martini Lutheri“, „Die babylonische Gefangenschaft des Martin Luther“ (I, H):
„Repentinus ei (Luthero) supervenit interitus, sicut dolor in utero habentis et Dominus partem eius cum infidelibus posuit et cum perfidis haereticis in profundissimo inferno1.“ „Plötzliches Verderben kam über ihn (Luther), genauso wie die Schmerzes-Wehen einer schwangeren Frau und wie der Herr seinen Anteil für die Ungläubigen festsetzt und mit den treulosen Ketzern in der tiefsten Hölle verfährt 1.“
 

1 Nähere Angaben über Luthers Todesart macht auch Helmesius nicht. Interessant dagegen ist sein Bericht über die Raben, welche der Leiche Luthers folgten. Er sagt darüber:

„Quum cadaver scelesti (Lutheri) cum pompa maxima ad civitatem Hallensem in curru allatum fuisset et positum in Ecclesiae Virginis Mariae tanta corvorum multitudo cum corpore illo venit et altera die cum eo recessit, quantam nulla aetas hominum vidit vel audiuit.

Tanta multitudo corvorum venit cum cadavere Lutheri, quod tecta domorum et arborum rami vix sufficiebant, ut loca sibi in eis in quibus residerent acciperent. Luderani in templo excubias iuxta corpus servabant tota nocte illa atque haeretica cantica sua et die blasphemias sine intermissione altissimis vocibus reboabant. Et corvi in tectis et arboribus residentes, simili alacritate suum Cras crocitabant sine cessatione, ut nescias an faex Luderana aut corvi potiores fuerint in clamore. Mane autem facto, quum cadaver impii cum pompa maxima extra civitatem portaretur, sicut cum veniente corvi venerunt sic cum recedente recesserunt eumque conduxerunt.

Sed quousque nescio. Haec ego audivi a multis in civitate Hallensium, ad quam post mortem impii illius non post multos dies et ibidem diu mansi.“

 

„Als der Leichnam (von Luther) des Unglücklichen mit einer großen Prozession auf einem Wagen zur Gemeinde Halle gebracht und in der Kirche zur Jungfrau Maria abgesetzt wurde, kam zusammen mit jenem Körper eine so große Vielzahl an Raben und verschwand mit ihm am nächsten Tag wieder, wie man es zu keiner Menschheits-Epoche jemals gesehen oder gehört hat. Eine derartig große Anzahl an Raben kam mit dem Kadaver Luthers, dass die Dächer der Häuser und die Zweige der Bäume kaum ausreichten, so dass die Plätze, in denen, in welchen sie hausten, sie hätten aufnehmen können. Die Lutheraner hielten im Kirchengebäude unmittelbar neben dem Leichnam in jener besagten Nacht durchgehend Wachdienst und dazu hallten ihre ketzerischen Gesänge - und bei Tag Gotteslästerungen - ohne Unterbrechung in den höchsten Tönen – wider. Und die auf den Dächern und den Ästen sitzenden Raben krächzten mit einer ähnlichen Begeisterung ohne Unterlass seinen Morgen, wobei man nicht sagen kann, ob der lutherische Abschaum oder die Raben im Beifallsgeschrei besser gewesen seien. Aber am Morgen, als der Leichnam des Gottlosen mit einem sehr großen Umzug aus der Stadt getragen wurde, verschwanden die Raben wieder mit dem Rückzug, so wie sie mit dem Kommen kamen und ihn auch dabei begleiteten. Aber ich weiß nicht wie lange. Dies aber habe ich von vielen in der Stadt Halle gehört, bis nach dem Tod jenes Gottlosen, nicht erst nach vielen Tagen und ich verblieb dort lange Zeit.“

 

Die hier ausführlich berichtete Erscheinung wird von Petrus Thyräus (De Daemoniacis, Über die von Dämonen Besessenen, I. disp. 8 sect. 11) wie folgt erklärt:

„Quo die Martinus Lutherus ex hac vita discessit Daemoniaci qui Gheelae (Brabantiae oppidum) plurimi erant et patrocinio St. Dympnae (quod iam multi multis annis expertis erant) liberationem expectabant, omnes a daemonibus liberati sunt, sed non ita multo post ab iisdem rursus occupati.

Res haec obscura non est, siquidem postera die, quum miseros homines rursus crudeles spiritus torquerent, interrogati, ubi pridie latuissent, responderunt se mandato Princibis sui ad novi prophetae et fidelis cooperarii Lutheri funus evocatos fuisse eidemque interfuisse.“

 

„An dem Tag, als Martin Luther aus dem Leben schied, wurden die Besessenen, derer in Gheel sehr viele waren und sich unter der Schirmherrschaft von der Heiligen Dympna Befreiung erhofften, alle zusammen von den Dämonen befreit, aber nicht gerade viel später wurden sie danach von denselben wiederum besetzt.

Diese Sache ist kein Rätsel, insofern sie nämlich am darauffolgenden Tag, als die grausamen Geister diese bedauernswerten Menschen nochmals entstellten (quälten), befragt wurden, wo sie sich denn am Tag zuvor versteckt hielten, antworteten sie, dass sie auf Befehl ihres Anführers zum Begräbnis Luthers, des neuen Propheten und des treuen Gehilfen, herbeigerufen geworden seien und diesem auch beiwohnten.

Cornelius a Lapide (Cornelis van Stein), bekanntlich ein Niederländer, entnimmt dieselbe Erzählung aus Tilmann Bredenbach, Sacrae collationes (Heilige Versammlungen), lib. 7 cap. 39, und bemerkt seinerseits, dass er persönlich Gheel kenne und die Besessenen selbst gesehen habe, welche dorthin zum Grabmal der heiligen Dympna zusammenströmten. („Oppidum hoc vidi in Brabantia et energumenos, qui eo ad St. Dympnam confluunt.“ Comment. in Apocal. S. Johannis, Cap. XX, B.)

Der Ort Gheel, zwischen Brüssel und Antwerpen gelegen, hat noch heute eine berühmte Kolonie (Personenverband in einem Gebiet außerhalb des angestammten Siedlungsgebietes, auswärtiges abhängiges Gebiet eines Staates) von Geisteskranken. Karl Baedeker (Reiseführer: Belgien und Holland, S. 74) bemerkt darüber:

„Gheel est interessant par sa colonie d'aliénés. Dans cette localité et les villages et fermes environnants sont placés prés de 900 aliénés. Cette contrée, d'environ 10 lieues de périmétre est partagée en 4 sections ayant chacune un médecin et un surveillant. On remarque á Gheel la belle église du style ogivale tertiaire dediée á Ste. Dympne, princesse irlandaise convertie au christianisme et qui eut en cet endroit la téte tranchée par son pére payen; c'est par suite des miracles de cette sainte, que s'est formée la colonie d'aliénés.“

  „Gheel ist für seine Kolonie der Verrückten interessant. An diesem Ort, in den Dörfern und den umliegenden Höfen, sind fast 900 Geisteskranke platziert. Dieses Land, ungefähr im Umkreis von 10 Meilen, ist in 4 Sektoren unterteilt, mit jeweils einem Arzt und einer Aufsichtsperson. Wir stellen fest, dass Gheel eine schöne Kirche im gotischen Stil hat und der Heiligen Dympne geweiht ist, die als irländische Prinzessin zum Christentum konvertierte und welcher genau an dieser Stelle durch ihrem heidnischen Vater das Haupt abgeschnitten wurde; dies aufgrund der Wunder dieser Heiligen, die die Kolonie der Verrückten gegründet hat.“

 

Genebrardus, der Gelehrte der Sorbonne sagt in seinen 1581 zu Köln erschienenen „Chronographiae“ (Chronografien = Geschichtsschreibungen nach der Zeitfolge) auf Seite 1181:

Lutherus Islebii cum vespere egregie esset pastus et potus, mane repertus est ad Satanam descendisse.

 

Luther wäre zu Eisleben im Zuge des Abends außerordentlich angefressen und angetrunken gewesen, frühmorgens wurde er aufgefunden - hinabgestiegen zu Satan.

Floremund Raemund berichtet in seiner „Histoire de la naissance etc. de l'hérésie“ (Geschichte der Geburt usw. der Ketzerei, lateinisch übersetzt Köln 1655) S. 265:
„A quibusdam proditum invenio, eodem modo Lutherum, quum (= cum) e lectulo ventris exonerandi causa surrexisset, quo Arium intestina effudisse.“
„Zufällig stoße ich auf (finde / entdecke ich) eine Überlieferung von gewissen Leuten, dass dem Luther auf die gleiche Weise, als er aufgrund der Entleerung (= zur Erleichterung) des Bauches aus dem Bettlager aufgestanden wäre, wie bei Arius*  die Gedärme hervorgequollen sind.“

* Der Ketzerkönig Arius starb eines grausamen Todes, indem sein Darm unerklärlicherweise zerriss. Der Heilige Athanasius überliefert die Geschichte von Arius und dessen mysteriöse Todesursache (Sprengen des Darms). Arius aus Alexandria (Ursprung der Ormus-Rosenkreutzer-Gesellschaft: 46 n. Chr.) war ein geheimer Häretiker und Feind der Kirche, der sich als Scheinchrist tarnte (Anführer der 5. Kolonne = jüdische Geheimagenten innerhalb der Kirche), Papst werden wollte und den Arianismus sowie die arianischen falschen Bischöfe hervorbrachte.
 

Floremund Raemund gibt nicht die Quellen für seine Mitteilung an, wie er denn überhaupt – wie wir später sehen werden – in der Quellenbenutzung sehr ungenau zu Werke geht.
Eine Ansicht, welcher der später von Bozius (Antonius Bosius, siehe unten) vertretenen nahe kommt, hat der Kardinal Bellarmine (Roberto Bellarmine machtvoller Verteidiger des katholischen Glaubens und des Apostolischen Stuhles gegen die Irrlehren der Reformatoren,1930 heilig gesprochen) gehabt, der in seinen (von 1570 bis 1576 zu Löwen gehaltenen, 1615 zu Köln gedruckten) Predigten (Concio IX, Vortragsrede Nr. IX, S. 562) bemerkte:

„Martinus Lutherus nonne sicut Epicureo more vixit, ita quoque more Epicureo extinctus est? Nam quum nocte quadam optimam coenam sumpsisset, sicut semper solebat, et fabulis et facetiis omnibus convivis risum movisset, post paucas horas ore contorto animam diabolo reddidit.“

 

„Hat Martin Luther denn nicht mehr wie ein Epikuräer* gelebt, und ist er so denn nicht auch wie ein Epikuräer gestorben? Denn als er in einer gewissen Nacht reichlich Abendmahl zu sich genommen hätte, so wie er es immer pflegte zu tun, und mit Geschichten und Scherzen alle Tischgenossen zum Lachen bewegt hätte, hat er nach wenigen Stunden mit verzogenem Gesicht dem Teufel die Seele wieder zurückgegeben.

* Epikur: Vertreter des Hedonismus („Genussmensch"), er bestritt nachdrücklich die Schöpfung und die Lenkung der Welt durch eine göttliche Instanz, doch ging er davon aus, dass es tatsächlich Götter gibt.

Der Kardinal Stanislaus Hosius meinte, dass wie Luther bei fast allen seinen Worten, Schriften und Werken auf Antrieb des Teufels gesprochen, geschrieben und gehandelt habe, so sei dies auch bei seinem Lebensende geschehen. In seiner klassischen Schrift „Confutatio prolegomenon Brentii, Coloniae 1560“ (Widerlegung der wissenschaftlichen Vorrede des Johannes Brenz, Köln 1560), sagt der Kardinal darüber S. 8 ff.:

„Cum itaque (Lutherus) in omnibus dictis, scriptis, factis suis, non alios quam iram et odium pessimos consultores adhibuerit, erit adhuc quisquam qui dubitet, quaecumque ab eo profecta sunt, aliunde quam a Diabolo profecta esse? Si quis est huiusmodi, tollet illi dubitationem hanc Lutherus ipse, qui in libro quem inscripsit „De Missa angulari“, quem habuerit autorem doctrinae suae, non obscure fert. Inducit enim ibi Diabolum secum disputantem, ac fortiora contra Missam argumenta proferentem, quam quae refelli a se potuerint. Cuius etiam vocem in ibi describit, quod ea gravis et robusta sit, tamquam terribiliter insonet, ut usu quandoque eveniat, quod post collationem cum Daemone nocturnam homines postridie mane mortui reperiantur: Nam et corpus, inquit, occidere potest, deinde vero animam ita reddit anxiam, ut in uno momento quandoque necesse habeat e corpore migrare.

Quod saepe sibi quoque ipsi propemodum accidisse scribit. Quin et accidit ad extremum. Nam qui vespere bene potus erat et hilaris, postridie mane repertus est in lecto mortuus, cum totos annos undetriginta magnos in Ecclesia Dei motus excitasset. Atque hoc est illud, quod adeo magnifice praedicatur a quibusdam, Dei verbum & Evangelium, non a Christo, sed ab autore Sathana profectum, sicut ipse fatetur, qui primus id in lucem edidit. Nam ab eo sibi gloriatur argumenta esse suppeditata, quibus sacerdotium & sacrificium everteret.“

 

„Wenn also infolgedessen Luther in allen seinen Worten, Schriften und Werken keine anderen als wie Wut und Hass als die schlechtesten Berater herangezogen hat, wird er bis hier jemand sein, welcher Bedenken trägt - welche auch immer von ihm geschaffen wurden, ob sie anderswoher als vom Teufel bewerkstelligt worden sind? Wenn jemand von dieser Art ist, wird Luther selbst dabei den Zweifel nehmen, der diesen in einem Buch beschreibt „Über die Winkel-Messe“, den er als Verfasser seiner Lehre betrachtet, daraus keinen Hehl macht. Denn er sagt darin einleitend, dass der Teufel mit ihm disputiert (gestritten) hätte, und dazu gegen die Messe besonders starke Belege vorbrachte, als diese von ihm hätten widerlegt werden können. Er beschreibt auch an dieser Stelle die Stimme dessen, insofern als diese schwer und stark sei, sowie sie furchtbar schrecklich dröhnt, sodass es manchmal vorkommt, dass Menschen nach einer nächtlichen* Verbindung mit dem Teufel (Dämon) am nächsten Morgen tot vorgefunden werden: Denn auch den Leib, sagte er (Satan), kann er töten, darauf aber versetzt er die Seele in einen Zustand voll quälender Unruhe, um in einem Augenblick - sooft sie es muss - aus dem Körper zu fahren. Er schreibt, dass ihm selbst das sogar ebenso fast passiert ist. Ja vielmehr kommt das bis zum Äußersten vor. Denn dieser war nämlich zur Abendzeit recht voll gesoffen und fröhlich, tags darauf wurde er am Morgen im Bett tot vorgefunden, nachdem er all die 29 Jahre hindurch in Gottes Kirche große Bewegungen verursacht hätte.
Und zwar, ist das jene Sache, welche von gewissen Leuten besonders großartig gepriesen wird, dass das Wort und das Evangelium Gottes nicht von Christus, sondern vom Verfasser Satan angefertigt worden ist, so wie er es selbst zugibt, da er das als Erster zur Welt gebracht hat. Denn er brüstete sich selbst nämlich damit, dass die Beweise zur Genüge gegeben sind, mit welchen er das Priestertum und das Messopfer zugrunde richtete.“

Hosius gibt diesem Kapitel die Aufschrift:
Lutherum malo spiritu actum pleraque perfecisse.“
Das lutherische Werk wurde größtenteils von einem bösen Geist (Dämon) ausgeführt.“ -
Die Stelle aus Luthers Werken, welche zitiert wird, findet sich in der berüchtigten 1533 erschienenen Schrift: „Von der Winkel-Messe und Pfaffenweihe.“
Luther kritisierte bestimmte Formen der Privatmesse und nannte sie Winkelmessen.

Luther erzählt daselbst, dass er über dieses Thema in einer Nacht mit dem Teufel eine ernste Disputation gehabt.
Er sagt in der Wittenberger Ausgabe von 1561 (VII 443 b. ff.):
„Ich bin einmal zu Mitternacht auferwacht / da fieng (fing) der Teufel mit mir in meinem Herzen / eine solche Disputation an (wie er mir denn gar manche Nacht bitter und sauer genug machen kann). Höret ihr's / Hochgelehrter / (sprach der Teufel) wisset ihr auch / dass ihr fünfzehen (15) Jahr lang habt / fast alle Tage / Winckelmessen gehalten / Wie wenn ihr mit solcher Messe hettet (hättet) eitel Abgötterei getrieben / und nicht Christus Leib und Blut / sondern eitel Brot und Wein da angebetet / und anzubeten andern furgehalten (vorgehalten)?
Ich antwortet / Bin ich doch ein geweiheter Pfaff (Pfarrer) / habe Kresem (Chrisam, Salböl) und Weihe vom Bischof empfange / dazu solches alles aus Befehl und Gehorsam getan / wie sollt ich denn nicht haben gewandelt / weil ich die Wort mit Ernst gesprochen / und mit aller müglicher (möglicher) Andacht Messe gehalten / Das weißest du fur war (fürwahr) / Ja / sprach er / Es ist wahr / Aber die Türken und Heiden tun auch alles in ihren Kirchen / aus Befehl und ernstlichem Gehorsam / die Pfaffen Jerobeam* zu Dan und Bersebe täten alles / vielleicht mit großer Andacht / weder die rechten Priester zu Jerusalem / Wie wenn deine Weihe / Kresem (Salböl) und Consecrirn (Konsekrieren / weihen) auch unchristlich und falsch wäre / wie der Türken und Samariter.
Hier brach mir wahrlich der Schweiß aus / und das Herz begonst (begann) mir zu zittern und zu pochen / Der Teufel weiß seine Argument' wohl anzusetzen und uns fort zu dringen (wegzudrängen) / und hat eine schwere starke Sprache / Und gehen solche Disputation' (Streitgespräche) nicht mit langen und viel Bedenken zu / Sondern ein Augenblick ist ein' Antwort umbs ander (um das andere)  / Und ich habe da wohl erfahren / wie es zu gehet / dass man des Morgens die Leute im Bette tot findet / Er kann den Leib erwürgen / Das ist eins / Er kann aber auch der Seelen so bange machen mit Disputirn (Streitgespräch) / dass sie (die Seele) ausfahren muss in einem Augenblick / wie ers (er es) mir gar oft fast nahe gebracht hat / Nu (nun) / Er hatte mich in dieser Disputation ergriffen / Und ich wollte ja nicht gern für Gott einen solchen unseligen Haufen Grewel (Gräuel) auf mir lassen / sondern meine Unschuld verteidigen / und höret ihm zu / was er für Ursachen hätte / wider meine Weihe und Consecrirn (Konsekrieren).
* Jerobeam erbaute die Heiligtümer von Bet-El und auch in Dan, nach der Bibel ließ er dort goldene Kälber aufstellen, damit das Volk sie als Götzen anbeten konnte.

So ging die Disputation noch eine Stunde lang fort, bis schließlich der „Mann Gottes“ dem Teufel recht gab.
Der Gedankengang bei Hosius ist nun folgender:
Der Kardinal will sagen, dass Luther, wie er sich bei Lebzeiten dem Teufel ergeben, dies auch „ad extremum“ (bis zum Äußersten), im Momente des Absterbens getan habe. Aber – und das muss zwischen den Zeilen gelesen werden, – es könne dahingestellt bleiben, ob Luther vor Schreck und Aufregung gestorben, oder ob der Teufel (mit Zulassung Gottes), nachdem das Maß der Übeltaten des „Reformators“ voll war, ihn erwürgt, oder ob Luther (wie Montanus*) als Werkzeug des Teufels sich selbst entleibt hat (Selbstmord).
*Arnoldus Montanus, eigentlich Arnold van den Berghe,Theologe und Historiker, rebellierte als „Prophet“ gegen die „Scheinheiligkeit“ und „nur vorgespielte Christlichkeit“ der Kirche.

Diese letzte Annahme scheint nach der Kapitels-Aufschrift „Lutherum malo spiritu actum pleraque perfecisse“ (das lutherische Werk wurde größtenteils von einem bösen Geist-Dämon ausgeführt“) dem Autor am nächsten gelegen zu haben.

Unter Bezugnahme auf den vorstehenden Passus bei Hosius glaubt Gabriel Prateolus Marcossius (Dr. theol.) in seiner 1583 zu Köln erschienenen Schrift:
De vitis etc. omnium haereticorum“, „Über den Lebenswandel aller Ketzer“ konstatieren (feststellen) zu sollen, „Lutherum non tam mortuum quam suffocatum esse“, „Luther ist nicht so sehr gestorben, als er erwürgt wurde“. (S. 294) 1)
1S. 294: Der Autor hebt dabei besonders hervor, dass der Mitteilung des Hosius mehr Glauben zu schenken sei, als der Darstellung der „Augenzeugen“ Justus Jonas, Aurifaber und Coelius (Cölius Michael), welche alle zugleich die Gefährten Martin Luthers waren.

Gleichfalls bezugnehmend auf Hosius, aber anscheinend auf eigene speziellere Nachrichten gestützt, sprach sich Claudius de Sainctes (Bischof von Evreux und Theologe des französischen Königs auf dem Konzil von Trient) in seinem Werke „De rebus Eucharistiae“ (Parisiis 1575), „Traktat über die Eucharistie" (Sachverhalte und Wesen der Dinge über die Eucharistie, Paris 1575) über Luthers Tod aus.
Dieser Autor sagt (S. 26 b):

„Diabolus seipsum quoque exeruit in furiis atque agitationibus animi, quibus diu noctuque inquieti et tamquam abrepti torquentur adversarii ipsi, necnon in mortibus violentis ac repentinis, quibus plerosque ex illis sustulit, ut Cinglium Lutherum, Carolstadium, Empserum, Oecolampadium, atque alios. Per spectra etiam et visa, qualis esset, talis spiritus aliquando internosci voluit: Atque hoc Dei iussu ac nutu contigit, ne diu liceret Angelo Satanae se ementiri pro Dei spiritu. Lutherus libro de Missa angulari, inducit diabolum secum colloquentem de Missae sacrificio et valentiora proferentem argumenta, quam ipsi satisfacere potuerit. Eius vocem inibi describit tam gravem et robustam, tamque terribiliter insonantem, ut usu quandoque eveniat, quod post collationem nocturnam cum daemone, homines postridie mane mortui reperiantur, quia spiritus ipsi a Satana praecludantur: Atque ita se credere extinctos Empserum et Oecolampadium.
Addamus et nos credere ita quoque extinctum Lutherum: Qui cum vespere egregie potus lecto decubuisset, mane nigricans inventus est occubuisse, lingua exerta, hominis strangulati instar.“
 

„Der Teufel selbst offenbart sich ebenso auch in Wutanfällen und aufgeregten Bewegungen der Seele, in welchen sie bei Tag und bei Nacht unablässig sowie ebenso als Hinweggeraffte gequält werden – gegen sich selbst gerichtet, und gewiss auch mit gewaltsamen wie plötzlichen Todesarten, mit denen er die meisten unter jenen hinweg genommen hat wie den Cinglius (Ulrich Zwingli), den Luther, den Carolstadium*, den Empserus* (Hieronymus Emser) und Oecolampadius* sowie andere. Im Verlauf der Vorstellungen und auch des Gesehenen, verlangte er manchmal - so beschaffen wie ein Geist - voneinander unterschieden zu werden: Und das hat er auf Befehl und Verlangen Gottes erreicht, damit es dem Engel Satan bei Tag nicht gestattet ist, sich fälschlich für den Geist Gottes auszugeben. Luther sagt im Buch „Über die Winkel-Messe“ einleitend, dass sich der Teufel mit ihm über die heilige Messe besprochen hat und stärkere Argumente vorbrachte, als er sich ihm selbst hätte zur Genüge darlegen können. Gerade da beschreibt er die Stimme dessen als schwer und stark sei, sowie sie furchtbar schrecklich dröhnt, sodass es manchmal vorkommt, dass die Menschen nach einer nächtlichen Verbindung mit dem Teufel (Dämon) am nächsten Morgen tot aufgefunden werden, weil die Geister selbst von Satan ausgeschlossen würden: Und zwar so, dass Empserus und Oecolampadius für ausgelöscht zu halten sind.
Wir müssen hinzufügen, dass nach unserem Glauben genauso auch Luther in der Weise ausgelöscht wurde:
Dieser hätte sich zur Abendzeit reichlich abgefüllt ins Bett gelegt, am Morgen ist er - davor hingestreckt - schwärzlich gefunden worden, mit herausgestreckter Zunge, ganz nach der Art eines strangulierten Menschen.

* Carolstadius  (Andreas Rudolf Bodenstein von Karlstadt) beschuldigte Luther quasi (gleichsam) des Atheismus:
. . . das er nlt glaubt habe / dass weder inn Himmelen noch auff Erden ein Gott seye
. . . dass er nicht daran geglaubt hat, nämlich dass weder im Himmel noch auf der Erde ein Gott sei.

* Empserus: Emser Hieronymus war ein Gegenspieler Luthers, indem er Luther Irrtümer und Lügen bei seiner Bibelübersetzung vorwarf, etwa in der Leipziger Streitschrift.
* Oecolampadius: Johannes Oekolampad war Humanist und ebenfalls Reformator (Basel).

     

Hiernach war also Luther am Morgen des 18. Februar „mit schwärzlichem Gesicht, mit herausgestreckter Zunge, so wie ein strangulierter Mensch aufgefunden worden“.
Diese Angaben lauten so bestimmt, dass sie auf zuverlässige Informationen schließen lassen. Sie stimmen mit der später bekannt gewordenen Aussage von Luthers Famulus (Diener), vergleiche das zweitfolgende Kapitel) genau überein.
(Man kann noch heutigen Tages an den einzelnen Totenmasken Luthers die hier geschilderten Symptome bemerken
1).

1 Auch berichtet der oben erwähnte „Civis Mansfeldensis“, ein Mansfelder Bürger, dass man zur Leiche Luthers einen Maler (Furtenagel) aus Halle schnell habe kommen lassen, der zweimal des Toten Antlitz abgemalt habe, weil das erste Mal die Zeichnung misslungen sei. Es scheint, dass die erste Malerei zu naturgetreu gewesen war. – Als das zweite Abmalen längere Zeit in Anspruch nahm, glaubten einige der vor dem Sterbehause sich Aufhaltenden, dass der „so heilige Mann“ inzwischen von den Toten wieder auferstanden sei (siehe: Cochläus I. c. 303 b.).

Zwischen den Zeilen kann man dabei dasselbe lesen, wie bei Hosius.
Dass Luther „a Daemone suffocatum esse“, von einem Dämon erwürgt wurde, war eine unter den Katholiken des 16. Jhdts. sehr verbreitete Ansicht 2.

2 Theatrum vitae humanae“, Colonia 1631, pagina 240.
Schauplatz (öffentliche Bühne) des menschlichen Lebens“, Neuauflage Köln 1631, S. 240.
Dieses Buch ist eine Art Universal-Enzyklopädie in Latein, die nach aristotelisch-ramistischer Methode systematisch strukturiert ist. Das Werk wurde erstmals 1565 in Basel von Theodor Zwinger dem Älteren publiziert. Zedelmeier, S. 113: Theodor Zwingers „Theatrum vitae humanae“ ist die vielleicht umfangreichste Wissenssammlung, die ein einzelner Mensch je in der frühen Neuzeit erstellte.


Vorbereitet wurde dieselbe durch die außerordentlich häufige Bezugnahme des „Gottesmannes“ auf den Teufel; sodann lag die Ursache davon in einem speziellen Vorgange, der sich kurz vor Luthers Tode zutrug und dessen Bekanntwerden wir in vorderster Linie wieder dem redseligen Coelius verdanken.

Coelius erzählt nämlich in seiner Leichenrede, dass Luther ihm wenige Tage vor seinem Tode „mit Thränen geklaget“ (unter Tränen), er habe, während er zum Fenster hinaus gen Himmel schauend habe beten wollen, „den Teufel auf dem Röhrkasten (Brunnen-Kasten) sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren sehen“, das habe ihn so betrübt, dass er, wie gesagt, bei der Erinnerung daran Tränen vergossen.
Der Medicus Ratzeberger, der Leibarzt des sächsischen Kurfürsten, erzählte später in der von ihm verfassten Luther-Biographie
1 diesen Vorgang noch etwas ausführlicher.

1 herausgegeben von C. G. Neudecker, Jena 1850

Er berichtet:
„Man saget, da Doctor Lutherus zu Eisleben seiner Gewohnheit nach abendt (abends), ehe er sich niederlegt, sein Gebet zu Gott in aufgethanem (geöffneten) Fenster gesprochen und vorrichtet (verrichtet), habe er den Sathanam (Satan) uff (auf) dem Rohrbrunnen (Brunnen-Behälter), welcher zur seiner Herberge gestanden, gesehen, Der Ihm die „posteriora“ (zukünftige Ereignisse) gezeiget und sein (ihm gegenüber) gespottet (hat), Als das (nämlich dass) er nichts ausrichten wurde (würde), Solches soll Herr Lutherus D. Jonae und Herrn Michaeli Caelio (dem Doktor Jonas und dem Michael Coelius) erzelet (erzählt) haben, Dan (denn) es half bei den vorwirreten (verwirrten) Grafen uff (auf) beeden (beiden) Teilen kein vormanen (Mahnen) noch Flehen, wie sie dan (denn) noch heutiges Tages nicht eins (einig) sind und daruber (darüber) von Tage zu Tage abnehmen und vorderben (verderben), In Massen Ihnen Doctor Luther zuvorgeweissaget (zuvor geweissagt) hatte, wie aus seinen Warnungen und Schriften zu ersehen.“

„Es sagen auch ehrliche stadtliche und glaubwirdige (glaubwürdige) Leute, als Doctor Luther gesehen, Das (dass) alle seine muhe (Mühe) und Arbeit vergebens und ohne Frucht gewesen, soll er noch zuletzt und zum Valete (Lebewohl) für sein geliebdtes (geliebtes) Vaterland gebeten haben, Weil doch der Teuffel (Teufel) nach seinem Tode allerlei Jamer (Jammer) erregen werde, das (dass) doch der Allmechtige (allmächtige) Gott sein vaterlandt (Vaterland) bei seinem heiligen Warhaftigen (wahrhaftigen) Worte bestendig (beständig) wolte (wollte) erhalten, und dasselbige darinnen (darin) rein und unvorfelscht (unverfälscht) biß (bis) zu seiner göttlichen Zukunft bewaren (bewahren).“

Über die letzten Lebensstunden Luthers berichtet Ratzeberger nur mit wenigen Zeilen; auch er verweist auf die „weitleuftige Historia“1 (weitläufige Historie*).

1 Die Mittheilungen (Mitteilungen), welche Ratzeberger selbst über Luthers letzte Stunden gibt, lauten: „Den abendt (Abend) zuvor vor seinem Ende zu Eitzleben (Eisleben) war er mit Doctore Jona (Doktor Jonas) und Michaele Caelio (Michael Coelius) seinen hausgenossen (Hausgenossen) heimlich guter Dinge, und da er sich nach gehaltenem Abendmahl hatte wollen zu ruhe (Ruhe) legen, hatt (hatte) er folgenden Vers mit kreiden (Kreide) an die wandt (Wand) geschrieben:
Pestis eram vivus, moriens ero mors tua, papa.
Papst, da ich lebte, da war ich deine Pestilenz, wenn ich sterbe, werde ich dein Tod sein.
Darauf ist er seiner Gelegenheit nach (wie gewohnt) ans Fenster gegangen und hat seine Gebete mit bloßem Haupte kegen (gegen) himel (Himmel) zu unserem Hern Gott gesprochen, Darnach sich niedergelegt und zu morgens fruhe (früh) zwischen drey (drei) und vier uhren (Uhr) sanfteglich (sanft) In Gott dem hern (Herrn) entschlaffen, wie solches ferner in der gedruckten Historia seines Abschiedes von dieser welt (Welt) weitleuftig (weitläufig) zu lesen ist.“ – Diese (auch von Janssen – in den ersten Auflagen der deutschen Geschichte – wiedergegebene) Darstellung Ratzebergers, wonach Luther am Abend vor seinem Ende die Worte geschrieben:
„Pestis eram vivus“ (die Pest war ich als Lebender) etc. ist indetz (indes) unrichtig.
Nach den von Aurifaber (Diener) herausgegebenen „Tischreden“ (Eisleben 1569 fol. S. 317 b) hat Luther diese Worte bei einer früheren Gelegenheit „von sich selbst gemacht.“


Also auch für ihn war der verabredete Bericht des Jonas, Coelius und Aurifaber (die drei Gefährten Luthers) bereits eine Geschichtsquelle.
Wir sind ihm aber dankbar dafür, dass er die Teufelserscheinung, welche Luther kurz vor seinem Tode gehabt, uns ausführlicher als Coelius beschreibt.
Auch über diese Erscheinung kursierten im Publikum verschiedenartige Gerüchte und es konnte nicht Wunder nehmen, wenn diejenigen, welche es nicht mit Luthers Lehre hielten, meistens der Überzeugung Ausdruck gaben, dass der Teufel ihn „geholt“ habe. Manche mögen wohl angedeutet haben, dass dies geschehen sei, während Luther sich im Zustande des Deliriums* befunden habe.

* Verwirrtheitszustand, hirnorganisches Syndrom, eine mögliche Ursache wäre u.a. Alkoholabhängigkeit

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Stand der Sache von 1546 bis 1592.

Im Vorstehenden sind nur solche Gerüchte verzeichnet worden, von denen die zeitgenössischen katholischen Schriftsteller in ihren Werken Notiz genommen hatten. Nach der Redeweise des Coelius zu schließen, dürften aber „noch mancherlei mehr und schlimmere“ Versionen, namentlich solche von mehr konkreter Art in Umgang (Umlauf) gewesen sein. Diese wurden indes mangels stichhaltiger Beweise von den – sehr rücksichtsvollen – katholischen Autoren nicht verzeichnet.
In der Hauptsache blieb darum die Welt noch immer im Ungewissen.
Auf der einen Seite hatte man zwar die von „Augenzeugen“ verfasste „Historia“ (Historie); aber diese fand selbst bei den Anhängern Luthers nicht allgemeinen Glauben, geschweige denn bei den Gegnern; auf der anderen Seite wurden vielerlei der „Historia“(Historie) entgegengesetzte Gerüchte geglaubt, aber diese waren wiederum durch keinen Augenzeugen verbürgt.
Die Angaben des „Civis Mansfeldensis“ („des Bürgers von Mansfeld“) bei Cochläus enthielten nichts in Bezug auf das punctum saliens (den springenden Punkt); die hierauf bezüglichen Mitteilungen von Stanislaus Hosius, Robert Bellarmin und Claudius de Sainctes klangen aber noch zu mystisch und waren deshalb verschiedener Deutungen fähig.

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Die erste authentische Nachricht über Luthers Lebensende (1592)

So blieb der Tod Luthers ein Geheimnis, zu welchem nur einige wenige, welche an seinem Todesbett gestanden, den Schlüssel hatten.
In diesem Stadium verblieb auch die Angelegenheit über vierzig Jahre hindurch, bis endlich im Jahre 1592 ein namhafter katholischer Kontroversist (lat: contra: entgegen; versus: gerichtet, Wortführer einer länger anhaltenden theologischen Debatte, Kontrovers-Theologie vor und nach der Reformation) und Historiker, der gelehrte Oratorianer Thomas Bozius (Bosius, Oratorianer-Orden, abgeleitet von lat. Oratorium: Gebetshaus, Ordensgründer ist der Heilige Philipp Neri) auftrat, der einen Bericht von einem Augenzeugen, und zwar von Luthers eigenem Diener, veröffentlichte.
Dieser Diener befand sich noch im jugendlichen Alter, als sein Herr verstarb.
Nach dem Tod desselben kehrte er in die katholische Kirche zurück und trat hierauf entweder in persönliche Beziehungen zu Bozius (oder Bozio) oder zu dessen Freundeskreis, gerade als derselbe sein berühmtes, von den Theologen des folgenden Jahrhunderts häufig zitiertes Werk „De signis ecclesiae“, 
„Über die Zeichen der Kirche“, (Rom und Köln 1592 und 1593) schrieb.1

1Der Kölner Druck erschien mit kaiserlichem Privileg. – Über den Autor sind die katholischen Enzyklopädien voll des Lobes. Aber auch das sehr katholikenfeindliche „Universal-Lexikon aller Wissenschaften uns Künste“, gedruckt bei Zedler (Halle und Leipzig 1733) schreibt über ihn: „Ob er gleich in vielen Wissenschaften, sonderlich in der Theologie erfahren war, legte er sich doch am meisten auf die Historia.“

 

Aufgrund seiner Aussagen berichtet nun Bozius in dem Kapitel, welches über das traurige Ende aller Häresiearchen (Anführer von Ketzern) handelt (l. c. lib. XXIII, cap. 3):

„Lutherus, quum vespere laute coenasset ac laetus somno se dedisset, ea nocte suffocatus interiit.
Audivi haud ita pridem compertum testimonio sui familiaris, qui tum puer illi serviebat et superioribus annis ad nostros se recepit, Lutherum sibimetipsi laqueo iniecto necem miserimam attulisse; sed datum protinus cunctis domesticis rei consciis iusiurandum, ne factum divulgarent, ob honorem adiecere Evangelii.“

 

„Als er am Abend vornehm gespeist hätte und sich fröhlich dem Schlaf überlassen hätte, ist Luther in dieser Nacht erwürgt zugrunde gegangen.
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit durch die zuverlässige Zeugenaussage seines Hausdieners gehört, welcher jenem damals als junger Mann diente und sich in den späteren Jahren zu den Unsrigen zurückgezogen hat, dass Luther sich durch einen sich selbst angelegten Strick einen unglücklichen gewaltsamen Tod beigebracht haben soll; indessen wurde aber von allen in die Sache eingeweihten Hausbewohnern sofort ein eidliches Versprechen gegeben, dass sie die Tat keinesfalls allen preis geben sollten, zur Ehre des Evangeliums, haben sie hinzugefügt.“

Diese Mitteilung, aus äußeren Gründen authentisch, aus inneren nicht unwahrscheinlich, fand bei den katholischen Schriftstellern sogleich allgemeinen Glauben.

Zunächst übernahm sie Cornelius a Lapide (Cornelissen van den Steen, Cornelis van Stein, Jesuit und Professor für Exegese, d.h. Textauslegung, seine Schriften zur Bibelauslegung waren im 17. bis 19. Jahrhundert sehr verbreitet, S. J., Societas Jesu, d.h. Gesellschaft Jesu), der in seinem (gegen 1660 verfassten) Kommentar zu 2 Petri 2, 12 („pseudoprophetae in corruptione sua peribunt“, „die falschen Propheten werden in ihrer eigenen Verderbtheit zugrunde gehen“) bemerkte:

„Sane Lutherum, quum vespere laute coenasset, noctu desperatione et furiis daemonis actum, sibi iniecto laqueo necem intulisse, asseruit eius famulus postea ad orthodoxam fidem conversus, uti refert Thomas Bozius „de signis ecclesiae“, tom. 2. lib. 23. c. 3.“   Führwahr hat Luther, als er am Abend vortrefflich gespeist hätte, in der Nacht von Verzweiflung und Wutanfällen eines bösen Geistes (Dämon) getrieben, sich mit einem selbst angelegten Strick einen gewaltsamen Tod zugefügt, er hat hinzugefügt, dass dessen Hausdiener sich später zum rechten Glauben (orthodox = rechtgläubig, röm.-katholisch) bekehrte, wie Thomas Bosius in „Über die Zeichen der Kirche“ berichtet, Tom. 2. lib. (Buch-Nr.) 23. c. 3.“

Der gefeierte Exeget (Fachmann für Text-Auslegung und Interpretation) fügt noch eine Erklärung zu dem hinzu, was Bozius berichtete: dass nämlich Luther seine letzte Tat „desperatione et furiis daemonis actus“ („aus Verzweiflung und von der Wutraserei eines Dämons getrieben“) begangen habe1.

1 In dem einige Jahre vorher geschriebenen Kommentar zu den vier großen Propheten sagte Cornelius a Lapide noch aufgrund der zirkulierenden Gerüchte:
 „Lutherus dormiens cum sua pellice noctu est suffocatus.“ (Comm. in Ezech. XIII, 9.)
„Luther wurde in der Nacht beim Beischlaf mit seiner Nebenfrau (Konkubine) erwürgt.“(Comm. in Ezech. XIII, 9.) –
Dieselbe Version gibt noch ein 1650 zu Augsburg erschienenes Buch:
„Optica Praelatorum per Carolum Stengelium Ord. S. Benedicti.“ pagina 138.
„Die Sichtweisen der Prälaten durch Karl Stengel vom Orden des Heiligen Benedikt, Seite 138. Köln 1684. Prälat ist ein Würdenträger in der christlichen Kirche und Inhaber ordentlicher Leitungsbefugnisse. – Übrigens bekennt sich Cornelius a Lapide in dem zuletzt von ihm geschriebenen Kommentar zur Apokalypse noch einmal zu der Ansicht des Bozius.

Gleichzeitig übernahm die Mitteilung des Bozius der Martin Becanus, S. J., welcher zu der Zeit, als Bozius seine Schrift in Köln drucken ließ, daselbst Professor der Philosophie war.2

2  Über Cornelius a Lapide dürften nähere Erläuterungen nicht erforderlich sein. Über den heute minder bekannten Martin Becanus (auch Verbeeck, van der Beeck, ursprünglich Schellekens) sagt das bereits zitierte Universal-Lexikon von 1783: „Becanus, Martin, ein Jesuite aus Hilvarenbeck (heute Hilvarenbeek), einem Städtchen in N-Brabant, schiene recht zu denen (zu den) Studiis (Studien) geboren zu sein, und vornehmlich zu der Philosophie und Theologie, davon er jene 4 Jahre, diese aber 22 Jahre zu Mainz, Würzburg und Wien gelehret, woselbst er auch Ferdinandi II. (des Kaiser Ferdinand II.) Beichtvater ward und den 24. Jan. anno 1624 im 63. Jahre seines Alters starb.“ --- Die Stelle, welche Becanus aus (von) Bozius übernommen hatte, findet sich in einer gegen die Calvinisten gerichteten Schrift des Verfassers. (Gesamt-Ausgabe, Moguntiae = Mainz 1631, Tom. II. pagina 460.)


 

Demnächst wurde auch der Wortlaut der Erklärung bekannt, welche der Diener Luthers abgegeben hatte.
Dieselbe war schriftlich aufgezeichnet und in mehrfachen Abschriften verteilt worden.

Zuerst veröffentlichte sie im Druck der tatkräftige und vielgereiste Heinrich Sedulius (eigentlich Hendrik de Vroom), Ord. Min., (Minoriten-Orden der minderen Brüder, Franziskaner, nach seiner Flucht erster Provinzialminister der Tiroler Franziskanerprovinz), der von ihr zu Freiburg Breisgau Einsicht genommen hatte, in seinem Werke: „Praescriptiones adversus heareses“, Antverpiae 1606 1
„Vorschriften gegen Ketzer“, Antwerpen 1606 1

1 Über diesen Autor bemerkt das protestantische Universal-Lexikon von 1733: „Sedulius, Heinrich, ein Franziskanermönch, war zu Cleve (Kleve), der Hauptstadt im Herzogtum gleichen Namens, um das Jahr 1550 geboren. Nachdem er unter George Macropedius (auch: Joris van Lanckvelt) den nötigen Grund seiner Studien in schönen Wissenschaften geleget, trat er in dem neunzehnten Jahre seines Alters in den Orden und erlangte nach der Hand darinnen viele Ehrenstellen, wie er denn an vielen Orten Guardian (Beschützer, Aufsichtsperson = Superior der Frankiskaner), desgleichen Kommissarius (kirchlicher Beauftragter und Bevollmächtigter) in unterschiedlichen Provinzen, wie auch zweimal Provinzial in denen (in den) Niederlanden und endlich Definintor Generalis (bestimmender oberster Rat der höheren Klosteroberen) geworden. Ferdinand von Österreich, Herzog von Bayern, trug ihm einige Geschäfte in Rom bei dem Papst Paul V. auf. Im Jahre 1618 wohnte er noch dem General-Kapitel (das lat. „capitulum abbatum“ ist eine Versammlung der Äbte aller Zisterzen und die höchste Autorität der „Gesellschaft des Göttlichen Wortes") zu Salamanca (Hauptstadt von Kastilien) bei, starb aber nicht gar lange hernach, nämlich den 5. März, oder wie andere wahrscheinlicher berichten, den 26. Februar 1621.“ – (Es folgt nunmehr das ausführliche Verzeichnis aller von Sedulius verfassten Schriften, worunter sich auch die oben erwähnten „Praescriptiones adversus heareses“ = „Verordnungen gegen Ketzer“ befinden.)

Der Diener, welcher, wie erwähnt, später zur katholischen Kirche zurückgekehrt war, bemerkt darin im Eingange, dass ihm allerdings einst geboten worden sei, über den traurigen Vorgang zu schweigen, dass er aber Gott und der Stimme seines Gewissens mehr gehorchen müsse, als den Menschen. Er beschreibt dann auf sehr drastische Weise, wie er als der Erste seinen Herrn am Morgen des 18. Februar 1546 „iuxta lectum suum pensilem et misere strangulatum“, „neben seinem Bettlager erhängt und kläglich erdrosselt“ gefunden habe.
(Unten im Anhang ist diese Erklärung nebst der dazu gegebenen Einleitung des Sedulius in extenso (ausführlich) mitgeteilt1.
 

1 Der Wortlaut der Erklärung mag schon hier seine Stelle finden. Die quasi zu Protokoll gegebene Aussage des Dieners lautete, wie folgt:

„Dant quidem calcar ad abrumpendum omnem humanae indignationis seu offensae metum et ad debitum veritati perhibendum testimonium addunt religiosae vestrae preces: sed longe vehementius eodem me impellit summi Numinis Divorumque omnium reverentia. Neque enim ignoro mirabilibus Dei operibus suam ubique tribuendam esse gloriam, meque divino magis praecepto quam humano debere parere mandato. Proinde, licet gravissime interminati sunt Germaniae Heroes, ne mortalium cuiquam horrendum domini mei Martini Lutheri exitum eliminarem: non celabo tamen, sed ad Christi gloriam revelabo et ad totius Reipub. Catholicae aedificationem propalabo, quod ipse vidi et in primis comperi, ipsisque Principibus viris Islebii congregatis enunciavi, nullius odio lacessitus, nullius amore aut favore provocatus. Contigit cum Martinus Lutherus aliquando inter illustriores Germaniae Heroes Islebii genio suo largius indulsisset et plane obrutus potu cubitum a nobis ductus, atque in lectulum foret compositus, ut nos ei salutarem quietem precati in nostrum abiremus conclave, ibique nihil sinistre vel ominantes vel suspicantes, placide obdormiremus. Postridie vero ad dominum reversi, quacum solemus in vestitu operam daturi, vidimus – proh dolor ! – eundem dominum nostrum Martinum iuxta lectum suum pensilem et misere strangulatum. Ad quod sane horribile spectaculum suspendii ingenti perculsi pavore, non diu tamen haesitantes, ad hesternos eius compotores et Principes viros prorupimus eisque execrabilem Lutheri exitum indicavimus. Illi porro non leviori quam nos formidine perterriti omnia polliceri, multaque obtestari coeperunt: primum omnium, ut rem constanti ac fideli premeremus silentio, ne quid in lucem proferretur; tum ut expeditum laqueo foedum Lutheri cadaver in lectum collocaremus, denique in hominum vulgus spargeremus, dominum meum Martinum repentina morte ex hac vita discessisse: id quod et precibus illorum Principum et non secus, quam adhibiti Dominico monumento vigiles, amplis corrupti promissis facturi eramus, nisi vis quaedam insuperabilis veritatis aliud persuasisset: quae vel hominum metu seu reverentia vel lucri spe aliquamdiu quidem premi potest, sed exstimulante religionis, vel conscientiae oestro, in perpetuum opprimi non potest.“

 

 „Sie geben zwar einen Ansporn / Anreiz, um die ganze Angst vor der menschlichen Empörung oder der Kränkung zu verscheuchen und um aus moralischer Verpflichtung der Wahrheit Zeugnis zu geben, fügen sie die Gebete ihrer Religiosität hinzu: Indessen aber drängt mich eben deswegen die Ehrfurcht vor der höchsten Gottheit und vor allen Himmelsbewohnern zusammen bei weitem umso stärker voran. Denn ich weiß recht wohl um die wunderbaren Werke Gottes und überall ist ihm Ehre zu erweisen, und was mich betrifft, dem göttlichen Gebot ist mehr als einem menschlichen Befehl zu gehorchen.
So denn, mag es auch sein, dass die germanischen Helden noch so sehr verpönt sind, damit ich nach dem schrecklichen (entsetzlichen) Lebensende meines Herrn Martin Luther niemanden unter den Sterblichen verstoße:
Ich werde dennoch nicht schweigen, sondern zum Ruhme Christi und der katholischen Gemeinschaft insgesamt werde ich aufklären und den Bauplan (des Hauses) skizzieren, was ich selbst gesehen und zuerst entdeckt habe und den versammelten Fürsten von Eisleben persönlich verkündet habe, dabei keinerlei Hass herausgefordert habe, das ohne Zuneigung oder Beifall geerntet zu haben.
Es traf sich sodann zu, dass Martin Luther manchmal unter den berühmteren Helden Deutschlands zu Eisleben seinem Genius reichlicher (in größerem Umfang) gefrönt hätte und im Liegen gänzlich überwältigt vom Trank war, der von uns herangeschafft wurde, und so wäre er zu Bett gegangen, als wir ihm heilsame Ruhe wünschten, gingen wir in das Gemach von uns, und indem wir dort sowohl nichts Unheilvolles anwünschten als auch vermuteten, schliefen wir allmählich ein.
Am darauf folgenden Tag aber - zum Herrn zurückgekehrt, bei dem wir ihm wie gewöhnlich auf alle Weise ins Gewand halfen
(um ihm, wie gewohnt, beim Ankleiden zu helfen) - haben wir jedoch – ach Schmerz, welch ein Jammer – denselben unseren Herrn Martin neben seinem Bettlager erhängt und kläglich erdrosselt gesehen. Darauf hat uns das wahrlich ganz schreckliche Schauspiel des Erhängens mit unermesslich großem Angstzittern erschüttert; indem wir dennoch nicht lange zögerten, sind wir zu den gestrigen Trinkgenossen von ihm und zu den Fürsten losgestürmt und haben ihnen den verabscheuungswürdigen Ausgang Luthers gemeldet.
Ferner haben jene begonnen – durch das Schreckensbild nicht weniger erschrocken als wir - alles zu versprechen und vielerlei inständig zu bitten:
Das Erste von allem, dass wir die Angelegenheit im beständigen und außerdem treuen Stillschweigen bedeckt halten sollten, damit es nicht ans Licht gebracht werde; wie wir dann den vom Strick befreiten, scheußlichen Leichnam Luthers ins Bett legten, sollten wir dann schließlich unter die Masse der Menschen gerüchteweise verbreiten, dass unser Herr Martin durch einen plötzlichen Tod aus diesem Leben geschieden sei:
Das was wir nicht nur durch Bitten jener Fürsten, sondern ebenso - sowie die Wächter am Sonntag beim Grabmal hinzugezogen wurden - durch große Versprechungen der Bestechung machen sollten, außer: es sei denn die Kraft (höhere Gewalt) einer gewissen unübersteigbaren Wahrheit hätte als etwas anderes überzeugt:
Was sowohl aus Furcht vor Menschen oder aus Ehrfurcht / Scheu, als auch durch Hoffnung auf Gewinn gewiss eine Zeitlang zu unterdrücken möglich ist, aber durch Anstacheln des Glaubens oder sogar auch durch die Pferdebremse des Gewissens, auf Dauer unmöglich zu erzwingen ist.“

Theodor Petrejus, Ord. Carth. (Kartäuser-Orden, Ordo Cartusiensis), nahm die Hauptstelle der Erklärung in seinen 1629 zu Köln erschienenen „Catalogus haereticorum“, „Verzeichnis von Ketzern“ auf und fügte seinerseits hinzu (pagina 120): „quod et ego in iusto quodam bibliothecae nostrae Coloniensis scripto consignatum vidi“.
(Seite 120): „insofern als dass ich das in einer gewissen Vollständigkeit in unserer Bibliothek zu Köln in einem Schriftstück urkundlich beglaubigt gesehen habe“.
Ich selbst habe in einer schlesischen Bibliothek ein altes Scriptum (Schriftstück) gefunden, wonach Luther die bewusste Prozedur „durch behuff eines handthuchs“ (mithilfe eines Handtuchs) an sich vorgenommen habe.
Die Aussage des Dieners macht es auch verständlich, wie die – nach dem obigen Berichte „cuiusdam civis Mansfeldensis“ (eines gewissen Mansfelder Bürgers) – herbeigerufenen Ärzte samt Apotheker am Sterbelager Luthers erst nach eingetretenem Tode erschienen.
Sie erklärt es ferner, wie die – auch von der „Historia“ (Historie) erwähnten – auffälligen Wiederbelebungsversuche vorgenommen werden konnten.
Endlich bringt die Aufklärung über den noch auffälligeren, von der „Historia“ ebenfalls angeführten Umstand , dass die Leiche vom Sopha („Ruhebett“), wo man sie gefunden, in ein (schnell bereitetes) Federbett übertragen wurde.
Wenn auch alle beteiligten Diener anfänglich in der Hauptsache Schweigen beobachteten, so scheinen sie doch in Andeutungen sich ergangen zu haben; auch scheinen sie bezüglich einzelner Nebenumstände sich gar keine Zurückhaltung auferlegt zu haben, z.B. nicht hinsichtlich der Wiederbelebungs-Versuche und der Übertragung der Leiche ins Bett. Zweck der „Historia“ war es daher, auch diese Nebenumstände auf eine harmlose Weise zu deuten – für diejenigen, die ihr glauben wollten. (Der Wortlaut der Historie befindet sich unten im Anhange.)

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Die Replik der Protestanten auf die katholischerseits veröffentlichten Verhüllungen.

Gespannt musste man nun darauf sein, was man protestantischerseits auf die von katholischen Schriftstellern seit 1592 in die Öffentlichkeit gebrachten Mitteilungen antworten würde.
Die Antwort ließ – wohl in Folge der kriegerischen Verhältnisse – etwas lange auf sich warten.
Sie erschien erst 1635 in Hamburg und führte den Titel:

Lutherus Defensus

(der verteidigte Luther, Luther-Verteidigungsschrift):

Das ist:

Gründliche Widerlegung dessen / was die Päbstler (Papstanhänger) D. (Doktor) Lutheri Person fürwerffen (vorwerfen) / von seinen Eltern / Geburt / Beruff (Beruf) / Ordination (lat. ordinatio: „Bestellung, Weihe“) / Doctorat / Ehestandt / Unzucht / Meineyd / Gotteslästerung / Ketzerey / Hoffart (Stolz) / Sauffen / Unfläterey (Unflätigkeit) / Unbeständigkeit / Auffruhr (Aufruhr) / Lügen / Gemeinschaft mit dem Teuffel / Verfälschung der Schrift / Tod und Begräbniß.
Durch Johannem Müllern
(Johannes Möller, auch Johann Müller, 1634, Autor und Herausgeber neben der namensgleichen Ausgabe von Melchior Zeidler von 1689) / der H. Schrift D. / Pastorem (lat.: pastor = Hirte) der Hauptkirchen S. Petri in Hamburg.
Dieses Buch fand alsbald eine große Verbreitung; es erlebte binnen Kurzem vier Auflagen
(Hertel, Hamburg 1658, 6. Auflage: Frankfurt am Main, Härtel-Verlag: 1706).
Für uns ist hier von alleinigem Interesse, was der Verfasser über Luthers Tod sagt.
Es handelt davon im letzten Kapitel und schreibt wörtlich wie folgt:
„Gleich wie die Päbstler Lutheri Leben allerley schändliche Dinge angetichtet (angedichtet) / also schreiben diese grewliche (gräuliche) Lügener (Lügner) auch von seinem Tode / dass er ein gar böses Ende genommen habe.
Etzliche (etliche) geben für / dass Lutherus des Abends wol (wohl) gezechnet (gezecht) zu Bette gangen (gegangen) / und des Nachts erstickt sey. (Bozius de sign. Eccl., lib. 23 c. 3. Grets. Tom. I. Def. Bellarm. Col. 855.)
Item (lat.: ebenso) dass er ein Strick genommen / und sich selbst elendiglich erhencket (erhängt) habe / wie wol (wiewohl) also bald sey (sei) geboten worden allen denen / die im Hause gewohnet / dass sie dem Evangelio zu Ehren (zu Ehren des Evangeliums) solches verschweigen solten (sollten). (Bozius lib. 23 c. 3. Claudius de Sainctes Repet. I de Euchar. cap. 10.)
Andere geben für (vor) / dass Lutherum (den Luther) ein großer Hund erschreckt habe / und die Teuffel bey (bei) seinem Tode sich haben sehen lassen. (Bredenbach colloq. sacr. lib. 7 cap. 39.)
Andere geben für (vor) / Lutherus habe für (vor) seinem Tode gute Possen (Späße) gerissen (Scherer Conc. 2 in profest. Trium Reg. pag. 94.) und nachdem er mit Lachen und Kurtzweil (Kurzweil) die Zeit zugebracht / sei er eines gehlichen (jähen) Todes gestorben (Eder in inquisit. pag. 186.) sein böse Gewissen habe ihm Angst gemacht für (vor) seinem Tode / dieweil vieler tausend Seelen Verderb von seinen Händen solle gefordert werden. (Cochlaeus de actis Luther. pag. 309., Über die Werke Luthers, S. 309) 1

1  Die von Müller zitierten Quellen sind von uns insgesamt berücksichtigt worden, bis auf Jakob Gretser (lateinischer Philologe = Sprachforscher, Historiker). Bei diesem lautet die in Betracht kommende Stelle (in Controversiarum Roberti Bellarmini Defensio. Ingolstadt 1607. Columna 855, die Verteidigungsschrift der Streitfragen) wörtlich: „Lutherus adeo vorax bibaxque fuit, ut ne ultimo quidem vitae suae die a largo prandio et opipara caena abstinuerit; ut testantur epistolae, quae de morte eius vulgatae sunt.“  „Luther ist bis dahin gefräßig und angetrunken gewesen, dass er sich nicht einmal am letzten Tag seines Lebens von einem reichlichen zweiten Frühstück und einem prächtigen Abendessen enthalten konnte; wie es die Briefe bezeugen, welche über dessen Tod unter die große Menge gebracht wurden.“
Der Jesuitenpater Gretser hat sich also auf die „Historia“ (die „epistolae“, die Briefe) verlassen. --- Beachtung verdient, dass Müller die oben (S. 21 im Originaltext von Paul Majunke, hier in diesem Text auf S. 19, 20) zitierte Stelle des Claudius de Sainctes so auffasst, als habe der Autor sagen wollen, dass nicht der Teufel, sondern Luther propria manu (durch seine eigene Hand) des Teufels Programm ausgeführt.

Antwort: Das ist nichts newes (Neues) / dass man nach Lutheri Tod solche Lügen ertichtet (erdichtet) / dieweil es schon bey (bei) seinem Leben geschehen ist / er selber hat in seinen Schriften auffgezeichnet die Welsche Lügenschrift / welche zu Rom von seinem Tode ausgegangen war / es lautet aber dieselbe also: Martin Luther / als er krank war / begehrt er das heilige Sakrament / des Leibes unseres HErrn JEsu Christi / welches / als er empfangen hätte / ist er alsbald gestorben.
Und in seiner Krankheit / als er sahe / dass sie gar hefftig war / und gänzlich sich zum Tode neiget / hat er geboten / dass sein Leib auff einen Altar solte gesetzet und angebetet werden / als ein Gott. Aber die göttliche Güte und Fürsichtigkeit / als sie hat wollen einen so grossen Irrthumb (Irrtum) ein Ende machen / und ein wenig stillschweigen / hat sie nicht abgeschlagen (verhindert) / solche Wunderzeichen zueröffnen / welche sehr von nöthen (Nöten) waren / auff dass das Volck abstunde (Abstand nehme) von solchem grossen Irrthumb (Irrtum) / Zerstörung und Verderbnis / welche obgenannter Luther in dieser Welt hat angerichtet / darumb (darum) sein Leib alsbald ins Begräbniß (Begräbnis) ist geleget worden / ist alsbald ein erschrecklich Rumor (Lärm) und Getümmel gehöret worden / als fiele Teuffel und Helle (Hölle) in einander / durch welche alle die Irrigen / so gegenwertig (gegenwärtig) waren / kamen in ein grotz (großen) Schrecken / Entsetzen und Furcht / und als sie die Augen gegn Himmel huben (erhoben) / sahen sie klärlich (klar) die allerheiligste Hostia unsers HErrn JEsu Christi / welche ein solch unwürdig Mann / hat dürfen empfahen (empfangen).
Ich sage auch / daß alle die / die dabey sind gewesen / scheinbarlich gesehen haben die allerheiligste Hostia in der Lufft hangen.
Derhalben mit grosser Andacht und Ehrerbietung haben sie die allerheiligste Hostia mit großer Ehr und Andacht zu den Heiligthumen (Heiligtümern) ehrlich gethan (getan).
Da das geschehen ist / hat man denselbigen Tag nicht mehr ein solch Getümmel und ein hellisch rumpeln (einen höllischen Lärm) gehöret. Aber die folgende Nacht an demselbigen Orth / da der Leib Martini Luthers war begraben / hat jedermann gemeinlich gehöret ein grösser Ungestüm / denn (als) das erste (vorhergehende).
Darumb auch das Volck auffgestanden (darum war das Volk auch aufgebracht) / und kam in eine große Furcht und Entsetzung.
Derhalben (deswegen) / als es Tag ward (wurde) / giengen (gingen) sie hin / auffzuthun das Grab / da der Gottlose Leib des Martini Luthers hingeleget war / welches Grab / als es auff ward gethan (es geöffnet wurde) / sahe (sah) man klärlich (deutlich, klar) / daß da weder Leib / oder Fleisch / noch Bein / noch einige Kleider waren / aber es war voll solches geschwebliches (schwefelartigen) Gestanks / daß es alle / die da umbher stunden (umher standen) / kranck (krank machte) machte / dadurch viele ihr Leben haben gebessert zu dem heiligen / Christliche(n) Glauben / zur Ehre / Lob und Preiß JEsu Christi / und (zur) Befestigung (Festigung) und Bekrefftigung (Bekräftigung) seiner heiligen Christlichen Kirchen (Kirche) / die da ist ein Pfeiler der Wahrheit.

Hiervon ist D. Martini Lutheri Gutdüncken dieses:
Ich Martinus Lutherus D. bekenne und zeige mit dieser Schrifft / daß ich solches zornige Getichte (Dichterei) vor meinem Tode empfangen habe am 21. Martij (März) / und fast gern und fröhlich gelesen / außgenommen die Gotteslästerung / da solche Lügen / der hohen Göttlichen Majestät wird zugeschrieben.
Sonst thut mirs sanfft (tut es mir wohl) auff der rechten Kniescheibe / und an der linken Fersen (Fußferse) / daß mir der Teuffel und seine Schupen (Schuppen) / Pabst und Papisten / so hertzlich feind seyn (von Herzen Feinde sind) / GOtt bekehre sie vom Teuffel.
Jsts (ist es) aber beschlossen / daß mein Gebet für die Sünde zum Tod (Todsünde) vergeblich ist / Wolan (wohlan) / so gebe Gott / daß sie ihre Maß voll machen / und nicht anders / denn solche Büchlin (Bücher) zu ihrem Trost und Fremden (Befremden) schreiben.
Laß nunmehr hinfahren / sie fahren recht / sic voluerunt (sie haben es so gewollt), ich will dieweil zusehen / wie sie wollen seelig (selig) werden / oder wie sie büssen / und wiederruffen (widerrufen) mögen alle ihre Lügen und Gotteslästerunge(n) / damit sie die Welt füllen.

Wie es aber eigentlich mit dem Tode Herrn Lutheri beschaffen gewesen / das haben kürzlich zusammen gefasset D. Justus Jonas, M. Michael Coelius und andere / welche als lebendige Zeugen sind darbey (dabei) gewesen / ihre Beschreibung lautet also:
Nun folgt wörtlich die vielgenannte „Historia“ und ein Hinweis auf Thuanus (Jacques-Auguste de Thou, Staatsmann und Historiker).

Was zunächst die angeblich in Rom ein Jahr vor Luthers Tod gedruckte Schrift (die besagte „Lügenschrift“) betrifft, so müsste eine solche Publikation, wenn sie wirklich in Rom erfolgt wäre, doch im Interesse der „Päbstler“ (Papst-Anhänger) gelegen haben.
Nach Lage der Dinge konnte sie aber nur den Katholiken schaden, weil die Entrüstung, welche bei der Lektüre des Libells (lat. Büchlein, Schmähschrift) die deutschen Leser ergreifen musste, die Katholiken als die vermeintlichen Urheber treffen musste.

In der Tat hat sich denn auch niemand mehr die (weitere) Verbreitung der Schrift angelegen sein lassen, als – Luther. Auch manche der darin vorkommenden Wendungen (Redewendungen) im Stil sowie der phantastische Gedankengang lässt vermuten, dass der Geist, der die Schrift diktiert hat, Luthers eigener Geist gewesen war 1.

1 Aus Seckendorf (Ludwig von Seckendorff), Hist. Luth. III. p. 580 - Gotha 1688, 3 Bände.,1692 vollendet, eine Entgegnung auf Louis Maimbourgs Histoire du Luthéranisme - geht hervor, dass schon die katholische Zeitgenossen der Meinung waren, Luther selbst „vel aliquis ex suis“ (oder sogar jemand von den Seinen, aus den eigenen Reihen) sei der Urheber des Libells (lat. Büchlein, Klageschrift, Schmähschrift) gewesen. – Welche zahllosen Intrigen der „Mann Gottes“ durch den Druck verübt hat, davon gibt insbesondere Ulenberg's „Vita Lutheri“, Coloniae 1589 (das Leben Luthers, Köln 1589, Historie von Caspar Ulenberg, Theologe, Bibelübersetzer, Dichter) fast auf jeder dritten Seite einen Beleg.

Unterlassen wir es, uns hierbei auf das Gebiet der Psychologie zu begeben und den Gründen nachzuspüren, die der „Reformator“, der so oft nach dem Grundsatze handelte, dass der Zweck die Mittel heilige, der von Intrigen durch und durch zusammengesetzt war, zu einem solchen Vorgehen bewogen haben mochten; aber der frivole Schimpf, welcher hier der katholischen Literatur angetan wird, kann nicht unwidersprochen bleiben.

Wir haben oben gesehen, wie die katholischen Schriftsteller – deutsche wie römische – zuerst die kursierenden Gerüchte über Luthers Tod und später die traurige Wahrheit darüber mit größter Objektivität und Ruhe erzählen; nicht eine Spur findet sich bei ihnen von dem entsetzlich gemeinen Ton, wie er jeden Leser auf fast jeder Seite bei Luthers Original-Werken anekelt; sie waren gar nicht fähig, das ihnen zugeschriebene, angeblich römische Schand-Libell (schändliche Schmähschrift) zu verfassen; – auch hier fällt nur wieder die Gemeinheit, welche Luther auf die katholische Literatur zu wälzen suchte, auf ihn selbst zurück !

Ja ein von den Protestanten besonders angefeindeter Schriftsteller des 17. Jahrhunderts, der bereits oben erwähnte Floremund Raemund, sucht in seiner „Historia“ etc. Luther wegen seiner letzten Tat noch zu entschuldigen ! – Er registriert die verschiedenen über Luthers Tod zirkulierenden Gerüchte, misst dann dem Bericht des Bozius den meisten Glauben bei und bemerkt schließlich, Luther habe diesen Schritt getan, weil er „extremis oppressus calculi doloribus mortem vehementer optavit“, er hat von äußersten Schmerzen überwältigt aus Berechnung heftig den Tod verlangt.1

1 Der Autor kann übrigens nicht den Bericht des Bozius im Original vor sich gehabt haben, denn er meint, dass nach Bozius Luther durch hinzukommende Personen an der Ausführung seines Vorhabens verhindert worden sei. Hiervon sagt Bozius bekanntlich nichts. Auch gibt Floremund Raemund den Titel der Bozius'schen Schrift nicht richtig an.

Selbst der Jesuitenpater Scherer – es ist ein Glück, dass die Jesuiten in unserer Affäre nicht als Quellen-Schriftsteller fungieren – zitiert in seinem berühmten Predigtwerke (Köln 1683) in einer Stelle über Luthers Tod eine Predigt von Mathesius (Johannes Mathesius, Pfarrer und lutherischer Reformator), der seinerseits wieder auf die „Historie“ sich stützt ! 2

2 Das Zitat oben S. 31 bei Müller. Vergleiche dort auch das Zitat aus dem (vom) Jesuitenpater Gretser.


In späteren Zeiten haben ja Gustav Adolph und Friedrich II. von Preußen ebenfalls das Manöver versucht, dass sie den Katholiken Brandschriften imputierten (zurechneten), die von ihnen selbst ausgegangen, aber mit dem Druckort Rom, Köln versehen waren. Noch während des letzten „Kulturkampfes“ hatte man zu demselben Mittel gegriffen.

Kein Wunder also, dass man schon im „Kulturkampfe des sechzehnten Jahrhunderts“ auf dieses Expediens (Auskunftsmittel) verfallen war ! – Die vestigia (Merkmale) führen dabei zu Luther vel aliquem ex suis (oder sogar jemanden aus den eigenen Reihen), nicht auf die katholischen Schriftsteller.

Doch – kehren wir zu Müller zurück ! – was hatte er in seinem „Lutherus defensus“ (Luthersche Verteidigungschrift) dem Bozius und anderen katholischen Schriftstellern bezüglich deren Berichte über Luthers Tod entgegenzusetzen ?

Zunächst das in Deutschland gedruckte, mit römischem Titel versehene Falsifikat (Fälschung). Sodann eine nochmalige Reproduktion (Wiederauflage) der „Historia“.

Selbst angenommen nun, jenes ein Jahr vor Luthers Tode erschienene Falsifikat wäre echt gewesen – was wäre damit gegen die Erzählung des Bozius, des Sedulius, des Petreius bewiesen ? Und was beweist gar die „Historia“ ?

Sehr charakteristisch ist es auch, dass Müller seinen Lesern nicht zu verraten wagt, dass er Luther „defendire“ gegen eine Aussage, die von des „Reformators“ eigenem Diener stammt.

Und doch musste dieser Umstand s. Z. (seinerzeit) ein ungeheures Aufsehen erregt haben, wie er ja auch in der Tat das Schlimmste besagte, was die „Päbstler Lutheri Person fürwerffen“ konnten !

Auch beachte man, dass Müller mit keiner Silbe des Sedulius erwähnt, obgleich er sich sonst in der katholischen Literatur sehr bewandert zeigt ! – Hingegen beruft er sich mit Genugtuung am Schlusse auf den „Päbstischen Historicus“ (päpstlicher Historiker) Thuanus, der den Tod Luthers nach der „Historia“ erzähle.
Thuanus (de Thou) war ein französischer „liberal“-katholischer Schriftsteller, ein Gallikaner * und ein Beförderer des Edikts von Nantes.

* Gallikanismus (aus Gallien / Frankreich) war die im Spätmittelalter aufgekommene französische Form des Episkopalismus. Es handelte sich um ein kirchenrechtliches System, mit dem die katholische Kirche in Frankreich eine Art Unabhängigkeit vom römischen Stuhl herzustellen suchte. Dazu wurden gewisse Vorrechte, die gallikanischen Freiheiten, aufgestellt. Im Wesentlichen ging es darum, die weltliche Macht des Papstes in nationalpolitischen Fragen zu minimieren und seine Position dem nationalen Konzil der Bischöfe unterzuordnen.
Im evangelischen Bereich bezeichnet Episkopalismus eine staats-kirchen-rechtliche Rechtstheorie, wonach dem jeweiligen Landesherren die bischöfliche Kirchenhoheit übertragen worden sei (Episkopalsystem).


In seinem großen Geschichtswerk (Frankfurt 1625) schreibt er über Luthers Tod nur ein paar Zeilen.
Er folgt dabei, ohne sie zu nennen, der „Historia“.
Andere Quellen kannte er wahrscheinlich gar nicht.

Dabei diente dieses Müller'sche Buch über ein Jahrhundert hindurch als Hauptquelle der lutherischen Apologetik (Verteidigungs-Ansprachen und Rechtfertigung von Glaubenslehrsätzen).

So heißt es z.B. noch in der 1747 erschienenen, vom katholischen Standpunkte geschriebenen Biographie der Katharina von Bora1, Band. II. S. 46:

„Alle katholische Skribenten (Schreiberlinge) werden von den lutherischen Prädikanten (Hilfsprediger in der evangelischen Kirche) an den Müllerum (Müller) gewiesen, welcher Lutherum und seine Räth' (Rat, Versammlung von auserwählten Männern) so fürtrefflich (vortrefflich) solle gereinigt haben.“

1 Katharina von Bora, genannt „Die Lutherin“, war die Ehefrau des deutschen Reformators Martin Luther. Biographie: Der Morgenstern von Wittenberg. Das ist: Vollständiger Lebenslauf Catharinae von Bore, des vermeinten Eheweibs D. Martini Lutheri. Landsperg 1747.

Nach Beendigung des 30-jährigen Krieges ließ der ostpreußische Jesuitenpater Karl von Kreutzen eine Antwort auf das Müller'sche Buch erscheinen.
Dieselbe war 1655 in Braunsberg gedruckt und führte den Titel: „Der unverteidigte Luther, entgegengesetzet (gegenübergestellt) dem verteidigten Luther (des) Johannes Mülleri.“

Ich habe diese Schrift selbst auf den größten Bibliotheken in Preußen-Deutschland nicht erlangen können; nicht einmal in Braunsberg selbst ist sie zu haben. 2

2 Zwei Bibliothekare von österreichischen und russischen Bibliotheken, an die ich mich ebenfalls gewendet, schrieben mir übereinstimmend, das Buch müsse schon vor 200 Jahren von den Protestanten völlig aufgekauft und gänzlich vernichtet sein.


 

Zum Glück hat aber der eifrige „Müllerus“ (Müller) sofort eine Dublik (Dublikat, Zweitschrift,) dagegen erscheinen lassen, von welcher natürlich noch zahlreiche Exemplare vorhanden sind.

Man kann daraus wenigstens einigermaßen ersehen, was P. Carll von Kreutzen (preußischer Jesuit) geschrieben hatte.

Müller gibt seiner Gegenschrift den Titel:

Defensio Lutheri Defensi

(die Verteidigung gegen den verteidigten Luther)

Das ist:

Der wohlverteidigte Luther

entgegengesetzet

dem unverteidigten Luther

des preußischen Jesuiten

Pater Carll von Kreutzen.


 

Darinne (darin sind) die Einwürffe (Einwände) des Jesuiten gründlich beantwortet /

und bestendiglich (letztlich / mit Bestand) wird erwiesen / das Lutherus kein

Teuffels-Sohn / kein Sodomit (Homosexueller) /

kein Nonnenschender (Schänder) / kein Zigeiner (Zigeuner) /

Gotteslästerer / noch Auffrührer / etc. gewesen

und sich nicht erkencket (erhängt) habe / etc.

Hamburg 1659.

Im Vorwort bemerkt der Verfasser, dass von Kreutzen „sich bedüncket (gemeint) habe, Luthern dermaßen schwartz gemacht zu haben, dass Er nun gantz darniederliege (am Boden zerstört sei) / inmassen (in dem Maße, als) er denselben mit schändlichen Lügen und Verleumdungen angetastet / ihn für einen Sodomiter und Nonnenschender (Nonnen-Schänder) außgeschrien (verschrien) / der vom Teufel gezeuget sey / denselben auch zum Lehrmeister gehabt / endlich sich selbst erhencket habe / wie denn die Teuffel in Gestalt der schwartzen Raben ihn zum Grabe begleitet etc.“1

1 Neu dürfte hier den Lesern nur dasjenige sein, was über die Herkunft Luthers gesagt wird. Zahlreiche katholische Schriftsteller des 16. und 17. Jahrhunderts behaupten in dieser Beziehung, dass Luther auf mystische Weise außerhalb der Ehe per medium incubi genitum esse (mittels eines nächtlichen Dämons gezeugt worden ist).

Es sind keine Epitheta ornantia (schmückende Beiwörter), welche der Pater von Kreutzen dem Wittenberger „Heiligen“ beigelegt hatte; insbesondere scheint dem Lebensende desselben ein drastisches Kapitel gewidmet gewesen zu sein. In letzterer Beziehung lässt Müller den Pater allerdings nur folgende kurze aber vielsagende Sätze aufstellen:

„Es sagen etliche nicht umbsonst (umsonst) / er habe sich erhencket (erhängt) / sey (sei) aber verboten solches zu offenbahren / Er muss rasend und unsinnig gewesen sein / da Er befohlen für unseren HErrn Gott und sein Evangelium zu beten.“

Man kann hieraus nicht ersehen, ob und welche Quelle Pater von Kreutzen bei dieser Mitteilung genannt hat.
Jedenfalls hat er die bezügliche Behauptung anderer („etlicher“) für begründet (für „nicht umbsonst“ ) und die Müller'sche Widerlegung für misslungen gehalten.

In seiner Dublik gibt nun Müller folgende „Antwort“:
„Wenn man von P. Kreutz außbrechte (daraus schliessen würde) / er hette sich erhencket / were (wäre) es denn gnug (genug) und bewiesen ? Das (dass) Jesuiten in Engelland (England) gehencket worden / wegen ihrer verrätherischen Thaten ist gewiß / wollen sie Gesellschaft haben / werden sie selbige an Luthero nicht finden. Wer hats gesehen / das (dass) sich Lutherus erhencket: er nenne die Leute / ist's verboten zu offenbaren / wie hats (hat es) denn P. Kreutz erfahren?“

Wie man sieht, wird Müller immer schwächer mit seinen Argumenten. Er kann sich jetzt nur noch mit Phrasen retten. Die Hohlheit der letzteren wird wohl auch von denjenigen seiner Leser zugegeben werden, welche an die „verrätherischen Thaten der Jesuiten in Engelland“ glauben. Dabei wagt er noch immer nicht anzudeuten, dass die „Päbstler“ eine ganz bestimmte Persönlichkeit bezeichnet hatten, welche Luthers Leichnam zuerst vor allen anderen gesehen hatte.
Dafür frägt (fragt) er pharisäisch: „Wer hat's gesehen ?“

Durch Sophismen (ausgeklügelte Scheinbeweise) wird dann Luther wegen seiner Äußerung: „Betet für unseren Herrgott“ verteidigt. Wir gehen hierauf – als für unseren Zweck nebensächlich – ebenso wenig ein, wie auf die nunmehr folgende breite Polemik (Feindseligkeit), welche Müller gegen von Kreutzen wegen dessen Behauptung betreffs des Begräbnisses Luthers, der Raben usw. eröffnet.

In gleicher Beweisführung wie bei Müller bewegt sich der Artikel über Luther in dem großen „historisch-kritischen Wörterbuch“ von Bayle Gottsched (Leipzig 1743, die deutsche Übersetzung, verfasst von mehreren anonymen Mitarbeitern unter Leitung des bekannten Literaten Johann Christoph Gottsched, erschien 1741-44 als „Peter Baylens historisches und kritisches Wörterbuch“ in Leipzig – verfasst von Pierre Bayle, französischer Schriftsteller, Philosoph, zentrale Figur der Aufklärung). Nur dass hier der Verfasser hervorhebt, dass es „keine unbekannte Leute, sondern sehr berühmte Skribenten(Schreiber) gewesen seien, welche „Unwahrheiten“ über Luthers Tod verbreitet hätten. Dieser Autor hat auch die Courage, das Zitat aus Cornelius a Lapide anzuführen (siehe oben), in welchem vom „Famulus“ (Diener“) Luthers die Rede ist; aber die darin enthaltene „Unwahrheit“ kann er gleich Müller nur widerlegen durch den Hinweis auf das „italienische“ Falsifikat („Fälschung aus Rom“) und die „Historia“.

Ludwig von Seckendorf in seiner großen „Historia Lutheranismi“ (Leipzig 1694, Geschichte der Luther-Reformation) drückt sich an der Sache mit der Phrase vorbei, es sei ihm zu „verächtlich“, auf die Behauptungen, welche katholischerseits über Luthers Tod verbreitet wurden, einzugehen, polemisiert aber wieder sehr eingehend mit katholischen Schriftstellern betreffs des Begräbnisses Luthers.

So kam der 18. Februar 1746 heran, der 200-jährige Gedächtnistag von Luthers Tod.

Der Tag wurde natürlich in Sachsen besonders gefeiert und auch verschiedene Schriften erschienen zu seiner Verherrlichung.

In dem später (Leipzig 1764) edierten Werke von Friedrich Sigismund Keil: „Dr. Martin Luthers merkwürdige Lebens-Umstände“ werden dieser Schriften sieben aufgeführt und als die vornehmste das Buch des Wittenberger General-Super-Intendenten Carl Gottlob Hofmann (Oberpfarrer an der Wittenberger Stadtkirche):

„Memoria saecularis funeris et sepulcri Dr. Martini Lutheri, Wittenbergae 1746“, „Das Andenken an die weltliche Beerdigung (die Jahrhundert-Bestattung) und das Grabmal des Dr. Martin Luther, Wittenberg 1746“ bezeichnet.

Nach Keil soll „diese wichtige Schrift“ eine hervorragende Aufmerksamkeit der Leser verdienen, weil sie „eine Rettung der Ehre Lutheri wider seine Verleumder“ sei. „Alles“, sagt Keil, „was Bellarmin, Thyräus, Cochläus, Bozius, Bredenbach usw. von einem unerträglichen Gestank, von einer Begleitung vieler bösen Geister, von von schwarzen Raben und dergleichen, bei der Leiche des seligen Mannes durch ganz unvernünftige Lügen ausgebreitet, imgleichen (ebenfalls), was Maimburg und Fontanus von seinem prächtigen Leichenbegängnis spöttisch vorgebracht – das wird hier von Herrn Dr. Hofmann gelehrt und gründlich widerlegt. – Nach diesem hat der Herr General-Super-Intendent von dem seligen Ende, von dem Leichenbegängniß und Begräbniß unsers theuern Lutheri eine vollständige historische Nachricht mit großem Fleiß aufgesetzt.“

So Keil (Seite 295). Wem es wie mir begegnete, dass er die Keil'sche Schrift eher in die Hände bekam, als das Hofmann'sche Buch, der musste erwarten, dass das letztere, zumal es auch vom „seligen Ende“ Luthers handeln sollte, sich auch mit den auf den Tod Luthers bezüglichen „Verleumdungen“ des Bozius, Bellarmin usw. befassen würde. Jedenfalls musste man gespannt darauf sein, ob Herr Hofmann mit besserem Glück gegen Bozius und Genossen respektive gegen Luthers Diener operieren würde, als es ein Jahrhundert vor ihm Johannes Müller vermochte.

Aber welche Enttäuschung !

Herr Hofmann sagt gleich in der Einleitung, dass die

calumniae, quibus grex Pontificius obitum b. (id est: beati !) Lutheri placidissimum vituperare studet, vulgo prostant: hoc tamen eventu, ut manifestus dissensus, narrationum absurditas, testium allegatorum perfidia sint infallibili indicio, nil (= nihil) nisi mendacia afferri, atque data opera confingi.“  

„die Verleumdungen, durch welche die zum Pontifex (Papst) gehörige Herde - nach dem äußerst sanften Hinscheiden des St.  Luther - eifrig bestrebt ist zu tadeln, geben sie dem Pöbel öffentlich preis: indessen seien durch dieses Ereignis, wie z.B. der deutlich abweichende Widerspruch, der Widersinn der Erzählungen, die Unredlichkeit von den angestifteten Zeugen durch einen untrüglichen „Beweis“ nichts als nur Unwahrheiten dargebracht und dazu noch absichtlich erdacht worden.“

Seine „Aufgabe“, fährt er fort, verbiete es ihm daher, die „Fabeln“ über Luthers Tod, obschon sie weit und breit ausgestreut seien, („passim divulgatas“, überall weit und breit veröffentlicht) eingehender zu behandeln, sonst könnte er mit Dingen aufwarten, die teils Lächeln, teils Indignation (Unwillen) erregen würden.
Kaum finde man ja einen zweiten berühmten Mann, über dessen Lebensende „genius infernalis plures rumores incertos, dubios, discordes, falsosque spargere studuit, quam de Luthero.“
„der Genius (Schutzgeist) der Hölle hat danach gestrebt mehrere unzuverlässige, zweifelhafte, widersprüchliche und dazu falsche Gerüchte zu verbreiten, wie hinsichtlich über Luther.“

„Diese Arbeit“, meint dann der Autor, „haben wir einem anderen überlassen, dessen Bemühungen wir nicht haben vorgreifen wollen. Unsere Aufgabe wird es sein, de funere et sepulcro Megalandri (d.h. „des großen Mannes“) commentari et ostendere, quam multae sint fabulae, quam atroces iniuriae quibus funus tumulumque b. Lutheri in contemptionem adducere student homines, superstitioni pontificiae addicti et alii malo in nostram ecclesiam animo occupati.
über die Bestattung und das Grabmal des großen Mannes (griechisch: Megalandri) zu berichten und aufzuzeigen, seien viele Geschichten, wie schreckliche Beleidigungen, durch welche sie danach trachten, die Menschen zu verführen, für die Beerdigung und den Grabhügel des St. Luther Verachtung entgegenzubringen, dem päpstlichen Aberglauben verfallen und andere in unserer Kirche sind von einem bösartigen Geist ergriffen.

Und nunmehr verschwendet dieser Buchmacher sein ganzes Papier für den versuchten Nachweis, dass Luther ohne Gestank und ohne Raben begraben worden sei, sowie dass der Vorwurf, den einige „päpstliche“ Schriftsteller erhoben, er sei „wie ein reicher Mann mit Pomp und nicht wie ein armer Apostel einfach begraben worden“, unbegründet gewesen sei. Zuletzt handelt der Verfasser noch eingehend von Luthers Grabmal.

Von den viel wichtigeren „Verleumdungen“ aber, welche „weit und breit“ über Luthers Tod ausgestreut waren, spricht er mit keinem Worte; von Luthers Diener ist im ganzen Buche mit keiner Silbe die Rede !

Auch der „Andere“, dessen Bemühungen Herr Hofmann nicht „vorgreifen“ wollte, ist bis zu dieser Stunde, bis zum Jahre 1891 noch nicht erschienen und noch nicht zur Widerlegung der „weit verbreiteten Verleumdungen“ gekommen.

Und doch wäre diese „Aufgabe“ wohl für die Sache der Herren notwendiger gewesen, als die Widerlegung des Tadels, dass Luther zu pomphaft beerdigt worden sei.

Ich meinerseits habe diesem von einigen katholischen Schriftstellern des 16. resp. des 17. Jahrhunderts (Maimburg usw.) erhobenen Tadel so wenig Bedeutung beigelegt, dass ich von demselben überhaupt keine Notiz genommen habe.
Ich werde auch weiterhin nicht davon reden. Es ist mir wirklich gleichgültig, ob vor Luthers Leiche hundert oder tausend Trompeter oder Reiter hergegangen sind und auch auf die Geschichte von den Raben und dem Gestanke lege ich keinen sonderlichen Wert. Und hierin begegne ich speziell wieder Bozius und Bellarmin, welche beide ganz nebenbei einmal diese Umstände erwähnen, das Hauptgewicht aber auf das Sterben Luthers legen.

Trotzdem umgeht Herr Hofmann diese Hauptsache gänzlich !

Hundert Jahre vorher wagte Müller doch wenigstens noch den „Strick“ zu erwähnen, freilich ohne Hinweis auf Luthers Diener; 1746 dagegen muss Alles verschwiegen werden trotz oder richtiger wegen der weitverbreiteten „Verleumdungen“ ! 1

1 Die Raben-Affäre glaubt H. durch einen Witz beseitigen zu können. Er lässt einen „Bauern“ erzählen, dass in ähnlicher Weise einst alle bösen Geister in Rom waren, als die „Päpstin Johanna“ auf der Straße ein Kind gebar. Der „altkatholische“ Bischof Reinkens (Joseph Hubert Reinkens, Hochschullehrer und erster Bischof der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland) pflegte früher in seinen Kollegien (Universität) zu sagen, an die „Päpstin Johanna“ glaubten nur noch „liberale“ Zeitungsschreiber und protestantische Elementarlehrer (Grundschullehrer).
Im vorigen Jahrhundert haben haben also auch noch protestantische General-Super-Intendenten daran geglaubt. – Helmesius (vergleiche oben) kam bekanntlich wenige Tage nach Luthers Begräbnis nach Halle und hörte dort von zahlreichen Bürgern die Erzählungen, welche über die Raben verbreitet waren, bestätigen.

Auch auf Sedulius wagte man nicht hinzuweisen; obgleich dessen Werk bald von den Bibliotheken der protestantischen Universitäten usw. angeschafft worden war.2

2 Das von mir benutzte Exemplar des Sedulius führt noch jetzt den Stempel der ehemaligen Hochschule zu Frankfurt an der Oder, welche bereits 60 Jahre vor dem Erscheinen des Sedulius'schen Buches protestantisiert worden war.

Weder Müller noch Hofmann erwähnen auch nur mit einer Silbe des Sedulius und des Dokumentes, welches er veröffentlichte ! Je mehr wir uns dann dem gegenwärtigen Jahrhundert nähern, desto mehr nimmt das Schweigen und Verschweigen auf protestantischer Seite zu. Hieraus erklärt es sich, dass man auch katholischerseits anfing, über Luthers Lebensende zu schweigen, wie überhaupt in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in der Periode des romfeindlichen Josephinismus und Febronianismus (1763 durch J. Febronius ausgelöste aufklärerisch orientierte Reformbewegung bis 1806 in der katholischen Kirche), den Protestanten das Geschichts-Monopol überlassen wurde und die konfessionellen Kontrovers-Schriften (Glaubensbekenntnis-Gegenschriften mit dem Hinweis auf die Unterschiede) unter den katholischen Theologen zu verschwinden begannen, ein Übelstand, der sich bis fast in die Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts fortsetzte.3

3 Eine fernere Ursache, weshalb man auf katholischer Seite angefangen über Luthers Lebensende zu schweigen, lag auch in dem Umstande, dass unter allen Kontrovers-Schriften, welche nach dem 30-jährigen Kriege herausgekommen waren, das Buch des Floremund Raemund (eines ehemaligen französischen Calvinisten, der zum Katholizismus zurückgekehrt war und dessen Buch erst in Deutschland ins Lateinische aus dem Französischen übersetzt wurde): „Historia memorabilis“ (die denkwürdige Geschichte) die weiteste Verbreitung in Deutschland gewann. In allen späteren Schriften der katholischen Polemiker (Kritiker) findet man dieses Wort fast ausschließlich zitiert, während die Bücher von Bozius und Sedulius durch den 30-jährigen Krieg vielfach in Vergessenheit geraten waren. – So vortrefflich nun auch die Ausführungen des Floremund Raemund im Allgemeinen waren, so hatte er doch, wie wir oben sahen, über Luthers Tod aufgrund eines mangelhaften Quellenstudiums eine eigene Sage aufgebracht – nämlich Luther habe sich das Leben nehmen wollen, sei aber durch hinzueilende Personen daran verhindert worden, – auf welche man katholischerseits naturgemäß wenig Wert legte.

Im Jahre 1846 erschienen zum 300-jährigen Todestage Luthers mehrere Gedächtnis-Schriften.

Die verbreitetste unter ihnen war das Buch von Julius Leopold Pasig „Dr. Martin Luthers letzte Lebenstage, Tod und Begräbnis“ (Leipzig, Verlag von Friedrich Wilhelm Grunow).

Der Verfasser sagt gleich in der Einleitung:
„Wir haben uns nicht darauf eingelassen, die lügenhaften und verleumderischen Berichte über Luthers Tod und Begräbnis, welche römischerseits, namentlich von Bellarmin, Thyräus, Cochläus, Maimburg und anderen verbreitet worden sind, zu widerlegen, weil dieselben so albern und abgeschmackt sind, dass sie sich von selbst widerlegen und man sich nur wundern kann, wie Leute, welche Gelehrte sein wollten, solchen unsinnigen Lügen haben Glauben schenken können.“

In einer anderen ebenfalls 1846 erschienenen Schrift von Moritz Meurer:
„Luthers letzte Lebenstage, Tod und Begräbnis“ (Dresden, Verlag Justus Naumann) heißt es:
„Von all' dem Kot, den Luthers Feinde Lügenhaftigkeit auch auf seine letzten Lebensstunden geworfen, hat die wahrhaftige Geschichte ihn längst so rein gewaschen, dass es verlorene Mühe wäre, daran noch ein Wort zu wenden (verschwenden), wenn auch etwa wieder einmal eine alte Lüge auf's Neue ausgeschmückt werden sollte.“

Man sieht, die Herren sind in de Verteidigung Luthers mit der Zeit „fortgeschritten“.
Während ein Jahrhundert vorher Hofmann die Widerlegung der „Verleumdungen“ noch „einem Anderen“ reservierte, und 200 Jahre vorher Müller wenigstens einen schüchternen Versuch zu einer Antwort machte, widerlegen sich vor der Kritik des 19. Jahrhunderts alle jene „Verleumdungen“ einfach von selbst; ja die „wahrhaftige Geschichte“ soll bereits eine „Reinwaschung“ mit solcher Kunstfertigkeit längst vorgenommen haben !

Wahrscheinlich geschah es durch jene „katholischen“ Kirchengeschichts-Lehrer in Wien, welche nach dem Lehrbuch des Protestanten Schröck ihre „Wissenschaft“ tradierten (überlieferten).

Aber wie dem auch sei: Charakteristisch bleibt es, dass man protestantischerseits im Jahre 1846 noch recht gut der alten „Verleumdungen“ über Luthers Tod sich erinnerte, während man auf katholischer Seite nicht die geringste Erinnerung mehr daran zu haben schien !

Da hatten denn freilich die neuesten Luther-Biographen, welche aus Anlass des im Jahre 1883 stattgehabten (stattgefundenen) Jubiläums den Büchermarkt überschwemmten, leichtes Spiel; sie konnten sich der Aufgabe gänzlich überhoben (enthoben) halten, auf die alten Anklagen der „Päpstler“ bezüglich Luthers Lebensende einzugehen. Aber konstatieren (feststellen) wollen wir doch ausdrücklich, dass auch sie keine Neigung hatten, Material gegen Bozius und Genossen oder richtiger gegen Luthers Diener vorzubringen.

Diesem sind sie ALLE aus dem Wege gegangen – inklusive Köstlin.1

1 Um einen Beweis zu geben, mit welcher „Gründlichkeit“ und „Unparteilichkeit“ Julius Köstlin (Theologe, Kirchenhistoriker, Mitbegründer des „Vereins für Reformationsgeschichte") gearbeitet hat, sei nur erwähnt dass er in seiner gegen Johannes Janssen (katholischer Priester und Historiker) gerichteten Broschüre „Luther und Janssen, der deutsche Reformator und ein ultramontaner (= streng päpstlich gesinnter) Historiker“, Halle 1883, am Schlusse sagt: „Darüber, was Luther (kurz vor seinem Tode) geredet, haben wir noch Aufzeichnungen, welche ü b e r h a u p t über seine letzten Stunden gleich nachher gemacht worden sind, (nämlich die „Historia“), deren Glaubwürdigkeit noch niemand anzuzweifeln vermochte.“ – Mit einer solchen Behauptung wagt sich an die Öffentlichkeit ein Lehrer an einer deutschen Hochschule im Jahre 1883 !

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Die Gemütsstimmung Luthers gegen Ende seines Lebens.

Wer sich einen annähernden Begriff machen will von der traurigen Lage, in welcher das neue „Evangelium“ selbst im lutherischen Kirchenstaate, in Kursachsen, im Todesjahr Luthers sich befand, der muss die Vorrede lesen, mit welcher der Prediger Creutziger die von seinem Meister 1544 gehaltene Predigt zur Einweihung der neuen Schlosskirche zu Torgau in der Wittenberger Ausgabe von Luthers Werken von 1561 (Band VII, fol. 566 ff.) einleitet.

Creutziger sagt dort – und diese seine am 1. Oktober 1546 niedergeschriebenen Worte beschlossen damals die erste Gesamtausgabe von Luthers Werken:

„Wol (Wohl) denen / HERR / die in deinem Hause wonen (wohnen) / Die loben dich jemerdar (immerdar) / Spricht der 84. Psalm. Dieser schöner trost (Trost) ist zu dieser letzten betrübten und gantz (ganz) schweren zeit / allen Christen hoch von nöten zu fassen (höchst wichtig zu bewahren) / wider so grosse fahr (Gefahr) / trübsal / angst und not / so die Kirche Gottes teglich (täglich) leidet ond dere (und derer) sie noch grösser (größeres) ond (und noch) mehr gewarten mus (ertragen muss) / in grossen scheuslichen zerrüttungen / ond fast endlichem untergang der Regiment (Herrschaft) / ond (und) friedlichen stands (Standes) auff erden / Welche einen (einem) Christen keinen andern anblick oder ansehen geben / denn als müsse das obrige heuflin (Häuflein) der Kirchen / zuvor ond (und) ehe der Welt ende kömpt (kommt) / auch gar zu grund (zugrunde) gehen / und in kurtzem (bald) nirgend(wo) nichts mehr davon bleiben werde.

Denn wir sehen jtzt (jetzt) ja greifflich gnug (greifbar) / wie (z.B.) des leidigen Teuffels grimmiger zorn / wüten und toben / so gar grewlicher weise (gräulicherweise) oberhand nimpt (überhand nimmt) / welches er durch die böse Welt treibet (treibt) ond obet (und ausübt) / die reine Lere (Lehre) göttliches Worts / ond (und) das Heuflin (Häuflein) / so dasselbe lernet / leret ond bekennet (lehrt und bekennt) / gantz (ganz) ond endlich zu tilgen / Ond (und) gehen zugleich starck ond mechtig (stark und mächtig) an / schreckliche straffen (Strafen) ober (über) die hoch ond gros obermachte (die hohe und grosse Obermacht) / ond nu (und nun) gantz (ganz) eingewurtzelte ond verhartete (verhärtete) verachtung / ond ondanckbarkeit (und Undankbarkeit) / des grossen Hauffens / fur (für) das selige Liecht (Licht) des Evangelij (Evangeliums) / ond (und) so grosse wolthat (Wohltat) / so ons (uns) Gott mit demselbigen zu dieser onser (unserer) zeit gegeben hat.

Zu dem / so sind auch bey (bei) den wenigen / die noch Gottes wort mit ernst meinen / lieben / ehren / ond in seinem gutem hertzen (Herzen) behalten - wie Christus spricht / so gar grosse schwachheit ond gebrechlichlkeit / die sie bey (bei) jenen selb fülen (selbst fühlen) / ond an andern sehen / Ond ist nichts auff (auf) menschenschutz / rettung / oder trewen (treuen) und festen beystand (Beistand) / ond (und) zusamen haltung (Zusammenhalt) gewis (gewiss) zu setzen.“

Luther hatte einst geglaubt, dass er noch bei seinen Lebzeiten das ganze Papsttum vernichten und sein „Evangelium“ an dessen Stelle setzen würde. Dafür musste er, je älter er wurde, desto mehr die Überzeugung gewinnen, dass seine Sache von Jahr zu Jahr rückwärts, die des Papsttums, das im Konzil von Trient wieder seine ganze Macht entfaltete, vorwärts schritt. Dem dogmatischen Gezänke der lutherischen Theologen, von denen auch nicht drei zusammen ein wirklich einheitliches Glaubensbekenntnis anstelle des Symbolums (Bekenntnis) der alten Una sancta (einzige heilige Kirche) aufzusetzen vermochten, entsprach der moralische Rückgang der Bekenner des neuen Glaubens. Zügellosigkeit im sittlichen, Revolution im politischen Leben drohten nicht allein die neue „Kirche“, sondern auch das deutsche Vaterland an den Rand des Abgrunds zu bringen. Und hatte Luther noch einen Funken deutschen Gefühls in sich, so musste er sich sagen, dass er durch den von ihm hervorgerufenen Dualismus* das vorher einige und mächtige Vaterland von innen zerrüttet, nach außen durch Begünstigung der Franzosen und Türken geschwächt hatte.
* philosophisch-religiöse Lehre von der Existenz zweier Grundprinzipien des Seins, die sich ergänzen oder sich feindlich gegenüberstehen (z. B. Gott – Welt; Leib – Seele)


Als einst bei Tische „von dem Spruche Jeremiae (Jeremias), da der Prophet den Tag verfluchet, an dem er geboren ward (wurde)“, geredet und Luther gefragt wurde, ob nicht solche Worte Sünde wären, antwortete er, es sei „ein recht Murmeln des Jeremiae.“
Man müsse Gott bisweilen mit solchen Worten „aufwecken“.
Dann fuhr er fort:
„Es verdreust (verdrießt) einen, wenns einer so hertzlich gut gemeint und es gehet doch nicht von statten.
Also lasse ich auch die gedanken nimermehr fa(h)ren  nemlich (nämlich), das (dass) ich wündsche (wünsche), und wolt (wollte), Das (dass) ich diese Sache nie nicht angefangen hette (hätte).
Item (ebenso) ich wolt lieber tod sein, denn das (als dass) ich die verachtung Gottes Worts und seiner trewen (treuen) Diener sehen sol1.“
1 Tischreden, Eisleben 1569, fol. 185.

Das ist die bündigste Verurteilung der „Reformation“ durch den „Reformator“!

Zu dieser allgemeinen trostlosen Situation kam noch die überaus traurige Lage, in welcher Luther zuletzt persönlich hineingeriet. Wo er nur hinsah, da nahten ihm Ärger und Verdrießlichkeiten.
Zunächst im eigenen Hause. Er, der stolz Papst und Kaiser getrotzt hatte, geriet bald unter die schimpfliche Herrschaft seiner „Räte“, die er, um nicht zum Schaden noch den Spott anderer einzuernten, scherzhaft seinen „Herrn“ nannte.
Seine Kinder wuchsen heran und machten ihm Sorgen – umso mehr, als sie auch nach dem damaligen weltlichen Gesetz gleich seinem „Ehebunde“ als rechtmäßig nicht betrachtet und nur durch gewaltsame Beugung des bestehenden Rechts legitimiert werden konnten.
Weitaus die Mehrzahl der Fürsten und Adeligen, vor denen er nicht aufhörte, in niedriger Weise zu kriechen, verachtete ihn, nachdem er seine Schuldigkeit getan und durch das „Wort Gottes“ ihren Kirchen- und Klosterraub saniert hatte. Viele Juristen ließen sich selbst durch die grässlichsten Flüche und abscheulichsten Sudeleien, die er gegen sie ausstieß, seine Kinder zu legitimieren oder ihn in weltlichen Dingen mitreden zu lassen, und fanden hierbei die Unterstützung selbst mancher protestantischen Fürsten. Der demokratische Stadt-Pöbel, der ihn einst gleich den revolutionären Bauern auf den Schild erhoben, die enttäuschte unterste Volkshefe (Abschaum), die er durch zwei Jahrzehnte mit Kot gemästet, wurde dieser Nahrung endlich satt und fing seiner und seiner „Familie“ zu spotten an. Einzelne von denjenigen, welche früher an das Wittenberger Augustiner-Kloster Abgaben zu entrichten hatten, jetzt aber an den alleinigen Bewohner desselben zahlen sollten, blieben unter Berufung auf das „Wort Gottes“ mit ihren Leistungen aus, so dass sich bisweilen auch noch materielle Sorgen bei dem „Reformator“ einstellten.

So kam es denn, dass er „im Juli 1545“ – um mit Neudecker1 zu reden – „Wittenberg verlassen, aus Argwohn gegen Melanchthon, aus Unwillen über die Verdrießlichkeiten, die er dort erleben musste, wie aus Unwillen über das ärgerliche Leben, das unter den Wittenberger Frauen sich gebildet hatte.

1  Die handschriftliche Geschichte Matthäus Ratzebergers über Luther und seine Zeit, von Dr. Christian Gotthold Neudecker. Jena 1850.

Er hatte beschlossen, nach Wittenberg gar nicht wieder zurückzukehren, ja er hatte selbst seiner Frau (die er trostlos verlassen) geschrieben, sie möge Garten, Haus und Hof verkaufen, sich auf das ihm gehörige Landgut Zeulsdorf zurückziehen und das Wittenbergische Sodom meiden; nach seinem Tode würden seine Feinde sie doch nicht länger dulden; er könne des Zornes und der Unlust nicht länger leiden und wolle lieber und wolle lieber das Bettelbrot essen, als seine letzten Tage mit dem unordentlichen Wesen in Wittenberg martern und beunruhigen mit Verlust seiner sauren teuren Arbeit.“

Schon im Jahre 1539 hatte er einmal geäußert, er möchte „einen Henker mieten“, der ihm „den Kopf abschlüge.“ (Tischreden I. c. 450 b.)

Die Klage, dass er der Welt und die Welt seiner satt sei, wurde von ihm in den letzten Lebensjahren noch öfters ausgesprochen. Seine beiden Hausdiener, sagte er einmal bei Tische, sein Famulus (Diener) und seine Köchin hätten es viel besser, als er und seine Räte. „Denn der Ehestand bringt mit sich seine Beschwerung und das heilige Kreuz;“ „aber niemand,“ fuhr der enttäuschte „Ehemann“ fort, lässt sich an seinem Stande genügen (niemand begnügt sich mit seinem Stand). Wenn dem Esel zu wohl ist, so gehet er aufs Eis gumpen (springen) und bricht (sich) ein Bein.“ (Tischreden, Eisleben 1569, Blatt 431 b.)

Er hatte ja eben schon „Weib“ und Kind verlassen gehabt und nur den eindringlichen Vorstellungen der Universität – insbesondere Melanchthons, der sein Leben mit seinen Schafen nun auch nicht länger teilen wollte – sowie des Kurfürsten, der ihm seinen Leibarzt Ratzeberger in das Exil nachsandte, war es gelungen, ihn wieder nach Wittenberg zurückzubringen.

Ja nach der Leichenrede, welche Bugenhagen am 22. Februar in Wittenberg gehalten, hätte der „Mann Gottes“ im Jahre vor seinem Tode sich sogar mehrmals von den Seinigen entfernt.
„Es sind auch vorgehende Anzeigungen (Anzeichen) gewesen,“ sagte der Prediger, „dass unser lieber Vater, Doctor Martinus (Doktor Martin), in ein besser Leben wandern würde, denn dies ganze Jahr durch hat er oft zu uns gesagt, er begehre an einen andern Ort zu ziehen; ist auch ofter (öfter) in diesem Jahre vor seinem Tode ausgezogen, denn zuvor in vielen Jahren: nehmlich (nämlich) in sein Vaterland gen (gegen) Mansfeld, zum Bischofe gen Zeiz (nach Zeitz), gen Merseberg, gen Halle.“

Des weiteren verrät uns Bugenhagen, dass Luther in den letzten Monaten seines Lebens oft zu ihm gesagt, er wünsche bald „aus diesem Jammerthale“ zu scheiden; er könne „nichts mehr thun auf Erden“, er sei „nichts mehr nütze“, man solle nicht beten, dass er noch länger lebe.

Schon vor dem Jahre 1530 hatte Luther „prophezeit“:

Lasst uns das Evangelium noch zwei Jahre treiben (betreiben), so solt (sollst, kannst) du wohl sehen, wo Pabst (Papst), Bischove (Bischof), Pfaff (Pfarrer), Münch (Mönch), Nonne, Mess (Messe), Kutten (Mönchskleidung), Kappen (Kapuzen), Platten (Glatzköpfe) und das ganze Gewürm und Geschwürm (Geschwüre) Päpstlichs Regiments bleibe1.“

1 Tom. 2 jen. germ. fol. 69 a.

Immer von Neuem waren „zwei Jahre“ vergangen; aber immer kräftiger wurde das Papsttum, immer schwächer das Luthertum, und in seinen letzten Lebensstunden gestand Luther dem Coelius, wie uns dieser wieder in der Leichenrede verraten hat:
Wenn mich der Papst oder meine Widersacher in ihre Hände bekämen und mir vieles Leides anthun (antun) wollten, so bin ich zu schwach, ich stürbe ihnen bald in ihren Händen.“

Er begnügte sich denn schließlich mit der Prophezeiung, dass er durch seinen Tod den Papst töten würde:
„Pestis eram vivens, moriens ero mors tua, Papa !“
1
Papst, da ich lebte, da war ich deine Pestilenz, als Sterbender werde ich dein Tod sein.1

1 Die „Prophezeiung“ ist in die „Historia“ (Historie) nicht aufgenommen. Nach Jonas' Leichenrede hat sie wie oben gelautet, nach Bugenhagen's: „Pestis veram vivus, mortuus tua mors ero, Papa !“ Ich war als Lebender die Pest, als Toter werde ich dein Tod sein. Vergleiche oben die Version Ratzebergers. Über die „Prophezeiung“, dass das Papsttum in zwei Jahren zugrunde gerichtet sein würde, bemerkt Bozius in seinem (1592 im Druck erschienen) ersten Bande „De signis Ecclesiae“, „Über die Zeichen der Kirche“.
„Anni, ex quo id est vaticinatus homo vanissimus, quinquaginta praeterierunt et tantum abest, ut Papae nomen sit deletum, ut potius eius potestas magis sit intra hoc spacium temporis amplificata, quam mille et quingentis annis, quibus Lutherus non fuit. Ad extremos enim terminos orbis pervenit, intimos Indos pervenit, Antipodas pervasit.“
„Seitdem, gemeint ist der prophezeite Windbeutel *, sind 50 Jahre vergangen und er ist weit davon entfernt, dass der Name des Papstes ausgelöscht worden sei, als wie dessen Macht innerhalb dieses Zeitraums eher mehr erweitert worden sei, als wie in 1500 Jahren (zuvor), in welchen Luther nicht da gewesen ist. Denn er (der Papst) ist bis zu den äußersten Grenzen der Welt gelangt, ist zu den - dem fernsten Rand - Indios gekommen und hat die Antipoden-Menschen auf der anderen Seite der Welt erreicht.“
* = homo vanissimus = oberflächlicher, leichtlebiger, fruchtloser, unzuverlässiger Mensch - so bezeichnete Luther den Papst in seinem lateinischen Brief, heute würde man den Begriff Luftikus verwenden, oder aus jemanden kommt nur heiße Luft raus, um das lateinische Wort vanus (= inhaltlos, nichtig, eitel, lügenhaft, falsch) mit dessen Steigerung vanissimus (= vollkommen falsch) zu verwenden.


Diese fortlaufenden Enttäuschungen, die er erlebte, mussten die Zweifel, die schon früher öfters in ihm aufgestiegen waren, ob er nämlich auf dem richtigen Wege sei und Millionen Seelen wirklich zum Heile geführt habe, in seinem Innern stündlich lebhafter sich entwickeln lassen; der wiederholte Bruch der feierlichen Gelöbnisse, die er als Priester, als Mönch und als Doktor der Theologie geleistet, die Erkenntnis, dass er einen Bau zertrümmern wollte, der 1500 Jahre – also sicherlich nicht ohne den Schutz der göttlichen Vorsehung – auf Erden bestanden hatte, ohne etwas besseres an seine Stelle setzen zu können; die kirchlichen, politischen und sozialen Wirren, welche seine Lehre unter Hunderttausenden hervorgerufen, mussten zuletzt die fürchterlichsten Gewissensqualen in ihm aufwühlen, die er vergebens durch „Fressen und Saufen“, vergebens an den Zöpfen seiner „Bora“, vergebens im Kreise seiner Kinder, die alle nur schreckende (erschrockene) Zeugen seines tiefen Falles waren, zu ersticken suchte.

Bei einem solchen psychischen Zustande war eine ungeheure moralische Kraft erforderlich, um sich aus dem tiefen Sumpfe wieder heraus zu retten. Aber diese Kraft besaß der „Reformator“ nicht und zwar infolge – wenn wir von mystischen Ursachen absehen wollen – seiner unchristlichen und unsinnigen Theorie von der Rechtfertigung des Menschen.

Diese Theorie, sein Phantom von der Stellung des freien oder vielmehr unfreien Menschenwillens zum Guten und zum Bösen, artete zuletzt bis zu dem Grade aus, dass er den Teufel für mächtiger hielt, als den allmächtigen Gott.

„Betet für unsern Herrn Gott und sein Evangelium, daß es ihm wohlgehe; denn das Concilium zu Trient (Konzil von Trient) und der leidige Papst zürnen hart mit ihm (wüten, sind zornig auf ihn, aufgebracht und hassen ihn)“ – sagte er gegen Ende seines Lebens nach der hier unverdächtigen Quelle der „Historia“ (Historie 1).

1 In Karl Friedrich Beckers Weltgeschichte, herausgegeben von Johann Wilhelm Loebell (1837, VII. S. 287), ist das Wörtchen „für“ in „zu“ gefälscht – ein Beweis, dass der Fälscher Luthers Theologie und Seelenzustand gar nicht kannte.
Das „Orate pro deo“ (Betet für Gott) kam übrigens den Freunden der „Reformation“ von Anfang an so ungeheuerlich vor, dass schon Johannes Sleidan, Diplomat, Übersetzer und Historiker („Commentarii de statu religionis“ 1555, „Kommentare / Notiz-Berichte über den Zustand / die Lage der Religion“) daraus ein „Orate deum“ (Betet zu Gott) – fälschte.


Hatte er doch schon zu Genesis 28, 12 – 14 bemerkt:
„Darumb (darum) ist beides wahr, wenn ich sage: Die höchste Gottheit ist die unterst (unterste) Kreatur und ist aller Menschen Knecht worden, ja sie ist dem Teufel selbst unterworfen worden 2.“

2 Altenb. Ausg, Tom. IX. fol. 871 a.

So fühlte er auch sich selbst immer mehr dem Teufel unterworfen.

Schon in seiner 1533 verfassten Schrift über die „Winckelmesse“ (Winkelmesse) (vergleiche oben das Zitat daraus S. 19) erklärt er, dass er vom Teufel nicht nur im Disputieren (Streitgespräch) überwunden worden sei, sondern dass er es „da wol erfaren“ (wolle erfahren) habe, wie es zugehe, dass man nach einer heftigen Disputation (Streit) mit dem Teufel „des morgens die Leute im bette tod (im Bett tot) findet“.

Der Teufel könne, so fuhr er fort, „den Leib erwürgen“, er könne „aber auch der Seelen so bange machen mit Disputirn, das (dass) sie ausfahren mus in einem augenblick, wie er's mir's gar offt fast nahe gebracht hat.“

Unter diesen Umständen konnte es nicht Wunder nehmen, dass seine Freunde, von denen kaum einer an eine solche Macht des Teufels glaubte, befürchteten, er könne einmal sich selbst ein Leid zufügen, und dass sie deshalb in den letzten Jahren seines Lebens einen besonder(e)n Bedienten bei ihm anstellten, „der dißfalls (für diesen Fall) auff ihn Hutt haben (Obhut haben) sollen.1

1 Johann Kraus, Der wunderbare wunderthätige und wundersame Luther, Prag 1716, S. 74.


Dies wurde insbesondere dann notwendig, als Luther ganz offen erklärte, dass er oft von Selbstmordgedanken befallen sei.

Als einst (im Jahr 1541) bei Tisch der Pfarrer von Guben erzählte, er sei oft, wenn er ein Messer in die Hand genommen, vom Teufel versucht worden, sich zu erstechen, oder wenn er Zwirnsfäden gesehen, diese zu sammeln und zu einem Stricke zusammenzudrehen, um sich damit zu erhängen – erwiderte der „Reformator“:

Das ist mir auch offt begegnet, das (dass), wenn ich ein Messer habe in die Hand genomen, so sind mir dergleichen böse gedancken (Gedanken) eingefallen.“ (Tischreden, Eisleben 1569, Bl. 277 a.).2

2 Von seinen unsinnigen Kasteiungen (von lat. castigatio, ‚Züchtigung': freiwillige Entbehrungen und Leiden um eines höheren Gutes willen) im Kloster gestand er später, dass sie „nichts Anderes als Selbstmord“ gewesen. (Janssen, II, S. 71.) Vielleicht wäre er diesem schon damals erlegen, wenn nicht die Ordensbrüder seine Klosterzelle, in die er sich verschlossen, erbrochen (aufgebrochen) und ihn unter Beaufsichtigung gestellt hätten.


In solcher Gemütsverfassung kam nun Luther 1546 nach Eisleben, in die Stadt, in welcher er geboren und in der er das heilige Sakrament der Taufe empfangen hatte.

Dass hier sein ganzer stürmischer Lebenslauf peinigend an seinem im ermatteten Körper bereits schwach gewordenen Geiste vorüberzog, dass die Gewissensbisse, die er in den letzten Jahren erlitten, hier doppelt folternd für ihn werden mussten, lag in der Natur der Verhältnisse.

Zum Unglück schlug auch noch das Einigungswerk fehl, das er in Eisleben erzielen wollte, obgleich er auch dort sich nicht gescheut hatte, zur Intrige zu greifen und einen Juristen, der anderer Meinung war, als er, aus dem Rate der Grafen zu entfernen.1

1 Ratzeberger, a. a. O. S. 135.


Diesen Moment schien der Feind des Menschengeschlechts für geeignet gehalten zu haben, um Luther zur Verzweiflung zu bringen.

Er erschien ihm über dem Röhrbrunnen (Brunnen-Kasten), sperrte den Mund gegen ihn auf und spottete seiner, dass ihm, sowie ihm seine Hauptaktionim Leben misslungen, auch noch dieses sein vermutlich letztes Werk in seiner Vaterstadt missraten sei.

Luther sprach zwar zu Coelius noch die Hoffnung aus, dass „Gott noch stärker sein würd', als der Satan“; aber er sagte das bereits „mit Trähnen“, bis er zuletzt geradezu in die Blasphemie (Gotteslästerung) ausbrach, man solle für Gott zum Teufel beten.

Da es ihm so völlig an Gottvertrauen fehlte, hatte der Feind leichtes Spiel und es ist somit auch aus innern Gründen wahrscheinlich, dass der Mann, der einst „den Papst an den Schlüsseln erhencken“2 wollte, so geendigt hat, wie es von seinem Famulus (Diener) erzählt wurde und wie es als glaubhaft von den hervorragendsten Theologen und Historikern des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts der Nachwelt überliefert ist.

2 Tischreden in Anton Lauterbach's lateinischem Tagebuch, Dresden 1872, S. 30,

Martin Luthers Schüler Lauterbach gehörte zum Kreis seiner Tischgenossen und Vertrauten.


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Schlusswort

Wenn auch hervorrragende Theologen, wie die Kardinäle Robert Bellarmin und Stanislaus Hosius (Bischof von Kulm und von Ermland, Kardinal und päpstlicher Legat in Polen, sein Name bedeutet im Slawischen: der im Lager Berühmte), sowie andere mit und nach ihnen der Meinung waren, dass Luther seine Seele „diabolo reddidit“ (dem Teufel aushändigte), so ist damit natürlich noch kein Verdammngsurteil seitens der Kirche ausgesprochen – selbst dann nicht, wenn die von Bozius, Sedulius und andern öffentlich kundgegebene Nachricht auf Wahrheit beruht.

Die Kirche verdammt Niemanden, auch nicht die im Banne Stehenden, sondern überlässt das Gericht hierüber Dem, dem es alleine zukommt dem allgerechten Gott.

Und wenn die Kirche niemanden verdammt, so darf es schon längst kein Historiker tun.

Dieser hat überhaupt nicht zu untersuchen, was aus einer Seele nach ihrem Hinscheiden geworden ist; aber was sie auf Erden getan, ja wie sie aus dieser Welt geschieden – das zu untersuchen, ist Sache der historischen Kritik.

Jedermann wird uns das Zeugnis geben müssen, dass wir in unserm konkreten Falle diese Kritik möglichst objektiv und unter absoluter Fernhaltung einer auf die Volksmassen berechneten Tendenz geübt haben.

Aber wir halten es an der Zeit, unsern unruhigen Gegnern zu eröffnen, dass, wenn sie ihr konfessionelles Gehetze gegen den katholischen Glauben und gegen die kirchenpolitischen Rechte, welche sich die deutschen Katholiken nach den schwersten Opfern endlich wieder zurückerobert haben, nicht einstellen, man leicht versucht sein könnte, einmal Repressalien zu üben und dem staunenden Volke einmal ein ganz naturgetreues Lutherbild vor Augen zu führen, wie es von katholischer Seite infolge von – vielleicht übertriebener – Rücksichtnahme auf protestantische Zeitgenossen seit 200 Jahren nicht mehr geboten worden ist.

Der letzte, in konfessioneller Hinsicht so überaus versöhnlich gehaltene gemeinsame Hirtenbrief unserer hochwürdigsten Bischöfe ist von protestantischen Versammlungen in Erfurt, Eisenach, Breslau usw. in wahrhaft empörender Weise behandelt worden und zwar von Leuten, welche angeblich die kirchliche „Freiheit“ auf ihre Fahne geschrieben haben !

Ne quid nimis ! (Nichts war zu viel, übertreibe nichts, d.h. man muss keine Sache übertreiben, Weisheitsspruch des Griechen Cheilon).

Wir unsererseits akzeptieren das Freiheits-Prinzip. In freier wissenschaftlicher Konkurrenz wollen wir allen andern „Kirchen“ gegenüberstehen; denn eine Kirche die bei echter Freiheit nicht in sich selbst zu bestehen vermag, kann nicht die Kirche Gottes sein.

Aber unsere Gegner wollen weder für uns, noch für sich selbst Freiheit haben, denn in beiden Fällen ist die Freiheit ihr Untergang.

Wir sind aber noch am Leben und werden die freigeborne Gottesanstalt auch fernerhin zu verteidigen wissen !


 

Anhang

(Seite 56 bis 100)

Inhalt

Wortlaut der „Historia“
Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches der„Historia“.
Leichenpredigt des Coelius.
Aus Sedulius, Ord. Minorum. Praescriptiones adversus haereses, Antverp. 1606.
Äußerungen katholischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts über Luthers Tod

 

Wortlaut der „Historia“.


 

Vom christlichen Abschied des ehrwürdigen

Herrn Dr. Martini Lutheri.


 

Phil. 1. V. 21.

(Philipper 1, Vers 21)

Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn.

Am 23. Tag' Januarii ist aus Erforderung der edelen und wohlgeborenen Grafen und Herren zu Mansfeld der ehrwürdige Herr Doctor Martinus Luther von Wittenberg ausgezogen, und die erste Nacht zu Bitterfeld gelegen.

Und ist aber die Erforderung Herrn Doctoris Martini von wohlgedachten Grafen aus der Ursachen geschehen, dass sich zwischen Ihren Gnaden viel und große Irrungen und Gebrechen etzliche Zeit her erhalten, daraus der Herrschaft Mansfeld allerley Weiterung zu befahren gewesen. Derhalben die Grafen semptlich Herrn Doctorem Martinum, als der aus Ihrer Gnaden Herrschaft, nehmlich von Eisleben, bürtig, gebeten, sich mit der Unterhandlung zu beladen, und zu fleißigen, so viel möglich, die Sachen zu vertragen und zu vergleichen. Wiewohl aber Herr Doctor Martinus sich in solche weltliche Händel einzulassen nicht gepflegt, sondern seines Berufs je und allwegen mit Predigen, Lesen, Schreiben und Anderm, wie männiglich bewußt, höchsten Fleißes gewartet, so hat er doch, seines Vaterlandes halben, damit dasselbige zu Einigkeit gebracht, Weiterung vorkommen, und die Grafen mit einander freundlich möchten versühnet und vertragen werden, diese Reise nicht weigern noch abschlagen wollen, ob es ihm wohl solcher Zeit zu reisen, und sich mit diesen Dingen zu beladen, ganz ungelegen, auch beschwerlich und wider seinem Gebrauch gewesen. Ist derwegen den Tag, wie ob stehet, von Wittenberg in dem Namen des Allmächtigen nach Eisleben gereiset.


 

Am 23. Tag des Jänners ist auf Forderung der edlen und wohlgeborenen Grafen und Herren zu Mansfeld der ehrwürdige Herr Doktor Martin Luther von Wittenberg aus weggezogen, und war die erste Nacht in Bitterfeld (zwischen Halle und Wittenberg / Sachsen Anhalt).

Die Bestellung des Herrn Doktor Martin ist von den klugen Grafen aber aus folgenden Gründen geschehen, nämlich weil sich zwischen Ihren gnädigen Herrschaften untereinander viele und große Uneinigkeiten und Missstände etliche Zeit lang gehalten haben, woraus für die Herrschaften Mansfelds allerlei unerwünschte Auswirkungen / unangenehme Folgen auszustehen / zu befürchten waren. Deshalb haben die Grafen sämtliches Herrn Doktor Martin - als der aus Ihrem gnädigen Herrschaftsbereich, nämlich aus Eisleben, kommende und auch gebürtige - übertragen und ihn gebeten, eine Unterhandlung aufzunehmen und sich zu bemühen, so viel wie ihm möglich sei, die Angelegenheiten vertraglich zu schlichten und zu vergleichen. Obwohl aber Herr Doktor Martin, sich in solche weltlichen Geschäfte einzulassen, es nicht gewohnt war, sondern seines Berufes wegen von jeher und immer mit Predigen, Lesen, Schreiben und anderem - wie jedermann weiß - mit höchstem Fleiß große Sorgfalt aufgewendet hat, so hat er doch seines Vaterlandes wegen, damit dasselbige zu Einigkeit gebracht werden kann, falls unerwünschte Auswirkungen vorkommen sollten und damit die Grafen miteinander freundlich versöhnt und vertragen werden mögen, diese Reise weder verweigern noch abschlagen wollen, obwohl es ihm zu solcher Zeit zu reisen und sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen ganz ungelegen kam, aber auch mühsam und entgegen seiner Gewohnheit gewesen war.

Deswegen ist er an dem Tag, wie es oben steht, im Namen des Allmächtigen von Wittenberg nach Eisleben abgereist.

Den 24. Tag Januarii ist er um eilf Uhr Vormittag zu Hall' einkommen, und bey Doctor Jonas zu Herberg gelegen.

Den 25., 26. und 27. Januarii ist er zu Hall' geblieben, verhindert durchs Wasser; und hat den 26. Tag, welcher war der Dienstag nach Conversionis Pauli (Bekehrung des Apostels Paulus am 25. Jänner), allda in unser lieben Frauen Kirchen gepredigt aus den Actis Apostolorum (Apostelgeschichte) von Pauli Bekehrung.

Auf den Donnerstag, welcher war der 28. Januarii, ist er von Hall' aus, sammt seinen drei Söhnen und Doctor Jonas, wahrlich mit etwas Gefahr, auf'm Kahn über das Wasser gefahren, daß er auch selbst sprach zu Doctor Jonas:

Lieber Doctor Jonas, wär' das dem Teufel nicht ein fein Wohlgefallen, wenn ich, Doctor Martinus, mit dreien Söhnen und euch, in dem Wasser ersöff ?“ und folgends nach Eisleben gereiset.

Und nachdem er auf der Gränz mit hundert und dreizehn Pferden angenommen vor Eisleben kam, wurd' er fast schwach im Wagen, also, daß man sich auch seines Lebens befahret. Doch als man ihn in der Herberge mit warmen Tüchern gerieben, aß und trank er den Abend und war zufrieden, klagt' sich nicht mehr.

Aber zuvor auf dem Wagen, wie ihn die Krankheit anstieß, sagt' er:

Das thut mir der Teufel allweg, wenn ich etwas Großes vorhab und ausrichten soll, daß er mich zuvor also versucht und mit einer solchen Tentation (Versuchung zum Bösen) angreift.“

Von dem 29. Tag Januarii an bis auf den 17. Tag Februarii inclusive ist er zu Eisleben gewesen in der Handlung*), und [hat] neben der Handlung vier Predigten gethan;

einmahl offentlichen vom Priester, so an dem Altar die Kommunion gehalten, die Absolution empfangen und zwier **) communicirt; und bey der andern Communion, nehmlich Sonntags am Tag Valentini, hat er zween Priester nach Apostolischem Brauch selbst ordiniert und geweihet.

*) Verhandlung. **) zweimal.


 

Am 24. Tag des Januar ist er um elf Uhr vormittags in Halle angekommen und hat bei Doktor Jonas eine Herberge (gastliche Aufnahme) erhalten.

Den 25., 26. und 27. Jänner ist er zu Halle geblieben, weil er durch das Wasser verhindert war (die Saale führte Hochwasser); und er hat am 26. Tag, welcher der Dienstag nach Conversionis Pauli (der Bekehrung des Apostels Paulus, wird heute am 25. Januar gefeiert) war, daselbst in der Kirche unserer lieben Frau (Maria) aus den Actis Apostolorum (aus der Apostelgeschichte) von der Bekehrung des Paulus gepredigt.

Am Donnerstag, welcher der 28. Januar war, ist er von Halle aus samt seinen drei Söhnen und Doktor Jonas - wahrlich mit etwas Gefahr verbunden - auf dem Kahn über das Wasser gefahren, sodass er selbst zu Doktor Jonas auch sprach:

Lieber Doktor Jonas, wäre das dem Teufel nicht ein feines Wohlgefallen, wenn ich - Doktor Martin - mit meinen drei Söhnen und euch, in dem Wasser ersöffe ?“ und folglich darauf ist er nach Eisleben gereist.

Und nachdem er an der Grenze - mit 113 Pferden empfangen - vor Eisleben ankam, wurde er fast schwach im Wagen (= Schwächeanfall), sodass man daher auch um sein Leben fürchtete. Doch nachdem man ihn in der Herberge mit warmen Tüchern gerieben hat, aß und trank er am Abend und war zufrieden und beklagte sich nicht mehr.

Aber zuvor auf dem Wagen, als ihn die Krankheit angeschlagen hat, sagte er:

Das macht der Teufel mit mir immer, wenn ich etwas Großes vorhabe und etwas ausrichten soll, so dass er mich daher zuvor versucht und mich mit einer solchen Tentation (Versuchung zum Bösen) angreift.“

Vom 29. Tag des Jannuar an bis zum 17. Tag des Februar inklusive (= einschließlich) ist er in Eisleben in der Verhandlung gewesen, und hat parallel neben der Verhandlung vier Predigten gehalten; einmal hat er offensichtlich vom einem Priester, der so am Altar die Kommunionsfeier gehalten hat, die Absolution

(= Lossprechung von den Sünden im Sakrament der Buße) empfangen und zweimal kommuniziert (= die Kommunion zweimal empfangen); und bei der anderen Kommunion, nämlich sonntags am Valentins-Tag, hat er nach apostolischem Brauch selbst zwei Priester ordiniert (= feierlich in ihr Amt eingesetzt) und geweiht.


 

Es sind auch von dem 28. Januarii an bis auf den 17. Februarii gar viel seiner tröstlicher Rede von ihm gehört, da er oft seines Alters, und daß er sich daheim, wenn er gen Wittenberg wieder kommen würde, zur Ruhe legen, gedacht hat; auch viel wichtiger, tröstlicher Sprüche der Schrift über Tisch, im Beiseyn der Grafen und unser Andern, die wir mit ihm zu Tisch saßen, ausgelegt, welche zu seiner Zeit sollen in einem sonderlichen *) Verzeichniß ausgehen.

Und sonderlich alle Abend, die ein und zwanzig (21) Tage durch, ist er aus der großen Stuben vom Tisch in sein Stüblein gangen um 8 Uhr, oder oft dafür **);

auch die Abend' alle eine gute Weil im Fenster gestanden, und sein Gebet zu Gott so ernstlich und so emsig gethan, daß wir, Doctor Jonas, Magister Celius, Ambrosius, sein Diener, Johannes Aurifaber Vinariensis (von Weimar), (nachdem wir still waren) oft etlich Wort gehöret, uns verwundert; darnach hat er sich aus dem Fenster umgewandt, fröhlich als hätte er aber ***) eine Last abgelegt, und gemeiniglich noch eine halbe Viertelstunde mit uns geredt, alsdann zu Bett gangen.

Auf den Mittwochen aber, den 17. Februarii, haben die Herren und Grafen, U.G.H. (unseren gnädigen Herrn) selb gebeten, und wir alle: er wollt vor Mittag nicht in die großen Stuben zu der Verhandlung gehen, sondern ruhen. Da hat er in seinem Stüblein auf einem ledern Bettlein gelegen, auch im Stüblein umgangen und gebetet;

nichts desto weniger aber, Abends und Morgens daniden ****) in der großen Stuben auf seinem Stuhl sich an Tisch gesetzt, und dasselbige Abendmahl zuvor ), als er den Morgen kurz vor drey Uhr seliglich in Gott verschieden ist, hat er viel wichtige Wort und Rede vom Tod' und künftigen ewigen Leben geredt; unter andern gesagt:

Ach lieber Gott, zwanzig Jahr ist eine geringe Zeit, noch ††) macht die kleine Zeit die Welt wüst; wenn Mann und Weib nicht nach Gottes Geschöpf †††) und Ordnung zusammen kämen, wie gar ist's eitel Creatio !

*) besonderen **) früher. ***) abermals. ****) unten.

) bei dem Abendessen zuvor. ††) dennoch. †††) Schöpfung.

Es sind auch vom 28. Januar an bis zum 17. Februar von ihm gar viele seiner tröstlichen Reden gehört worden, da er oft seines (hohen) Alters und sich daheim zur Ruhe zu legen gedacht hat, wenn er wieder nach Wittenberg kommen würde;

auch viele wichtige, tröstliche Sprüche aus der Hl. Schrift hat er über den Tisch hinweg - im Beisein der Grafen und uns anderen, die wir mit ihm zu Tisch saßen - ausgelegt, welche zu seiner Zeit in einem besonderen Buch-Verzeichnis (Tischreden) ausgehen (= gedruckt werden) sollen.

Und besonders an jedem Abend, die ganzen 21 Tage hindurch, ist er um 8 Uhr aus der großen Stuben vom Tisch weg in sein Stüblein gegangen, oder öfters auch davor / früher; er ist auch jeden Abend eine gute Weile am Fenster gestanden, und hat sein Gebet zu Gott dermaßen ernsthaft und so emsig verrichtet, sodass wir, Doktor Jonas, Magister Coelius, Ambrosius, sein Diener, Johannes Aurifaber von Weimar, (nachdem wir still waren) oft etliche Worte gehört haben, die uns verwundert haben; danach hat er sich am Fenster zu uns umgedreht, fröhlich - als hätte er abermals eine (schwere) Last abgelegt, und gewöhnlich mit uns noch eine halbe Viertelstunde geredet, alsdann ist er zu Bett gegangen.

Am Mittwoch aber, den 17. Februar, haben die Herren und Grafen, unseren gnädigen Herrn selbst gebeten, und wir alle: er möge vor Mittag nicht in die große Stube zur Verhandlung gehen, sondern (besser) ruhen. Da hat er in seinem Stüblein auf einem ledernen Bettlein gelegen, ist auch im Stüblein umher gegangen und hat dabei gebetet; trotzdem aber, hat er sich abends und morgens in der großen Stube unten / darunter auf seinen Stuhl zum Tisch hingesetzt, und beim selbem Abendmahl (tags) zuvor, als er morgens kurz vor drei Uhr früh selig in Gott verschieden ist, hat er viele wichtige Worte gesprochen und Reden vom Tod und vom zukünftigen ewigen Leben gehalten; unter anderem hat er gesagt:

Ach lieber Gott, zwanzig Jahre sind eine geringe Zeit,

dennoch macht bereits eine kleine Zeit die Welt wüst (= öde / hässlich);

wenn Mann und Weib nicht nach Gottes Schöpfung und Ordnung zusammenkämen,

wie gar sehr wäre das eine leere / vergebliche Creatio (= Schöpfung) !

 

Gott sammlet ihm sein christlich Kirch ein groß Theil aus den kleinen Kindern.

Denn ich gläube, wann ein Kind von einem Jahr stirbt, daß allezeit tausend oder zweitausend jährige Kinder mit ihm sterben.

Aber wenn ich, Doctor Martinus, drey und sechsziger sterb, so halte ich nicht, daß ihr'r sechszig oder hundert durch die Welt mit mir sterben, denn die Welt wird jetzund nicht alt. Wohlan, wir Alten müssen darum so lang leben, daß wir dem Teufel in den Hintern sehen; soviel Bosheit, Untreu, Elend der Welt erfahren, auf daß wir Zeugen seyn, daß der Teufel so ein böser Geist gewesen.

Menschlich Geschlecht ist wie ein Schaafstall der Schlachtschaaf' *).“

*) Wie ein Schaafstall, darin eitel (nutzlose) Schlachtlämmlein stehen. (Mathesius.)

Auch gedachte der Herr Doctor denselben letzten Abend über Tisch dieser Fragen, nehmlich: Ob wir in jener seligen, ewigen, künftigen Versammlung und Kirchen auch einander kennen würden. Und da wir fleißig baten des Berichts, da sprach er:

Wie thät Adam? Er hatt' Evam sein Lebtag nie gesehen, lag da und schlief.

Als er aber aufwachte, da saget' er nicht: Wo kommst du her? Was bist du? sondern:

Das Fleisch ist von meinem Fleisch, das Bein ist von meinen Beinen genommen.“

Woher wußt' er das, daß dies Weib aus keinem Stein gesprungen wäre?

Daher geschah es, daß er des heiligen Geistes voll und im wahrhaftigen Erkenntniß Gottes war. Zu dem Erkenntniß und Bild werden wir in jenem Leben wiederum in Christo erneuert, daß wir Vater, Mutter und uns unter einander kennen werden von Angesicht, besser, dann wie Adam und Eva.“

Nicht lang nach diesen Worten ist er aufgestanden und in sein Stüblein gangen, und sind ihm seine zween kleine Söhne, Martinus, Paulus, Magister Celius bald nachgefolget; hat er sich, seiner Gewohnheit nach, im Stüblein in das Fenster gelegt, zu beten. Ist Magister Celius wieder herabgegangen, und ist Johannes Aurifaber Vinariensis hinaufkommen; hat der Doctor gesagt:

Mir wird aber **) weh und bange, wie zuvor, um die Brust.“

**) wiederum.

Da hat Johannes gesagt: „Ich hab' gesehen, da ich der jungen Herren Präceptor (Lehrmeister / Erzieher) war, wenn ihnen um die Brust oder sonst übel ward, daß ihnen die Gräfinn Einhorn ***) gegeben hat; wollt' ihr's haben, will ich es holen.“

***) Narwalzahn.


 

Gott sammelt sich einen Großteil seiner christlichen Kirche aus den kleinen Kindern.

Denn ich würde glauben, wenn ein Kind im Alter von einem Jahr stirbt, dass dann immer / gewiss 1000 oder 2000 ein Jahr alte Kinder (zugleich) mit ihm sterben.

Aber wenn ich, Doktor Martin, als 63-Jähriger sterbe, so meine ich nicht, dass ihrer 60 oder 100 in der Welt (zusammen) mit mir sterben, denn die Welt wird gegenwärtig / jetzt nicht (besonders) alt. Wohlan denn (= nun gut), wir Alten müssen darum so lang (wie möglich) leben, sodass wir dem Teufel in den Hintern sehen (können); soviel Bosheit, Untreue, Elend haben wir von der Welt erfahren, auf dass wir Zeugen seien, dass der Teufel so ein (derart) böser Geist gewesen ist.

Das Menschen-Geschlecht ist wie ein Schafstall der Schlachtschafe *).“

*) Wie ein Schafstall, darin eitle (= nutzlose) Schlachtlämmer stehen. (nach Mathesius.)

Auch gedachte der Herr Doktor am selben letzten Abend zu Tisch dieser Fragen, nämlich: Ob wir in jener seligen, ewigen, künftigen Versammlung und Kirche auch einander kennenlernen würden.

Und da wir ihn unablässig um einen Bericht (= Auskunft) baten, da sprach er:

Wie / was täte Adam? Er hatte Eva sein Leben lang nie gesehen, er lag da und schlief. Als er aber aufwachte, da sagte er nicht:

Wo kommst du (denn) her? Was bist du?, sondern:

Das Fleisch ist von meinem Fleisch, das Bein ist von meinen Beinen genommen.“

Woher wusste er das, dass dieses Weib keinem Stein entsprungen ist?

Daher geschah es, dass er voll des heiligen Geistes war und in der wahrhaftigen Erkenntnis Gottes war. Bezüglich dieser Erkenntnis und dieses Bildes werden wir in jenem Leben wiederum in Christus erneuert, sodass wir Vater, Mutter und uns untereinander kennenlernen werden - von Angesicht zu Angesicht, (noch) besser als wie Adam und Eva.“

Nicht lange nach diesen Worten ist er aufgestanden und in sein Stüblein gegangen,

bald darauf sind ihm seine zwei kleinen Söhne, Martinus, Paulus und Magister Coelius nachgefolgt; dann hat er sich, seiner Gewohnheit nach, im Stüblein in das Fenster (Fensterbank) gelegt, um zu beten. Magister Coelius ist wieder hinuntergegangen, und Johannes Aurifaber von Weimar ist hinaufkommen; da hat der Doktor gesagt:

Mir wird abermals / wiederum weh und bange, so wie zuvor, nämlich um die Brust herum (= im Brustbereich = Brustverengung = Atembeschwerden).“

Darauf hat Johannes gesagt: „Ich habe - als ich von den jungen Herren Präzeptor (= Lehrmeister und Erzieher) war, wenn ihnen um die Brust herum oder sonst übel wurde - gesehen, dass ihnen die Gräfin Einhorn (= Narwalzahn-Pulver).gegeben hat; wenn ihr es haben wollt, dann will ich es holen.“

 

Hat der Doctor Ja gesagt. Indem ist Johannes, ehe er zur Gräfin gangen, eilend herunter gelaufen, und ruft Doctor Jonas und Magister Celio, die über zwey Vater

Unser lang nicht da gewesen, und schnell hinaufgelaufen.

Als wir hinauf kamen, hat er sich aber hart geklaget um die Brust; da wir von Stund' an, seinem Gebrauch nach, wie er daheim gepfleget, mit warmen Tüchern ihn wohl gerieben, das er empfand und sprach: ihm wäre besser.

Kam Graf Albrecht selber gelaufen mit Magister Johanne, brachten das Einhorn, und sprach der Graf: „Wie geht’s, o lieber Herr Doktor?“

Darauf der Doctor sprach: „Es hat keine Noth, gnädiger Herr, es beginnt sich zu bessern.“ Da hat ihm Graf Albrecht selb das Einhorn geschabet, und nachdem der Doctor Besserung fühlet', ist er wieder von ihm gangen, [und hat] seiner Räthe einen, Conrad von Wolframsdorf, neben uns, D. Jona, M. Celio, Johanne, Ambrosio, bey ihm gelassen. Da hat man auf's Doctor's Begehren das geschabt' Einhorn in einem Löffel mit Wein zwier (= zweimal) ihm eingegeben, da Conrad von Wolframsdorf zuvor selbst einen Löffel voll, damit der Doctor desto weniger Scheu hätt', genommen.

Da leget er sich ungefährlich (= nicht mit Gefahr verbunden) um neun Uhr auf's Ruhebettlein und sprach: „Wenn ich ein halb Stündlein könnt' schlummern, hofft' ich, es sollt' alles besser werden.“ Da hat er anderthalbe (= eineinhalb) Stund bis auf zehn Uhr sanft und natürlich geschlafen; sind wir, Doctor Jonas und Magister Michael Celius, sammt seinem Diener Ambrosio und seinen zween kleinen Söhnen, Martino und Paulo, bey ihm blieben.

Als er aber gleich in puncto zehn Uhr aufwacht', sprach er:

Siehe, sitzt ihr noch? möcht' ihr euch nicht zu Bett legen?“

Antworteten wir: „Nein, Herr Doctor ! Jetzt sollen wir wachen und auf euch warten.“

Mit dem begehrt' er auf; und stand auch vom Ruhbettlein auf, und ging in die Kammer hart an (= knapp neben) der Stuben, die mit Fenstern für aller Luft verwahret (= geschützt); und wiewohl er da nicht klaget', doch, da er über die Schwellen der Kammer ging, sprach er: „Walt's Gott, ich gehe zu Bett.

In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Domine, Deus veritatis.“

 

Darauf hat der Doctor Ja gesagt. Währenddessen ist Johannes, bevor er zur Gräfin gegangen ist, eilend heruntergelaufen und rief Doctor Jonas und Magister Coelio, die über zwei Vater Unser lang (kurze Zeit) nicht da gewesen waren, und sind schnell hinauf gelaufen.

Als wir hinauf kamen, hat er sich aber hart geklagt um die Brust; da wir von Stunde an, seinem Gebrauch nach, wie er daheim gepflegt, ihn mit warmen Tüchern wohl gerieben haben, das er so empfand und er sprach: ihm wäre besser.

Da kam Graf Albrecht selbst gelaufen - zusammen mit Magister Johannes, brachten das Einhorn mit, und der Graf sprach: „Wie geht es, o lieber Herr Doktor?“

Darauf sprach der Doktor: „Es hat keine Not (= Eile), gnädiger Herr, es beginnt sich zu bessern.“ Da hat ihm Graf Albrecht selber das Einhorn (zu Pulver) geschabt, und nachdem der Doktor eine (gewisse) Besserung fühlte, ist er wieder von ihm weggegangen, und hat einen seiner Räte, nämlich Conrad von Wolframsdorf, neben uns, Dr. Jonas, Magister Coelius, Johannes, Ambrosius, bei ihm (Luther) gelassen.

Da hat man auf des Doktors Begehren ihm das geschabte Einhorn in einen Löffel mit Wein zweimal eingegeben, da Conrad von Wolframsdorf zuvor selbst einen Löffel voll genommen hat, damit der Doktor weniger Abscheu davor hätte.

Da legte er sich - nicht mit Gefahr verbunden - um neun Uhr auf das Ruhebettlein und sprach: „Wenn ich ein halbes Stündlein schlummern könnte, würde ich hoffen, dass alles besser werden sollte.“ Da hat er eineinhalb Stunden bis zehn Uhr sanft und natürlich geschlafen; da sind wir, Doktor Jonas und Magister Michael Coelius, samt seinem Diener Ambrosius und seinen zwei kleinen Söhnen, Martin und Paul, bei ihm geblieben.

Als er aber in Hinblick auf zehn Uhr sogleich aufwachte, sprach er:

Siehe, ihr sitzt noch da? möchtet ihr euch nicht zu Bett legen?“

Darauf antworteten wir: „Nein, Herr Doktor ! Wir sollen jetzt wach bleiben und auf euch aufpassen.“

Darauf begehrte er auf und stand auch vom Ruhebett auf, und ging in die Kammer gleich neben der Stube, die mit Fenstern vor allem Luftzug geschützt ist; und wenn auch er darüber nicht klagte, so sprach er doch - als er über die Schwelle der Kammer ging: „Gott gebe es, ich gehe nun zu Bett.

In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Domine, Deus veritatis.

In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der Wahrhaftigkeit).“

Als er nun zu Bett ging, welches wohl zubereitet mit warmen Betten und Kissen, legt' er sich ein, gab uns allen die Hand und gute Nacht, und sprach:

Doctor Jona und Magister Celi und ihr Andern ! betet für unsern Herrn Gott und sein Evangelium, dass es ihm wohlgehe.

Denn das Concilium zu Trient und der leidige Pabst zürnen hart mit ihm.“

Da ist die Nacht bey ihm in der Kammer blieben Doctor Jonas, seine zween Söhne, Martinus, Paulus, sein Diener Ambrosius und andere Diener.

Diese ein und zwanzig Tag' hat man alle Nacht Licht in der Kammer gehalten; dieselbige Nacht aber auch das Stüblein lassen warm halten. Da hat er wohl geschlafen mit natürlichem Schnauben, bis der Zeiger eins geschlagen; ist er erwacht, und [hat] seinen Diener Ambrosium gerufen, ihm die Stube einzuheizen. Als aber dieselbige die ganze Nacht warm gehalten, und Ambrosius, der Diener, wiederkam, fragt' ihn Doctor Jonas, ob er wieder Schwachheit empfände? sprach er: „Ach, Herre Gott, wie ist mir so wehe ! Ach, lieber Doctor Jonas, ich achte, ich werde hie zu Eisleben, da ich geboren und getauft bin, bleiben.“

Darauf Doctor Jonas und Ambrosius, der Diener, geantwortet:

Ach, reverende Pater (= ehrwürdiger Vater)! Gott, unser himmlischer Vater, wird helfen durch Christum, den ihr geprediget habt.“ Da ist er ohne Hülfe oder Handleiten durch die Kammer in das Stüblein gangen, auch im Schritt über die Schwellen gesprochen, inmaßen er zu Bett' gangen, diese Wort:

In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Domine, Deus veritatis.“

In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der Wahrhaftigkeit).

Auch ist [er] einmahl oder zwier im Stüblein hin und wieder gangen; leget' sich hernach auf das Ruhebettlein, und klagt', es drück' ihn um die Brust sehr hart.

Aber doch schonete es noch des Herzen.

Da hat man ihn, wie er begehrt', und zu Wittenberg im Brauch gehabt, mit warmen Tüchern gerieben, und ihm Kissen und Pfuhl (= Polster) gewärmet; denn er sprach:

es hülf' ihm wohl, dass man ihn warm hielt.

 

Als er nun zu Bett ging, welches mit warmen Betten und Kissen wohl zubereitet war, legte er sich hinein, gab uns allen die Hand, sagte gute Nacht, und sprach:

Doktor Jonas und Magister Coelius und all ihr anderen ! Betet für (!) unseren Herr Gott und sein Evangelium, dass es ihm wohl ergehe.

Denn das Konzil zu Trient und der leidige Papst zürnen hart mit ihm.“

Darauf sind in der Nacht bei ihm der Doktor Jonas, seine zwei Söhne, Martin und Paul, sein Diener Ambrosius und noch andere Diener in seiner Kammer geblieben.

Diese 21 Tage lang hat man jede Nacht in der Kammer Licht gehalten (= brennen lassen); in derselben Nacht hat man aber auch das Stüblein (= Zimmer) warm halten lassen.

Da hat er gut geschlafen - mit natürlichem Schnauben (= Atmen), bis der Uhrzeiger eins geschlagen hat; da ist er aufgewacht, und hat seinen Diener Ambrosius gerufen, ihm die Stube einzuheizen. Als aber dieselbe die ganze Nacht lang warm gehalten wurde, und der Diener Ambrosius wiederkam, fragte ihn der Doktor Jonas, ob er (Luther) wieder Schwachheit empfindet? Da sprach dieser: „Ach, Herr Gott, es tut mir so weh! Ach, lieber Doktor Jonas, ich erachte / gedenke, ich werde hier zu Eisleben, wo ich geboren und getauft bin, bleiben.“

Darauf haben Doktor Jonas und Ambrosius, der Diener, geantwortet:

Ach, ehrwürdiger Vater ! Gott, unser himmlischer Vater, wird durch Christus helfen, den ihr gepredigt habt.“ Da ist er ohne fremde Hilfe oder Handbegleitung (= Stütze) durch die Kammer in das Stüblein (Zimmer) gegangen, und hat auch beim Schritt über die Schwelle, indem / während er zu Bett gegangen ist, diese Worte gesprochen:

In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Domine, Deus veritatis.

In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott

(= Gott der Wahrhaftigkeit).“

Auch ist er einmal oder zweimal im Stüblein hin und her gegangen; legte sich danach auf das Ruhebett, und klagte, es drücke ihn sehr hart um die Brust herum.

Jedoch verschonte es (der Schmerz) noch das Herz.

Da hat man ihn, so wie er es wünschte und zu Wittenberg in Brauch (= üblich) war, mit warmen Tüchern gerieben, und ihm Kissen und Polster gewärmt; denn er sprach:

es helfe ihm sehr wohl, dass man ihn warm hält.

Vor diesem Allen, und da der Doctor nun sich auf's Ruhebettlein gelegt, kam Magister Celius aus seiner Kammer, hart an (= neben) der unsern, gelaufen, und bald nach ihm Johannes Aurifaber. Da hat man ganz eilend den Wirth (= Hausherr), Johann Albrecht, den Stadtschreiber, und sein Weib aufgeweckt, dergleichen

(= genauso) die zween Medicos in der Stadt, welche alle (nachdem sie nahe wohneten) in einer Viertelstund gelaufen kamen.

Erstlich (= zuerst) der Wirth mit seinem Weibe, darnach Magister Simon Wild, ein Arzt, und Doctor Ludwig, ein Medicus; bald darauf Graf Albrecht mit seinem Gemahl (= mit Gemahlin), welche Gräfinn allerley Würz (= Wurzeln, Heilmittel) und Labsal mitbracht, und ohn' Unterlaß mit allerley Stärken *) ihn zu erquicken, sich befleißiget.

Aber in dem Allen sagt' der Herr Doctor: „Lieber Gott, mir ist sehr weh und angst;

ich fahr dahin; ich werde nun wohl zu Eisleben bleiben?“

*) Stärkungsmittel

Da tröstet' ihn Doctor Jonas und Magister Celius und sprachen: „Reverende Pater (ehrwürdiger Vater), rufet euern lieben Herrn Jesum Christum an, unsern hohen Priester, den einigen Mittler ! Ihr habt einen großen, guten Schweiß gelassen; Gott wird Gnade verleihen, daß es wird besser werden.“

Da antwortet' er und sprach: „Ja, es ist ein kalttodter Schweiß; ich werde meinen Geist aufgeben, denn die Krankheit mehret sich.“ Darauf fing er an und sprach:

O mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, du Gott alles Trostes, ich danke dir, daß du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum offenbart hast, an den ich gläube, den ich gepredigt und bekannt hab', den ich geliebet und gelobet hab', welchen der leidige Pabst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesu Christe, laß dir mein Seelichen befohlen seyn.

O himmlischer Vater, ob ich gleich diesen Leib lassen und aus diesem Leben hinweg gerissen werden muß, so weiß ich doch gewiß, daß ich bei dir ewig bleiben, und aus deinen Händen mich niemands reißen kann.“

Allen voran, und da sich der Doktor nun auf das Ruhebett gelegt hat, kam Magister Coelius aus seiner Kammer - neben der unseren gelegen - gelaufen und bald nach ihm Johannes Aurifaber. Da hat man ganz eilend den Hausherrn, Johann Albrecht, den Stadtschreiber und sein Weib aufgeweckt, genauso die zwei Ärzte der Stadt, welche alle (nachdem sie in der Nähe wohnten) innerhalb einer Viertelstunde gelaufen kamen.

Zuerst der Hauswirt mit seinem Weib, danach Magister Simon Wild, ein Arzt, und Doktor Ludwig, ein Doktor der Medizin; bald darauf Graf Albrecht mit Gemahlin, welche Gräfin allerlei Wurzeln (= Heilmittel) und Labsal mitbrachte und sich darum bemühte, ihn ohne Unterlass mit allerlei Stärkungsmitteln zu erquicken.

Aber zu dem Ganzen sagte der Herr Doktor vor allen:

Lieber Gott, ich habe sehr Weh und große Angst, ich fahre dahin (= zu sterben / verlorenzugehen); werde ich nun wohl in Eisleben bleiben?“

Da tröstete ihn Doktor Jonas und Magister Coelius und sie sprachen:

Ehrwürdiger Vater, ruft euren lieben Herrn Jesus Christus an, unseren hohen Priester, den einigen Mittler ! Ihr habt viel und gut geschwitzt; Gott wird Gnade verleihen, sodass es besser werden wird.“

Da antwortete er und sprach: „Ja, es ist (wahrlich) ein todeskalter Schweiß; ich werde meinen Geist aufgeben, denn die Krankheit nimmt überhand.“

Darauf begann er zu sprechen:

O mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, du Gott allen Trostes, ich danke dir, dass du mir deinen lieben Sohn Jesus Christus offenbart hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekennt habe, den ich geliebt und gelobt habe, welchen der leidige Papst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesus Christus, lass dir mein kleine Seele befohlen sein. O himmlischer Vater, wenn auch ich diesen Leib gleich verlassen und aus diesem Leben hinweg gerissen werden muss, so weiß ich doch gewiss, dass ich bei dir ewig bleiben werde, und mich aus deinen Händen niemand wegreißen kann.“


 

Weiter sprach er auch:

Sic deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret,

ut omnis, qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam.“

Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen / eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht / verloren gehe, sondern das ewige Leben habe.“ (Johannes 3, 16).

Und die Wort' aus dem acht und sechzigsten Psalm:

Deus noster, Deus salvos faciendi, et Dominus est Dominus educendi ex morte.“

Das ist Deutsch: Wir haben einen Gott des Heils, und einen Herrn Herrn, der mitten aus dem Tode uns führet *).

*) Psalm 68, 21.

Indem versucht' der Magister noch ein sehr köstliche Arzney, die er zur Noth allzeit in seiner Taschen hatte, des der Doctor einen Löffel voll einnahm. Aber er sprach abermahl: „Ich fahr dahin; meinen Geist werd' ich aufgeben.“

Sprach deshalb dreimahl sehr eilend auf einander:

Pater, in manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Deus veritatis.“

Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der Wahrhaftigkeit).“

Als er nun seinen Geist in die Hände Gottes, des himmlischen Vaters, befohlen hatte, fing er an still zu seyn. Man rüttelt' aber, rieb, kühlet' und rief ihm, aber er that die Augen zu, antwortet' nicht. Da strich Graf Albrecht's Gemahl und die Aerzte ihm den Puls mit allerley Stärkwassern, welche ihm die Doktorinn geschickt, und er selbst pfleget' zu gebrauchen.

Indem er aber so still ward, rief ihm Doctor Jonas und Magister Celius stark ein:

Reverende Pater (ehrwürdiger Vater), wollet ihr auf Christum, und die Lehre, wie ihr die gepredigt, beständig sterben?“ Sprach er, daß man es deutlich hören konnt': „Ja.“

Mit dem wandt' er sich auf die rechte Seiten, und fing an zu schlafen, fast ein Viertel Stunde, daß man auch der Besserung hoffet'. Aber die Aerzte und wir sagten alle: dem Schlaf wäre nicht zu vertrauen; leuchteten ihm mit Lichten fleißig unter das Angesicht.


 

Weiters sprach er auch:

Sic deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret,

ut omnis, qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam.“

Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen / eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht / verloren gehe, sondern das ewige Leben haben möge.“ (Johannes 3, 16).

Und darauf die Worte aus dem 68. Psalm:

Deus noster, Deus salvos faciendi, et Dominus est Dominus educendi ex morte.“

Unser Gott ist der Gott, um uns heil zu machen und auch ist der Herr der Herr, um uns aus dem Tod heraus zu führen / uns vom Tod zu erlösen (Psalm 68, 21).

Das ist Deutsch: Wir haben einen Gott des Heils, und einen Herrn Herrn, der mitten aus dem Tode uns führet.

Währenddessen versuchte der Magister noch eine sehr köstliche Arznei, die er für den Notfall immer in seiner Tasche hatte, von der der Doktor einen Löffel voll einnahm. Aber er sprach abermals:

Ich fahre dahin; meinen Geist werde ich aufgeben.“

Er sprach deshalb dreimal sehr eilend aufeinander:

Pater, in manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Deus veritatis.“

Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der Wahrhaftigkeit).“

Als er nun seinen Geist in die Hände Gottes, des himmlischen Vaters, befohlen hatte, fing er an ganz still zu sein. Man rüttelte ihn aber, rieb ihn, kühlte ihn und rief ihm zu, aber er schloss die Augen zu, und antwortete nicht mehr. Da strichen ihm Graf Albrecht's Gemahlin und die Ärzte die Schlagader (den Puls) mit allerlei stärkenden Wassern (Kraftwässerchen) ein, welche ihm die Doktorin geschickt hatte, und die er selbst zu gebrauchen pflegte.

Indem er aber so still wurde, riefen ihm Doktor Jonas und Magister Coelius laut zu:

Ehrwürdiger Vater, wollt ihr standhaft in Treue zu Christus und der Lehre, wie ihr diese gepredigt habt, sterben?“

Darauf sprach er, sodass man es deutlich hören konnte: „Ja.“

Damit drehte er sich auf die rechte Seite um und fing an zu schlafen, das fast eine Viertel-Stunde lang, sodass man auch auf eine Besserung hoffte.

Aber die Ärzte und wir sagten alle: diesem Schlaf wäre nicht zu trauen;

so leuchteten wir ihm fleißig mit Lichtern unter das Gesicht.

 

Indem kam Graf Hans Heinrich von Schwarzenburg sammt seinem Gemahl auch dazu. Nachdem bald erbleicht der Doctor sehr unter dem Angesicht; wurden ihm Füße und Nase kalt; thät ein tief, doch sanft Odemholen, mit welchem er seinen Geist aufgab, mit Stille und großer Geduld, daß er nicht mehr ein'n Finger noch Bein reget', und konnt niemands merken (das zeugen wir vor Gott auf unser Gewissen) einige Unruhe, Quälung des Leibes oder Schmerzen des Todes, sondern entschlief friedlich und sanft im Herrn, wie Simeon singet *).

*) Lucas 2, 29.

Daß wohl der Spruch Johannis am achten an ihm wahr ward:

Wahrlich, sag' ich euch, wer mein Wort hält, wird den Tod nimmermehr sehen ewiglich.“ Welcher Spruch Johannis 8, die letzte Handschrift ist, so er auch den Leuten zu Gedächtnis in Bibeln geschrieben, und dieselbige seine Handschrift [ist] gen Elrich Hans Gasmann, dem Hohnsteinischen Rentmeister (Finanzverwalter der grundherrschaftlichen Einnahmen von Hohnstein), zukommen, vorn in einer Hauspostill (religiöses Erbauungsbuch zur häuslichen Andacht).

Welchen Spruch der liebste herzliche Vater also ausgelegt:

Den Tod nimmermehr sehen.

Wie ungläubig ist doch das gered't, und wider die öffentliche und tägliche Erfahrung.

Dennoch ist es die Wahrheit. Wenn ein Mensch mit Ernst Gottes Wort im Herzen betrachtet, ihm gläubet und darüber einschläft und stirbet, so sinket und fähret er dahin, ehe er sich des Todes versiehet oder gewahrt wird, und ist gewiss selig im Wort, das er also gegläubet und betrachtet, von hinnen (von hier weg) gefahren.“

Unter dies war geschrieben:

Martinus Luther, Doctor. 1546. Geschehen am VII Tag Februarii.
 

Indessen kam Graf Hans Heinrich von Schwarzenburg samt seiner Gemahlin auch noch hinzu. Nach dem bald darauf erbleichte der Doktor im Gesicht gar sehr; es wurden ihm die Füße und die Nase kalt; er nahm einen tiefen, doch sanften Atemzug (= er holte Odem), mit welchem er seinen Geist aufgab, mit Stille und großer Geduldsamkeit, sodass er nicht mehr einen Finger noch ein Bein regte, und niemand konnte (das bezeugen wir vor Gott auf unser reines Gewissen) eine Unruhe, ein Leiden des Leibes oder Todes-Schmerzen bemerken, sondern er ist friedlich und sanft im Herrn entschlafen, so wie Simeon singt *).

*) Lucas 2, 29.

Auf dass wohl der Bibelspruch aus Johannes 8 an ihm wahr geworden ist:

Wahrlich, ich sage euch, wer da mein Wort hält, der wird den Tod ewiglich nicht mehr sehen.“ Dieser welcher Spruch aus Johannes 8 ist die allerletzte Handschrift, so hat er ihn auch den Leuten zum Gedächtnis in der Bibel niedergeschrieben, und dieselbe seine Handschrift hat er - adressiert an - Elrich Hans Gasmann, Finanzverwalter der grundherrschaftlichen Einnahmen von Hohnstein, zukommen lassen, vorne an in einer Haus-Postille (= religiöses Erbauungsbuch zur häuslichen Andacht). Diesen welchen Spruch hat der liebste herzliche Vater so ausgelegt:


 

Den Tod niemals mehr sehen.

Wie ungläubig ist doch das Gerede, und entgegen der öffentlichen und alltäglichen Erfahrung. Dennoch ist es die Wahrheit. Wenn ein Mensch mit Ernst Gottes Wort im Herzen betrachtet, ihm glaubt und darüber einschläft und stirbt, so sinkt und fährt er dahin, ehe er sich des Todes versieht oder dessen gewahr wird, und er ist gewiss im Wort selig, das er so glaubt und betrachtet, dahingeschieden.“

Unter diesem stand geschrieben:

Martin Luther, Doktor. 1546. So geschehen am 7. Tag des Februar.


 

Als er nun im Herrn verschieden, und Graf Albrecht, sein Gemahl, der von Schwarzenburg u.s.w. sammt uns erschracken, immer noch schrieen, man sollt' mit Reiben und Laben (Stärkung mit Arzneien) nicht ablassen, thät man alles, was menschlich und möglich war, aber es ward der Leib immer kälter und tödtlicher.


 

Und nachdem der todte Leib also auf dem Ruhebettlein bis in drei viertel Stund gelegen, machet man darneben von vielen Federbetten drey Unterbetten und Tücher oben, hart bey dem Ruhebett, darin man ihn hub, der Hoffnung, wie wir alle wünscheten und beteten, ob Gott noch wollt' Gnade geben.

 

Da kamen, ehe es Tag ward, um 4 Uhr, der Durchläuchte Hochgeborne Fürst und Herr, Herr Wolf, Fürst zu Anhalt, die Edlen, Wohlgebornen Grafen und Herren, Philippus, Johann Görg, Gebrüder, Graf Volrad, Graf Hans, Graf Wolf, auch Gebrüder, Grafen und Herren zu Mansfeld, und andere Herren auch vom Adel.

 

Auf dem Bette ließ man den Leib liegen von vieren an bis nach neunen, das ist, fünf ganzer Stunden. Da viel ehrlicher Bürger kamen, und den todten Leib mit heißen Thränen und Weinen ansahen; darnach kleidet' man ihn in einen weißen neuen Schwäbischen Kittel (mantelartiges Kleidungsstück), legt die Leich in die Kammer auf ein Bett und Stroh, bis so lang ein zienern Sarg gegossen, und er darein gelegt ward.

Da haben ihn in dem Sarg liegen sehen viel vom Adel, die ihn das mehrer Theil gekannt, Mann und Weib, etliche hundert, und ein sehr groß Anzahl Volks.

Den achtzehnten Februarii hat man die Leich in der Herberg, Doctor Trachstet's Hause, stehen lassen.

Als er nun im Herrn verschieden war, und Graf Albrecht von Mansfeld, seine Gemahlin, der Graf von Schwarzenburg u.s.w. samt uns erschraken, die wir immer noch (panikartig) schrien, man solle mit dem Reiben und der Stärkung durch Arzneien nicht aufhören, hätte man alles getan, was menschenmöglich gewesen wäre, aber der Leib wurde immer kälter und abgestorbener.

Und nachdem der tote Leib so auf dem Ruhebettlein bis zu einer dreiviertel Stunde gelegen hat, machte man daneben aus vielen Federbetten drei Unterbetten mit Tüchern oben drauf, direkt neben dem Ruhebett, in das man ihn hineingehoben hat, in der Hoffnung, wie wir alle wünschten und darum beteten, ob Gott doch noch Gnade zeigen wolle.

Da kamen, ehe es Tag wurde, um 4 Uhr früh, Seine Durchlaucht, der Hochgeborene Fürst und Herr, nämlich Herr Wolf, Fürst zu Anhalt, und die edlen, wohlgeborenen Grafen und Herren Philippus, Johann Görg, die Gebrüder Graf Volrad, Graf Hans, Graf Wolf, auch die anderen / übrigen Gebrüder, Grafen und Herren von Mansfeld, und auch andere / weitere Herren vom Adel.

Man ließ von vier Uhr früh bis nach neun Uhr den Leib auf dem Bett liegen, das sind fünf ganze Stunden, weil viele ehrenwerte / rechtschaffene Bürger herkamen, und den toten Leib mit heißen Tränen und Weinen ansahen; danach kleidete man ihn in einen weißen neuen Schwäbischen Kittel (= mantelartiges Kleidungsstück), legte die Leiche in die Kammer auf ein Bett mit Stroh, und das so lange bis ein Sarg aus Zinn gegossen und er darin hineingelegt wurde.

Da haben ihn in diesem Sarg viele vom Adel, die ihn größtenteils gekannt haben, Männer und Frauen, deren etliche hundert, und eine sehr große Anzahl des Volkes liegen gesehen.

Am 18. Februar hat man die Leiche in der Herberge, im Haus des Doktor Trachstet, stehen lassen.


Den neunzehnten Februarii um zwey Uhr nach Mittag hat man ihn nach christlichem Gebrauch mit großer Ehrwürdigkeit und geistlichen Gesängen in die Hauptpfarrkirchen zu St. Andres getragen. Da ihn Fürsten, Grafen und Herren, darunter auch Graf Gebhard mit seinen zwei Söhnen, Graf Jörgen und Christoffel,

gewesen sammt ihren Frauenzimmern, und einer sehr großen, trefflichen Anzahl Volks begleitet und nachgefolget.

Da hat Doctor Jonas bald, als die Leich in den Chor (= Chorhaus) gesetzt, eine Predigt gethan, welche excipirt ist. Erstlich, von der Person und Gaben Doctor Martini; zweytens, von der Auferstehung und ewigem Leben; Warnung den Widersachern, daß der Tod würde Kraft hinter sich haben wider des Satans Reich, über die Stelle aus Brief I Thessal. 4, 13 u.s.w. Da hat man die Nacht über die Leich' in der Kirchen stehen und mit zehen Bürgern bewachen lassen.

Als aber auf Erforderung unsers G. H. (gnädigen Herrn), des Churfürsten zu Sachsen, die Leich sollte gen Wittenberg gebracht werden, welche die Grafen und Herren zu Mansfeld auch gern bey sich in ihrer Herrschaft behalten, aber doch zu Gefallen dem Churfürsten haben folgen lassen, hat man auf den zwangigsten Tag Februarii, welcher war Sonnabend und Valentini, zu Früh' abereins eine Predigt gethan, die durch Magister Michael Celium geschehen, auf den Spruch Jesaiä 56, 1:

Justus perit et nemo considerat.

Jesaja 57 (nicht 56): Der Gerechte kommt um und niemand beherzigt / erwägt es.

 

Und folgends zwischen zwölfen und einem Schlage hat man ihn wiederum mit aller Ehrwürdigkeit und christlichen Gebräuchen und Gesängen aus der Stadt Eisleben geführt; da abermahls die obgedachten Fürsten, Grafen und Herren, und darneben Graf Gebhard mit zweien Söhnen, Graf Jörgen und Graf Christoffel, auch Grafen und Herren zu Mansfeld, sammt Graf Gebhards Gemahl und ihrem Frauenzimmer (wie dann dieselbigen zuvor bey dem Kirchgang auch gewesen) und eine große Anzahl Volks nachdächtig nachgefolget, und bis vor's äußerste Thor mit vielen Thränen und Weinen die Leich begleitet haben. Also ist man mit ihm diesen Abend bis gen Hall kommen.

Den 19. Februar um zwei Uhr nachmittags hat man ihn nach christlichem Brauch mit großer Ehrwürdigkeit und geistlichen Gesängen in die Hauptpfarrkirche von Sankt Andreas getragen. Da haben ihn Fürsten, Grafen und Herren, darunter auch Graf Gebhard mit seinen zwei Söhnen, Graf Jörg und Christoph, die samt ihren Frauenzimmern da gewesen sind, und eine sehr große, treffliche (= überragende) Anzahl vom Volk begleitet und sind nachgefolgt.

Dann hat Doktor Jonas bald darauf, als die Leiche in das Chorhaus (= Altarraum, nur für die Priester bestimmt) gesetzt wurde, eine Predigt gehalten, welche exzipiert

(= herausgenommen) ist. Erstens, von der Person und den Gaben / Begabungen des Doktor Martin; zweitens, von der Auferstehung und vom ewigem Leben; dann eine Warnung an die Widersacher, dass der Tod hinter sich eine (treibende) Kraft haben würde - entgegen dem Reich von Satan, dazu die Stelle im 1. Brief des Paulus an die Thessalonicher, Kapitel 4, Vers 13 u.s.w. Dann hat man die Leiche die Nacht über in der Kirche stehen und von zehn Bürgern bewachen lassen.

Als aber auf Anordnung unseres gnädigen Herrn, des Kurfürsten zu Sachsen, die Leiche nach Wittenberg gebracht werden sollte, welche die Grafen und Herren zu Mansfeld auch gerne bei sich in ihrer Herrschaft hätten behalten wollen, aber dann doch dem Kurfürsten zum Gefallen haben nachfolgen lassen, hat man am 20. Februar, welcher ein Sonntagabend und Valentinstag war, in der Früh noch einmal eine Predigt gehalten, die durch Magister Michael Coelius geschehen ist, nämlich über den Spruch aus Jesaja 56, 1:

Jesaja 57 (56 ist falsch, der Satz ist in Jes. 57): Justus perit et nemo considerat.

Der Gerechte kommt um und niemand beherzigt / erwägt es.

Und darauf folgend hat man ihn zwischen zwölf und Schlag eins Uhr wiederum mit aller Ehrwürdigkeit und christlichen Gebräuchen und Gesängen aus der Stadt Eisleben geführt; da sind abermals die oben genannten Fürsten, Grafen und Herren, und daneben Graf Gebhard mit seinen zwei Söhnen, Graf Jörg und Graf Christoph, auch die Grafen und Herren von Mansfeld, zusammen mit Graf Gebhards Gemahlin und ihrem Frauenzimmer (dieselben Frauen, wie sie auch zuvor bei dem Kirchgang dabei gewesen waren) und eine große Anzahl des Volkes andächtig nachgefolgt, und haben mit vielen Tränen und Weinen die Leiche / den Leichenzug bis vor das äußerste Stadttor begleitet. Und so ist man mit ihm diesen Abend bis nach Halle kommen.

Zu Eisleben, ehe diese Kirchenceremonien alle gebraucht, haben zween Mahler also das todte Angesicht abconterfeit (abgebildet); einer von Eisleben, dieweil (während) er noch im Stüblein auf dem Bett gelegen; der andere, Meister Lucas Fortennagel von Hall, da er schon eine Nacht im Sarg gelegen.

Als man ihn nun aus Eisleben führet', hat man auf dem Wege von Eisleben fast auf allen Dörfern geläutet, und [ist] das Volk aus den Dörfern zugelaufen, Mann, Weib und Kinder, und [haben] Zeichen eines ernstlichen Mitleidens gegeben.

Seind also vor fünf Uhr vor Hall kommen. Und da man etwas der Stadt genahet,

da sind auch heraus weit über den Steinweg Bürger und Bürgerinn entgegenkommen; und da man in die Stadtthor mit der Leich kommen, sind die beiden Pfarrherren, (nachdem der Superattendent, Doctor Jonas, der Leiche nachfuhr) St. Ulrich's und Mauritii, und alle Diener des Evangelii, auch ein Ehrbar Rath zu Hall, sammt einer großen Anzahl aller Rathspersonen, auch die ganze Schul, Schulmeister mit allen seinen Knaben, mit gewöhnlicher Leichceremonien und Gesängen entgegengangen; auch ein groß mächtig Volk, darunter viel ehrlicher Bürger, viel Matronen (würdevolle ältere Frauen), Jungfrauen, Kinder am äußersten Thor entgegenkommen mit solchem lauten Wehklagen und Weinen, daß wir es dahinten in dem letzten hintersten Wagen gehört.

Und als man bey St. Moritz in die Gassen den alten Markt hinaufgezogen, ist, wie auch auf der Brücken und im Thor, ein solch groß Gedräng um den Wagen der Leich und ander gewesen, daß man oft hat müssen in der Gassen und auf dem Markt still halten, und man sehr spat, fast halb sieben, in die Kirchen Unserer lieben Frauen zu Hall kommen ist.

In Eisleben haben - ehe diese Kirchenzeremonien alle beendet waren - zwei Maler alsdann das tote Angesicht abgebildet; einer (Cranach) aus Eisleben, während er (Luther) noch im Stüblein auf dem Bett gelegen hat; der andere, Meister Lucas Furtenagel aus Halle, als er schon eine Nacht im Sarg gelegen hat.

Als man ihn nun aus Eisleben führte, hat man auf dem Weg von Eisleben fast in allen Dörfern die Glocken geläutet, und das Volk ist aus den Dörfern zugelaufen gekommen, Männer, Weiber und Kinder, und sie haben Zeichen eines ernsten Mitleids (Beileidsbekundungen) gegeben.

So sind wir also vor fünf Uhr vor Halle angekommen. Und da man sich bereits ein wenig der Stadt näherte, sind von dort heraus - weit über den Pflasterweg hinaus - auch Bürger und Bürgerinnen entgegengekommen; und als man mit der Leiche durch das Stadttor gekommen ist, sind die beiden Pfarrherren (nachdem der Superintendent Doktor Jonas der Leiche hinterher gefahren ist) von St. Ulrich und Mauritius, und alle Diener des Evangeliums, auch ein ehrbarer Rat zu Halle, samt einer großen Anzahl aller Ratspersonen, auch die ganze Schule, der Schulmeister mit allen seinen Knaben, mit üblichen Leichenzeremonien und Gesängen entgegengegangen;

auch ein mächtig großes Volk, darunter viele ehrbare Bürger, viele Matronen (würdevolle ältere Frauen), Jungfrauen, Kinder am äußersten Tor mit solch einem lauten Wehklagen und Weinen entgegengekommen, sodass wir es nach hinten bis zum letzten hintersten Wagen gehört haben.

Und als wir bei St. Moritz in die Gasse den alten Markt hinaufgezogen sind, ist - wie auch auf der Brücke und beim Tor - ein solch großes Gedränge um den Wagen der Leiche und der anderen herum gewesen, dass man oft hat müssen in der Gasse und auf dem Markt still stehen / anhalten, und man sehr spät - erst um fast halb sieben Uhr - in der Kirche Unserer lieben Frau zu Halle angekommen ist.

Die Kirch aber zu Unserer lieben Frauen ist allenthalben sehr voll Volks gewesen, da sie den Psalm 130: Aus tiefer Noth, mit kläglicher, gebrochener Stimme mehr herausgeweint denn gesungen haben. Und wo es nicht so gar spat gewesen, hätt' man eine Predigt gethan. Und man hat also eilend die Leich in die Sacristey (Sakristei = Nebenraum in der Kirche) tragen lassen, und die Nacht mit etlichen Bürgern bewachen.

Des folgenden Morgens um sechs Schläge ward die Leiche wieder aus Halle mit Geläute, welches zuvor auch in allen Kirchen geschehen, und ehrlicher christlicher Begleitung bis vor das Thor abermahl, wie auf den Abend zuvor, bracht, mit Begleitung eines ganzen ehrbaren Raths, aller Prediger und der Schulen daselbst.

Von Hall ist die Leich gefahren auf den Sonntag den ein und zwanzigsten Februarii gen Bitterfeld, dahin auf den Mittag gebracht. Da auf der Gränz und auch im Städtlein die Verordneten (Beauftragten) unsers gnädigsten Herrn, des Churfürsten zu Sachsen, der Hauptmann zu Wittenberg, Erasmus Spiegel, zu Dieben, Gangloff von Heilingen, zu Brehne, Dietrich von Taubenheim, die zween Grafen und uns, so die Leich geleitet, angenommen und den Abend bis gen Kemberg gebracht haben;

da man dann, beide zu Bitterfeld und Kemberg, mit gewöhnlichen christlichen Ceremonien die Leich ehrlich angenommen und begleitet.

Des Montags, den zwei und zwanzigsten Februarii, haben die edlen und wohlgebornen Grafen und Herren, Graf Hans und Graf Hans Hoier, Grafen und Herren zu Mansfeld, (wie sie denn aus Eisleben ohngefährlich = ungefähr mit fünf und vierzig gerüsteten Pferden geritten) von Wittenberg an des Elsterthor die Leich bracht.

Da sind bald am Thor, wie das zuvor aus Churfürstlichem Befehl verordnet, versammlet gestanden Rector (Rektoren = kirchliche Leiter), Magistri und Doctores, und die ganze löbliche Universität, sammt einem ehrbaren Rath und ganzer Gemeine und Bürgerschaft.

Da sind die Diener des Evangelii und Schul mit gewöhnlichen christlichen Gesängen und Ceremonien der Leich vorgegangen, vom Elsterthor an, die ganze Länge der Stadt bis an die Schloßkirchen.

Die Kirche zu Unserer lieben Frau aber ist überall sehr voll von Leuten aus dem Volk gewesen, dort haben sie den Psalm 130 : „Aus tiefer Not“ (ist auch Luther-Lied) mit einer kläglichen und gebrochenen Stimme mehr herausgeweint als gesungen.

Und wenn es nicht allzu spät gewesen wäre, hätte man eine Predigt gehalten.

Und so hat man schnell die Leiche in die Sakristei (= Nebenraum in der Kirche) tragen lassen, und die Nacht über von etlichen Bürgern bewachen lassen.

Am folgenden Morgen um Schlag sechs Uhr wurde die Leiche wieder aus Halle mit Glockenläuten, welches auch zuvor in sämtlichen Kirchen veranstaltet wurde, und abermals mit ehrenhafter christlicher Begleitung bis vor das Tor gebracht, so wie am Abend zuvor - in Begleitung des ganzen ehrwürdigen Rates, aller Prediger und der Schulen daselbst.

Von Halle weg ist dann die Leiche am Sonntag den 21. Februar nach Bitterfeld gefahren worden, mittags wurde sie dorthin gebracht. Dort an der Grenze und auch im Städtlein haben die Beauftragten unseres gnädigsten Herrn, des Kurfürsten von Sachsen, nämlich der Amtshauptmann von Wittenberg, Erasmus Spiegel, in Dieben der Gangloff von Heilingen, in Brehna der Dietrich von Taubenheim, die zwei Grafen und wir, die wir die Leiche begleitet haben, diese entgegengenommen und am Abend bis nach Kemberg gebracht; dort hat man dann, beide - in Bitterfeld und in Kemberg, die Leiche mit den üblichen christlichen Zeremonien ehrwürdig entgegengenommen und begleitet.

Montags, den 22. Februar, haben die edlen und wohlgeborenen Grafen und Herren, Graf Hans und Graf Hans Hoyer, die Grafen und Herren von Mansfeld, (wie sie denn aus Eisleben mit ungefähr 45 gerüsteten / geschmückten Pferden geritten kamen) die Leiche von Wittenberg bis zum Elster-Tor gebracht.

Dort am Tor sind bald darauf, so wie das zuvor aus Kurfürstlichem Befehl verordnet wurde, Rektoren (= kirchliche Leiter), Magister und Doktoren, und die gesamte lobenswerte Universität, samt dem ehrenhaften Rat und der ganzen Gemeinde und der Bürgerschaft versammelt gestanden.

Da sind die Diener des Evangeliums und der Schule mit den üblichen christlichen Gesängen und Zeremonien der Leiche vorangegangen, vom Elster-Tor an, die Strecke der ganzen Stadt entlang bis hin zur Schlosskirche.

Vor der Leich sind geritten die obgemeldeten (oben genannten) Verordneten unsers gnädigen Herrn, des Churfürsten zu Sachsen, und obgemeldete zween junge Grafen und Herren zu Mansfeld, ohngefährlich (ungefähr) in die fünf und vierzig Pferde; und nächst nach dem Wagen, darauf die Leich gefahren, ist sein ehelich Gemahl, die Frau Doctorin, Katharina Lutherinn sammt etlichen Matronen auf einem Wäglein hinach (hinterher) geführt. Darnach sind seine drey Söhne, Johannes, Martinus, Paulus Lutheri, Jacob Luther, Bürger zu Mansfeld, sein Bruder, Jörg und Ciliax Kaufmann, seiner Schwester Söhne, auch Bürger zu Mansfeld, und andere der Freundschaft gefolget. Darnach Magnificus Dominus Rector (Magnifizenz Herr Rektor = Titel des obersten Vorstehers:) der Löblichen Universität mit etlichen jungen Fürsten, Grafen, Freiherren, so in der Universität Wittenberg Studii halben (wegen) sich enthalten. Darnach ist der Leich gefolgt D. Gregorius Brück,

D. Philippus Melanchthon, D. Justus Jonas, D. Pomeranus, D. Caspar Creutzinger,

D. Hieronymus, und andere älteste Doctores der Universität Wittenberg;

darauf alle Doctores, Magistri und ein ehrbarer Rath sammt den Rathspersonen; darnach der ganze große Haufe und herrliche Menge der Studenten, und darnach Bürgerschaft, dergleichen viel Bürgerinn, Matronen, Frauen, Jungfrauen,

viel ehrlicher Kinder, jung' und alt', alles mit lautem Weinen und Wehklagen.

In allen Gassen und auf dem ganzen Markt ist das Gedräng so groß und solche Menge des Volks gewesen, daß sich's billig in der Eil zu verwundern, und viel bekannt [haben], daß sie dergleich zu Wittenberg nicht gesehen.

Als man die Leich in die Schloßkirchen bracht, hat man dieselbige gegen den Predigtstuhl (= Kanzel) niedergesetzt; da hat man erst christliche Funebres Cantiones (= Bestattungslieder) gesungen; darnach ist der ehrwürdige Herr Doctor Pomeranus aufgetreten, und da vor etlich tausend Menschen gar eine christliche tröstliche Predigt gethan, welche auch wird an Tag gegeben werden.

Nach der Predigt Herrn Pomerani hat Herr Philippus Melanchthon aus sonderlichen herzlichen Mitleiden, und die Kirchen zu trösten, eine schöne Funebrem Orationem (= Grabes-Rede / Leichenrede) getahn, welche allbereit im Druck ist ausgangen, und hernach auch Deutsch wird ausgehen.
 

Der Leiche voran sind die oben genannten Beauftragten unseres gnädigen Herrn, des Kurfürsten von Sachsen, und die oben genannten zwei jungen Grafen und Herren von Mansfeld geritten, ungefähr an die 45 Pferde; und direkt danach der Wagen, auf dem die Leiche befördert wurde. Seine eheliche Gemahlin, die Frau Doktorin, Katharina - die Lutherin - ist zusammen mit etlichen Matronen (älteren Frauen) auf einem kleinem Wagen hinterher gefahren. Danach sind seine drei Söhne, Johannes, Martinus und Paulus Luther, sein Bruder Jacob Luther, ein Bürger zu Mansfeld, dann Jörg und Ciliax Kaufmann, die Söhne seiner Schwester, ebenfalls Bürger zu Mansfeld, und andere aus dem Freundeskreis gefolgt. Danach der Herr Magnifizenz Rektor (= Titel des obersten Vorstehers) der lobenswerten Universität zusammen mit etlichen jungen Fürsten, Grafen und Freiherren, die sich deswegen dem Studium an der Universität Wittenberg in dieser Weise enthalten haben.

Danach ist der Leiche Dr. Gregor von Brück (= Gregorius Henisch),

Dr. Philipp Melanchthon, Dr. Justus Jonas, Dr. Pomeranus, Dr. Caspar Creutziger,

Dr. Hieronymus und andere der ältesten Doktoren der Universität Wittenberg gefolgt; darauf alle Doktoren, Magister und der ehrbare Rat samt den Ratspersonen; danach der ganze große Haufen und die herrschaftliche Menge der Studenten, und danach die Bürger, dergleichen viele Bürgerinnen, Matronen, Frauen, Jungfrauen, viele ehrliche Kinder, junge und alte, und das alles mit lautem Weinen und Wehklagen. In allen Gassen und auf dem ganzen Markt ist das Gedränge so groß und solch eine große Menge des Volkes da gewesen, dass es (sich) zu Recht schnell / leicht zu verwundern ist und viele bestätigen konnten, dass sie dergleichen zu Wittenberg niemals zuvor gesehen haben.

Als man die Leiche in die Schlosskirche brachte, hat man dieselbe gegenüber dem Predigt-Stuhl / der Kanzel niedergesetzt; da hat man zuerst einleitend christliche Bestattungslieder gesungen; danach ist der ehrwürdige Herr Doktor Pomeranus aufgetreten und hat da vor etlichen tausenden Menschen eine gar sehr christliche tröstliche Predigt gehalten, welche auch am Tag darauf wiedergegeben wurde.

Nach der Predigt des Herrn Pomeranus hat Herr Philipp Melanchthon aus besonderen Gründen des herzlichen Beileids, und um die Kirche zu trösten, eine schöne Leichenrede / Grabes-Rede gehalten, welche bereits überall im Druck ausgegangen ist, und später auch auf Deutsch ausgehen / gedruckt wird.

Nachdem die Oratio (Rede) geendet, haben die Leich hingetragen etliche gelehrte Magistri, dazu verordnet, welche die Leich in das Grab gelassen und also zur Ruhe gelegt.

Und ist also das theure Organum (Organ / Instrument) und Werkzeug des heiligen Geistes, der Leib des ehrwürdigen Doctoris Martini alda (daselbst) im Schloß zu Wittenberg, nicht fern vom Predigtstuhl (= Kanzel), da er am Leben manniche gewaltige christliche Predigten vor den Chur- und Fürsten zu Sachsen und der ganzen Kirchen gethan, in die Erde gelegt, und, wie Paulus I Corinth. 15, 43 spricht: gesäet in Schwachheit, daß er aufgehe an jenem Tage in ewiger Herrlichkeit.

Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in Unvergänglichkeit.

Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich.

Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. (1 Korinth. 15, 43)

Zu einem solchen christlichen Abschied aus diesem elenden Leben helfe uns allen der ewige himmlische Vater, so gemeldeten Doctor Martinum zu dem großen Werk berufen hat, und unser Herr Jesus Christus, welchen er treulich gepredigt und zu dem bekannt, und der heilige Geist, der ihm wider Pabst und alle Pforten der Höllen solche sonderliche Freudigkeit, großen Muth und Herz durch seine göttliche Kraft in vielen hohen Kämpfen gegeben hat.

Wir, Doctor Justus Jonas, und Magister Michael Celius und Johannes Aurifaber Vinariensis (von Weimar), obgenannt, wie wir bey des löblichen Vaters seligem Ende gewesen sind von Anfang bis auf seinen letzten Odem (Atemzug), zeugen dies vor Gott und auf unser eigen letzte Hinfahrt und Gewissen, daß wir dieses nicht anders gehört, gesehen, sammt den Fürsten, Grafen, Herren, und Allen, die dazu kommen, und, daß wir es nicht anders erzählet, dann wie es allenthalben (an allen Enden = überall / allseits = durchgehend ) ergangen und geschehen.

Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, verleihe uns allen seine Gnade. Amen.

Nachdem die Rede beendet war, haben etliche gelehrte Magister die Leiche auf Anordnung dahin getragen, welche dann die Leiche in das Grab hinabgelassen und so zur Ruhe gelegt haben. Und so ist das teure Instrument (= Organ) und Werkzeug des heiligen Geistes, der Leib des ehrwürdigen Doktor Martin daselbst im Schloss von Wittenberg, nicht fern von jener Kanzel, wo er im Leben so manche gewaltige christliche Predigt vor dem Kurfürsten, den Fürsten von Sachsen und der ganzen Kirche gehalten hat, in die Erde gelegt worden, und - wie Paulus im 1. Brief an die Korinther (Kapitel 15, Vers 43) spricht:

Gesät in Schwachheit, auf dass er aufgehe an jenem Tage in ewiger Herrlichkeit.“

1. Kor. 15, 43: Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in Unvergänglichkeit.

Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich.

Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit.

Zu einem solchen christlichen Abschied von diesem elenden Leben helfe uns allen der ewige himmlische Vater, der den besagten Doktor Martin so zu jenem großen Werk berufen hat, und unser Herr Jesus Christus, welchen er getreulich gepredigt und zu dem er sich bekannt hat, und der heilige Geist, der ihm durch dessen göttliche Kraft - entgegen dem Papst und allen Pforten der Hölle – in vielen hohen / bedeutenden Kämpfen solch einen besonderen Frohsinn, großen Mut und auch Herz gegeben hat.

Wir, Doktor Justus Jonas, und Magister Michael Coelius und Johannes Aurifaber von Weimar, wie bereits oben genannt, die wir beim seligen Ende des löblichen Vaters von Anfang bis zu seinem letzten Atemzug dabei gewesen sind, bezeugen dies vor Gott und hinsichtlich unseres eigenen letzten Hinganges / Absterbens und unseres Gewissens, dass wir - zusammen mit den Fürsten, Grafen, Herren und allen, die dazu gekommen sind - dies alles nicht anders gehört und gesehen haben und dass wir es nicht anders erzählt haben, als wie es durchgehend (an allen Enden / allseits) hergegangen und geschehen ist.

Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, verleihe uns allen seine Gnade. Amen.


 



 

Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches der„Historia“.


 

Die Verfasser der „Historia“ hatten bei Herstellung ihres Berichtes ein doppeltes Ziel zu verfolgen.

Einmal mussten sie ein möglichst anziehendes Bild von einem überaus seligen Ende des „Reformators“ entwerfen, andererseits mussten sie aber auch Rücksicht nehmen auf die Gerüchte, welche über ein nichts weniger als harmloses und naturgemäßes Ende des „Gottesmannes“ bereits ins Publikum gedrungen waren.

Diese Gerüchte glaubte man am besten dadurch zu widerlegen, dass man einzelne Nebenumstände, die im Volke mit großer Bestimmtheit erzählt wurden, nicht ableugnete, sondern ihnen nur eine andere Deutung gab, um damit zugleich noch schlimmere Erzählungen zu dementieren (bestreiten / verneinen).

Liest man die „Historia“ genau durch, so wird man finden, dass in ihr folgende Tatsachen zugegeben werden:

  1. Luther ist unvermutet schnell verschieden.

  2. Man hat sehr spät nach den Ärzten geschickt.

  3. Die Hinzukommenden sind erschrocken und haben geschrien.

  4. Man hat durch Reiben usw. Wiederbelebungsversuche an dem bereits Entseelten angestellt.

  5. Dieser ist nicht auf seinem gewöhnlichen nächtlichen Lager, im Bett, verschieden.

  6. Man hat erst den toten Leib von einem ledernen Ruhebett d.h. einem Sofa mit mittelalterlichem Bettpfosten in ein schleunigst nebenan bereitetes Federbett, das dem Lebenden sonst nicht zur nächtlichen Lagerstätte diente, gelegt, dort den Hinzukommenden die Leiche gezeigt, und diese dann auf das Bett in der Kammer, wo der Entseelte sonst schlief, bis zum Eintreffen des Sarges geschafft.

    Es war also der Tod nicht auf der gewöhnlichen nächtlichen Ruhestätte des Verstorbenen erfolgt.


 

Das waren sechs Punkte, die im Publikum durch die Aufregung der Adeligen, der Diener, der Ärzte (der Apotheker, von dem der „Civis Mansfeldensis“ - der anonyme Mansfelder Bürger – sprach, wird in der „Historia“ nicht erwähnt) und vor Allen (allen voran) der Theologen selbst, bekannt geworden und welche nicht zu verschweigen waren.

Nun vergleiche man, in welcher gewaltsamen (zwanghaften / gekünstelten) und meist lächerlichen Weise ihnen die „Historia“ eine natürliche Erklärung zu geben versucht !

Wie einfach klären sie sich dagegen auf durch die Aussage, welche Luthers Diener später zu Protokoll gegeben hatte !

Wir wollen zunächst ganz absehen davon, dass der „Reformator“, nachdem er sein Übermaß Wein noch am Abend vor seinem Tode zu sich genommen hatte, wohl nicht Alles so gesprochen und „gebetet“ haben wird, wie es ihm von der „Historia“ in den Mund gelegt wird.

Aber man beachte die bis zur Minute genau angegebene Präzision, mit welcher das allen so unerwartet gekommene Absterben Luthers sich vollzogen haben sollte.

Es ist wie wenn jemand auf der Theaterbühne nach einem bestimmten Programme stürbe.

Und welches Glück Jonas und Genossen hatten ! Nachdem man weder durch Rütteln noch durch Reiben, weder durch Kühlen noch durch Zurufen eine Antwort mehr aus dem Sterbenden herausbekommen hat, da erhalten die Freunde eine Viertelstunde vor dem Tode doch noch einmal das Jawort und zwar ein deutliches1) !

1) Einige übereifrige Luther-Dichter haben ihn sogar zweimal „Ja“ rufen lassen.

Natürlich aber alle auf Grund derselben „Quelle“ der „Historia“.


 

Man beachte auch, dass der Todkranke in einer auffälligen Bewegung bleibt.

Um neun legt er sich aufs lederne „Ruhebettlein“ (Sofa) und schläft, „puncto zehn“ (um genau 10 Uhr) wacht er auf, erhebt sich und geht in sein anstoßendes (benachbartes) Schlafgemach, in die „Kammer“, und legt sich dort ins Federbett.

Um ein Uhr steht er hier wieder auf, geht zurück in das größere Zimmer und legt sich abermals auf das „Ruhebettlein“. Jetzt erst wird nach den Ärzten geschickt, die „nahe wohnten“, nachdem der Patient bereits um neun Uhr über „abermaliges Weh um die Brust“ (neuerliche Schmerzen im Brustbereich) geklagt hat !

Da gibt die Aussage des Dieners doch eine bessere Erklärung dafür, dass man so spät nach den Ärzten geschickt hat !

Auch ist dem „Civis Mansfeldensis“ zu glauben, dass die Ärzte erst nach dem Tode des „Kranken“ eingetroffen sind.

Auch über den auffallenden Umstand, dass Luther während der Nacht nicht in seinem gewöhnlichen Bett, sondern außerhalb desselben geendet ist, gibt die Erklärung des Dieners einen allein zureichenden Aufschluss, während das Hin- und Herlaufen, von dem die „Historia“ zu erzählen weiß, zumal (vor allem) bei einem „Gottesmann“ völlig unerklärbar ist.

Schließlich vergleiche man einmal das Verhalten, welches Luther im Jahre 1537 bekundete, als er wegen seines schweren Stein-Leidens, gleichfalls außerhalb Wittenbergs, sich dem Tode nahe fühlte, mit dem Gebahren (Verhalten), welches ihm die „Historia“ zuschreibt.

Damals (in Gotha) „beichtete“ der „Reformator“ bei seinem Reisegefährten Bugenhagen und empfing von ihm die „Absolution“ 1).

1) Nach Fabricius, Centifolium Lutheranum („100-blättrige“ - Lutherische Bibliographie), Hamburg 1728 Seite 497, war in Eisleben Coelius Luthers „Beichtvater“.

Er beauftragte denselben, „sein liebes Philippchen“ (Melanchthon) und seine anderen Kollegen um Verzeihung zu bitten, wenn er wider sie gesündigt hätte, ferner seiner „treuen Käthe“ (Katharina Luther), den Predigern und der Gemeinde zu Wittenberg, sowie dem Kurfürsten seinen letzten Gruß zu bringen und für seine Kinder so viel als möglich zu sorgen.

Von all' dem liest man in der „Historia“ keine Silbe. Dass die Verfasser derselben vergessen konnten, den sterbenden Luther seines „Weibes“ und seiner Kinder gedenken zu lassen, obschon (obwohl) wenigstens zwei seiner Söhne Zeugen seines Todes gewesen sein sollen, dass sie den „Gottesmann“ ohne „Beichte“ und „Absolution“ scheiden ließen, obgleich der „Beichtvater“ an seinem Sterbebett gestanden haben sollte, war von ihrem Standpunkte aus ein großer Fehler, der auch dadurch nicht gutgemacht wurde, dass sie am Schlusse ihres Berichtes versicherten, sie legten ihr Zeugnis ab „vor Gott“ sowie auf ihre „eigene letzte Hinfahrt und Gewissen“.

Schüler eines der größten Intriganten, die jemals den Frieden in der Christenheit gestört haben, Zöglinge eines Meisters, der seine Jünger offen zum Lügen anspornte, sobald der Zweck die Mittel „heilige“ 1), haben jedes Anrecht zu Berufungen auf ihr „Gewissen“ verloren.

1) „Si vim evaserimus, pace obtenta, dolos, mendacia ac lapsus nostros facile emendabimus“ (Luthers Brief an Melanchthon: „Wenn wir mit Gewalt entkommen sind, werden wir - durch den erhaltenen Frieden – die Täuschungsmittel / Arglist, die Lügen und unsere Fehler leicht wiedergutmachen.“) – diesen Rat gab Luther den Seinen, damit sie auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 Schein-Konzessionen den Katholiken machten.

(Chytraei hist. August. confess. Francof.1578 p. 295.) = Chyträus, Historia Confessio Augustana, Francoforti 1578 pagina 295 = Herausgeber: David Chyträus, Geschichte der Augsburger Konfession, Frankfurt 1578, Seite 295.

Zitat Luther: Nos hic persuasi sumus - ad papatum decipiendum omnia licere. =

Wir sind davon überzeugt - um das Papsttum zu täuschen / zu hintergehen, ist alles erlaubt.

Bei de Wette (IV. Seite 156) ist die Stelle schon um das Wort „mendacia“ (Lügen) purgiert (von Störendem befreit / gerechtfertigt). Die allergröbsten Lügen hielt Luther in dem Ehehandel Philipp's von Hessen nicht nur für erlaubt, sondern für geboten. Vergleiche Johann Baptist Rady,

Die Reformatoren in ihrer Beziehung zur Doppelehe des Landgrafen Philipp, Franfurt 1890.

Über das Verhalten Luthers in den sogenannten „Pack'schen Händeln“ (fiktive Bedrohung durch den Betrüger Otto von Pack) vergleiche „Histor. pol. Bl.“ (historisch politische Blätter) Band 104, Heft 1 fflgd.

 

Entsetzlich frevelhaft ist aber gar die Berufung auf ihre „eigene letzte Hinfahrt“.

Möglich zwar, dass sie auch von diesem Mittel glaubten, es könne durch seinen „guten“ Zweck geheiligt werden. Aber Gott hat anders geurteilt: Der Hauptverfasser der „Historia“, Jonas, hat eine „Hinfahrt“ gehabt, die nicht viel weniger schauerlich war, als die seines Meisters Luther.

Gleich diesem starb er (öffentlich verspottet von seinem Sohne, der in der Verbannung enthauptet wurde) in heller Verzweiflung und zeigte sich in seiner Gewissensangst so unempfänglich für jeglichen Trost der Theologen, dass ihn sein Bedienter erst zu einiger Fassung bringen musste 2).

2) Die Quellen hierüber bei Döllinger, „Reformation“ II, Seite 117.


 

 

Leichenpredigt des Coelius.

gehalten zu Eisleben am 20. Februar 1546.

Dieweil wir nu heute zusammen kommen seyn, durch Gottes Befehl und wohlhergebrachten alten Brauch der heiligen christlichen Kirchen, bey der Leiche des ehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Doctor Martin Luther's, in Gott selig verschieden, auf daß wir Ursach haben, solchen tödtlichen Abgang von Herzen zu beklagen und uns wiederum auch zu trösten, wollen wir zum Eingang dieses Sermons (Leichenrede) oder Predigt den Spruch Esaiä (von Esaias = Jesaja) für uns nehmen, da der Prophet am 56 Capitel (Kapitel 56 ist falsch, richtig ist Jes. 57) also sagt.
 

Jes. 57:

Der Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen nehme; und heilige Leute werden aufgerafft (weggerafft / aufgesammelt), und niemand achtet darauf. Denn die Gerechten werden weggerafft für (vor) dem Unglück; und die richtig für sich gewandelt haben, kommen zum Fried und ruhen in ihren Kammern.“
 

Diese Wort' hab' ich also zum Eingang dieses Sermons für mich genommen, wie gehört, nicht daß ich allerding (gänzlich) den Sinn oder Meinung des Propheten geben will, welcher in diesen und nähest vorgehenden Worten beschreibt die falschen und rechtschaffenen Lehrer der Kirchen: wer die seyn; was ihre Erungenschaft, Thun, Wesen und Ende sey; als nehmlich die falschen und unrechten Lehrer, sagt der Prophet, daß sie wohl Wächter seyn, das ist: sie sitzen in ordentlichem Amt der Kirchen, wie auch jetzund der Pabst, sein Cardinäl, Bischoff', Mönch' und Pfaffen; aber es sind blinde Wächter, die nichts wissen; keinen Verstand der Schrift, noch des Geheimniß der heiligen Evangelii haben; dazu sind sie stumme Hunde, die nicht strafen können; sind faul, liegen und schlafen gern. Aber es sind gleichwohl starke Hunde vom Leibe, die nimmer satt werden können, geitzen und raffen aller Welt Güter zusammen, daraus sie in aller Wollust leben, und endlich das höllische Feuer zu Lohne haben.

Aber die aufrichtigen und rechtschaffenen Lehrer, der'r einer auch dieser unser lieber Herr und Lehrer, Doctor Martin Luther, gewest ist, das sind gerechte, das ist:

die Gott in seinem Wort wahrhaftig erkannt, und die Gerechtigkeit des Glaubens,

so für Gott gilt, sampt den guten Werken, die er gebothen, lehren und predigen.

Und diese haben nicht viel guter Tage in der Welt, welche nicht ruhet, bis sie umkommen und aufgerafft (weggerafft) seyn. Als denn aber, schleußt (schließt) der Prophet, „kommen sie zum Frieden und ruhen in ihren Kammern“. Aber dies wollen wir also fahren lassen und zu diesem Mal, wie oben gehört, auf daß wir uns des Abschieds dieser Leiche annehmen, und, wie uns Paulus zu den Thessalonichern nachläßt (hinterlässt / vererbt), trauern, aber doch auch wiederum christlich trösten mögen. So will ich allein anzeigen: Was Doctor Martinus für ein Mann und Lehrer gewest; wie und warum er jetzund zu dieser Zeit im Herrn entschlafen;

und was nu endlich bis auf den Tag des Herrn sein Thun und Wesen sey.

Wenn man in der Welt einen Mann beschreiben oder loben will, so sagt man, was ehrlichs Geschlechts; wer seine Voreltern; was Standes, Würdens und Wesens er sey; was für gute Tugenden und Sitten er gehabt; wie er derselbigen gebraucht und sein Ende beschlossen habe. Und wer hierinnen (darin) einen guten Nahmen hat, das ist eine große Gabe Gottes, sonderlich (besonders) wo es recht gebraucht wird, und billig (recht), daß man Gott dafür danke.

Und wiewohl man des (dessen) viel auch von diesem theuren Mann sagen künde*), daß er, sampt seinem Geschlecht, vielleicht den Nahmen und Herkommen von Kaiser Luther**) haben; oder aber doch, wie es mit den Geschlechtern pflegt in der Welt zu gehen, daß sie im Ansehn steigen und fallen, wie auch David's Stamm zu Christi Zeiten gefallen war, daß ihm Esaias (Jesaja) einen alten dürren Ploch***) vergleichet, und nu dieses unseres lieben Herrn und Vaters Geschlecht auch nicht mehr in großem Ansehn ist. So weiß aber gleichwohl das diese Stadt Eisleben und das ganze Mannsfeldische Land, daß er von ehrlichen, frommen Eltern, allhie (hier an diesem Ort) zu Eisleben ehelich geboren, und als ein Christ getauft worden.

Und nach einem halben Jahr haben ihn dieselben seine Eltern zu Mannsfeld erzogen, da sie den mehren Theil (Großteil) ihres Lebens in Ehren zubracht.

Welch ein Leben sie auch allda (an diesem Ort / daselbst) beschlossen, und beide, Vater und Mutter, wie er, der liebe Mann Gottes, auch mir in meinen Händen mit seligem Bekenntniß ihres Glaubens und Anrufung göttliches Nahmens im Herrn entschlafen sein. Denen Gott ewiglich genade.

*) könnte

**) Lothar (Bekanntlich hat sich Luther aber anfänglich selbst „Luder“ geschrieben.

***) Block; mit Hindeutung auf Jes. 11, 1.

Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Spross hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. (= Der Messias kommt aus dem Hause David.)

Der vorhergehende Textabschnitt im heutigen Sprachjargon:

Weil wir nun heute zusammengekommen sind, durch Gottes Befehl und den althergebrachten (überlieferten) alten Brauch der heiligen christlichen Kirche, bei der Leiche des ehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Doktor Martin Luther, der in Gott selig verschieden ist, auf dass wir Grund dazu haben, diesen solchen tödlichen Abgang von Herzen zu beklagen und um uns wiederum auch gegenseitig zu trösten, so wollen wir eingangs dieser Leichenrede oder Predigt für uns den Spruch aus Jesaja herausnehmen, da der Prophet im 56. Kapitel (Kapitel 56 ist falsch, richtig ist Jes. 57) es so sagt:

Der Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen nimmt; und heilige Leute werden weggerafft, und niemand achtet darauf. Denn die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück; und die für sich recht gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Grabeskammern.“

Diese Worte habe ich also anfangs dieser Leichen-Predigt für mich verwendet, wie eben gehört, nicht dass ich gänzlich den Sinn oder die Meinung des Propheten wiedergeben will, welcher in diesen und den nächsten vorhergehenden Worten die falschen und die rechtschaffenen Lehrer der Kirche beschreibt: nämlich wer diese sind; was ihre Errungenschaft, ihr Tun, ihr Wesen und deren Ende ist; als dass die falschen und unrechten Lehrer - so sagt der Prophet - zwar Wächter sind, indem sie in einem ordentlichen Amt der Kirche sitzen, so wie auch jetzt momentan der Papst, seine Kardinäle, die Bischöfe, Mönche und Pfaffen (Pfarrer); aber es sind blinde Wächter, die nichts wissen; kein Verständnis von der Schrift, noch vom Geheimnis des heiligen Evangeliums haben; noch dazu sind sie stumme Hunde, die nicht strafen können (zu nichts taugen); sind faul, liegen herum und schlafen gern (Jes. 56, 10). Aber es sind zugleich starke Hunde bezüglich des Leibes, die niemals satt werden können, geizen und von aller Welt die Güter zusammenraffen, von daher leben sie in aller Wollust, und erhalten letztendlich dafür zum Lohn das Höllen-Feuer.

Aber die aufrichtigen und rechtschaffenen Lehrer, unter denen einer auch dieser unser lieber Herr und Lehrer Doktor Martin Luther gewesen ist - das sind Gerechte, die da sind: die Gott in seinem Wort wahrhaftig erkannt haben und die Gerechtigkeit des Glaubens - so wie sie für Gott gilt, samt den guten Werken, die Er geboten hat - lehren und predigen. Und diese haben nicht viele gute Tage in der Welt, welche solange nicht ruht, bis sie umgekommen und dahingerafft sind.

Dann aber, so schließt der Prophet den Bibel-Vers, „kommen sie zum Frieden und ruhen in ihren Grabeskammern“.

Aber dies wollen wir dabei belassen und dieses Mal gilt, wie bereits oben gehört, dass wir uns des Abschieds von dieser Leiche annehmen und - so wie uns das Paulus im Brief an die Thessalonicher hinterlässt – trauern mögen, aber doch auch dass wir uns wiederum gegenseitig christlich trösten mögen. Somit will ich allein darauf hinweisen: Was Doktor Martinus für ein Mann und Lehrer gewesen ist;

wie und warum er gerade jetzt zu dieser Zeit im Herrn entschlafen ist;

und was nun letztendlich bis zum Tag des Herrn sein Tun und Wesen sei.

Wenn man in der Welt einen Mann beschreiben oder loben will, so spricht man davon, wessen ehrlichen Geschlechts er sei (von welchem ehrwürdigen Geschlecht er abstammt); wer seine Vorfahren waren; welchen Standes, von welcher Würde (moralische Ehrbarkeit oder amtliche Würde) und welchen Wesens (Charakter) er ist; was für gute Tugenden und Sitten er gehabt hat, von denselben er Gebrauch machte und wie er sein Lebensende beschlossen habe (Todesart). Und wer darin einen guten Namen hat, für den ist es eine große Gabe Gottes, besonders wenn diese recht gebraucht wird, und es ist recht und billig, dass man Gott dafür danke.

Und wenn man auch von diesem teuren Mann viel darüber sagen könnte, nämlich auch dass er, samt seinem Geschlecht (Vorfahren), vielleicht den Namen und seine Herkunft von Kaiser Lothar her hat - oder aber doch, wie es mit den (alten) Geschlechtern in der Welt zuzugehen pflegt, dass sie im Ansehen steigen und fallen, so wie auch der Stamm Davids zur Zeit Christi gefallen war, sodass ihn Jesaja mit einem alten dürren Holzblock vergleicht, und nun dieses unseres lieben Herrn und Vaters (Luthers) Geschlecht auch nicht mehr in großem Ansehen steht.

So weiß das aber diese Stadt Eisleben und das ganze Land Mansfeld dennoch, dass er von ehrlichen, frommen Eltern hier an diesem Ort zu Eisleben ehelich geboren und als Christ getauft worden ist.

Und nach einem halben Jahr haben ihn dieselben seine Eltern zu Mansfeld erzogen, wo sie den Großteil ihres Lebens in Ehren zubrachten.

Welch ein Leben sie auch an diesem Ort / daselbst beschlossen haben, und beide, Vater und Mutter, wie auch er, der liebe Mann Gottes, sind bei mir in meinen Händen mit seligem Bekenntnis ihres Glaubens und unter Anrufung des göttlichen Namens im Herrn entschlafen. Gott sei Ihnen ewiglich gnädig.

So könnte man ihn auch viel seiner guten Tugenden halben rühmen; denn er Mässigkeit (Tugendhaftigkeit in allen leiblichen Genüssen) und Zucht (gute Sitten / züchtiges und gesittetes Benehmen) geliebet und gehalten hat; des (dessen) ihm mit Wahrheit niemand anders nachsagen kann. Aber von diesem und Anderm will ich Andere, die grössers Vermögens zu reden und zu schreiben seyn, sagen lassen, und zu diesem mal alleine anzeigen von seinem Ampte, dazu er von Gott berufen, das er in der Kirchen geführt, und was die heilige christliche Kirche an ihm gehabt habe, ein wenig euer' Liebe vermahnen (ermahnen).

Es soll niemand, der Gottes Wort und Wahrheit erkannt hat und liebet, daran zweifeln, daß dieser Mann des (dessen) selige Leiche wir noch allhie (hier an diesem Ort) vor unsern Augen sehen stehen, das Amt in der Kirchen geführt, welches zu seiner Zeit, Elias und Jeremias, Johannes der Täufer oder der Aposteln einer geführt haben. Denn ob diese wohl mit etzlichen sonderlichen (etlichen besonderen) Gaben vor ihm sind von Gott begnadet gewest, doch, so viel das Ampt belangt, ist er wahrhaftig zu unser Zeit ein rechter Elias oder Jeremias, und für dem großen Tage des Herrn Johannes, der Vorläufer, oder ein Apostel.

Denn wenn man je sagen muß, wer die Wahrheit bekennen will, daß [es] in der Kirchen eben gestanden, da Gott diesen Mann in sein Ampt erwecket und berufen hat, wie es stund (stand) zu'n Zeiten Eliä, Jeremiä, Johannis, und da die Aposteln von Gott zu predigen ausgesandt wurden. Die Schrift sagt: 1 B. d. Könige 18 (1. Buch der Könige 18). Daß zur Zeit des Propheten Eliä das ganze Israel von Gott abgefallen und dem abgöttischen Dienst Baal angehangen sey; daß auch Elias klaget: er sei alleine ein Prophet überblieben (übrig geblieben) in Israel; alle andere waren abgefallen und dienete einer diesem, der andern einem andern Gott;

der wahrhaftige Gott hatte nicht mehr denn einen einzigen Propheten;

Baal hatte ihr'r vier hundert und funfzig (450). So waren der Propheten des Hayns, die vom Tische Isebel aßen, auch vierhundert*).

*) 1 B. d. Könige 18, 19. (1. Buch der Könige 18, 19)

Also auch zur Zeit Jeremiä klaget Gott über sein Volk am 2 Capitel und sagt:

Ihr habt mein Erbe zum Gräuel gemacht; die Priester gedenken nicht, wo ist der Herr? Und die Gelehrten achten mein nicht, und die Hirten führen die Leute von mir, und die Propheten weissagen von Baal und hängen an den unnützen Götzen; ich muß mich immer mit euch und mit euren Kindeskinder schelten, spricht der Herr.

(Jer. 2,8 - 9)

 

So könnte man ihn auch vielfach wegen seiner guten Tugenden rühmen; denn er liebte die Mässigkeit (Tugendhaftigkeit in allen leiblichen Genüssen) und die Zucht (gute Sitten / züchtiges und gesittetes Benehmen) und hat dies auch gehalten;

über das ihm wahrhaft niemand etwas anderes nachsagen kann. Aber von diesem und anderem will ich besser andere Leute, die ein größeres Vermögen haben, zu reden und zu schreiben, sprechen lassen, und dazu diesmal einzig und allein auf sein Amt hinweisen, nämlich wozu er von Gott berufen wurde, das er in der Kirche führte / innehatte und was die heilige christliche Kirche an ihm gehabt hat, und auch ein wenig zu eurer Liebe ermahnen.

Es soll niemand, der Gottes Wort und die Wahrheit erkannt hat und auch liebt, daran zweifeln, dass dieser Mann, dessen selige Leiche wir immer noch hier an diesem Ort vor unseren Augen stehen sehen, das Amt in der Kirche führte, welches damals seinerzeit Elias und Jeremias, Johannes der Täufer oder etwa einer von den Aposteln geführt haben. Denn obwohl diese vor ihm von Gott mit etlichen besonderen Gaben begnadet gewesen sind, so ist jedoch er - so viel sein Amt belangt - zu unserer Zeit wahrhaftig ein rechter Elias oder Jeremias und vor dem großen Tag des Herrn wie der Johannes - der Vorläufer (Wegbereiter Jesu) - oder etwa gleich einem Apostel gewesen.

Denn wenn man jemals sagen muss, sofern wer die Wahrheit bekennen will, nämlich dass es in der Kirche genau so gestanden ist (beschaffen war), wo Gott diesen Mann in sein Amt erweckt und berufen hat, so wie es auch zu den Zeiten von Elias, Jeremias und Johannes stand (gegeben war) und wo die Aposteln von Gott ausgesandt wurden, um zu predigen. Die Schrift sagt im 1. Buch der Könige 18, dass zur Zeit des Propheten Elias das ganze Volk Israels von Gott abgefallen und dem abgöttischen Dienst Baal angehangen sei; und dass auch Elias klagte: er alleine sei in Israel als ein einziger Prophet übrig geblieben; alle anderen waren abgefallen und der eine diente diesem und der andere einem anderen Gott; während der wahrhaftige Gott nicht mehr als einen einzigen Propheten hatte; Baal hatte davon 450. Genauso zählten die Propheten des Hayns (Aschera) auch 400, welche vom Tisch Isebels aßen.

1. Buch der Könige 18, 19:

Isebel wird vorgeworfen, für die Ermordung zahlreicher Jahwe-Propheten verantwortlich zu sein, sodass sie zur Feindin von Elias wird. Als Elias durch ein „Gottesurteil“ klären will, wer denn die mehr als drei Jahre anhaltende Dürre verschuldet hat bzw. beenden kann, lässt er durch den Ehemann Isebels, nämlich Ahab, die Propheten verschiedener Glaubensrichtungen auf dem Berg Karmel versammeln. Elija spricht zu Ahab:

Wohlan, so sende nun hin und versammle zu mir ganz Israel auf dem Berg Karmel und die 450 Propheten Baals, auch die 400 Propheten der Aschera, die vom Tisch Isebels essen.“


So klagte Gott auch zur Zeit von Jeremias über sein Volk im 2. Kapitel und sagt:

Ihr habt mein Erbe zum Gräuel gemacht; die Priester gedenken meiner nicht und fragen: Wo ist der Herr? Und die Gelehrten achten meiner nicht, und die Hirten führen die Leute in Untreue von mir weg, und die Propheten weissagen im Namen Baals und hängen an ihren unnützen Götzen; immer noch muss ich mit euch und mit euren Kindeskindern hadern und sie tadeln, so spricht der Herr. (Jer 2,8 – 9)

 

Wie es aber in den Kirchen stund (stand) zur Zeit Johannis des Täufers, ist klar aus dem neuen Testament zu sehn; daß, ob nach der Babylonischen Gefängniß schon die Abgötterey nicht aufgerichtet wurde, wie zuvor, so hatte sich eben das Volk in Sekten zerspalten und waren Essäer (Essener), Pharisäer und Sadducäer, der'r jeglicher wollte besser seyn, denn der andere; verließ sich jeder Theil auf sein eigen gut Leben und, wie der Prophet saget, beteten an das Werk ihrer eigenen Hände*).

*) Jerem. 1, 16.

Daraus schreiet und klaget nun über alle Maße der Prophet Jeremias.

Elias aber tödtete auf einen Tag alle Baalitische Pfaffen**);

**) 1 B. d. Kön. 18, 40. 1. Buch der Könige 18, 40.

Johannes heißt sie Schlangen und Ottergezüchte***);

***) Matth. 3, 7.

greifen mit hohem Geiste in alles abgöttische Wesen, stoßen es um, und richten wiederum auf die reine Lehre von der Buße und Vergebung der Sünden, und lehren was ein rechtschaffener Gottesdienst sey.

Also, meine lieben Freunde, wie oben berührt, hat es noch leider gestanden in der heiligen christlichen Kirchen, jetzund in den letzten Tagen unter dem päbstischen Antichrist; da sind alle Irrthümer, Ketzerey, Secten und Abgötterey zusammen in eine Grundsuppen (schlammiger Bodensatz eines flüssigen Körpers = Grundübel) alles Gräuels geflossen, es ist kein rechter Verstand der heiligen Schrift gewesen, keine reine Lehre zu Trost der Gewissen gepredigt; Menschensatzungen (Menschen-Gebote, die dem göttlichen Gesetze widersprechen) sind über Gottes Wort gehalten; niemand hat gewußt, wie man Gott anrufen, weß man sich in Nöthen zu ihm versehen (sich vertrauensvoll an ihn wenden), was man doch thun oder wie man dienen sollte; Finsterniß haben bedeckt den ganzen Erdboden;

kein Licht hat geschienen in der Kirchen.

In Summa (in einem Wort zusammengenommen), wie der Prophet sagt am 34 Cap. v. 5. 6 (Kapitel 34, Vers 6 - 7):

Die Schaafe haben geirret, wie in einer Wüsten auf allen Bergen, da kein Hirt ist.“

Hesekiel 34, Vers 5: Da verliefen sie sich, denn sie hatten ja keinen Hirten, und fielen Raubtieren zum Opfer. So zerstreuten sich (Matthäus 9, 36) meine Schafe und irrten im ganzen Land umher, auf Bergen und Hügeln. Niemand fragte nach ihnen und niemand suchte sie.

Und auch wie Esaias am 53sten spricht: „ein jeglicher ist auf seinen Weg gewichen.“

Jesaja 53, 6: Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, / jeder ging für sich seinen Weg.

Doch der Herr lud auf ihn (Jesus) / die Schuld von uns allen.

Aber Gottes Weg, welchen die Schrift lehret, und Christus, der Sohn Gottes ist, den hat niemand gegangen. Und ist der Schade grösser, denn ihn jemand mit Worten erlangen mag.

Denn, wie zur Zeit Eliä nicht Gott, sondern Baal angerufen wurde, und Johannis des Täufers Zeiten alles voller Secten war, und eine der andere sich fürziehen wollt'; also hat man die verstorbenen Heiligen, ja auch wohl Holz und Steine, und wie man in unsrem Mannsfeldischen Lande erfahren, den Weidenstock, welchen sie Gedut genannt, und den guten Lupen (Lupus = Wolf), welches ein todter Hund sein soll, angerufen, und bey ihnen Trost und Hülfe gesucht, wie in andern Landen auch geschehen, und die starken Pfeiler der antichristlichen Kirche, die elenden Theologen zu Löwen (Stadt in Belgien), in ihren Artikeln noch bestätigen und erhalten wollen.


Wie es aber um die Kirche zur der Zeit des Johannes des Täufers stand, ist klar aus dem neuen Testament zu ersehen, als dass - obschon nach der Babylonischen Gefangenschaft die Abgötterei (Götzendienst) nicht aufgerichtet wurde, wie auch zuvor - sich das Volk eben in Sekten aufgespalten hatte und das waren die Essener, die Pharisäer und die Sadduzäer, von denen jeder besser sein wollte als der andere; jeder Teil verließ sich auf sein eigenes gutes Leben und - wie der Prophet sagte - sie beteten das Werk ihrer eigenen Hände an (Jeremias 1, 16).

Daher schrie und klagte nun der Prophet Jeremias über alle Maßen.

Elias aber tötete an einem Tag alle Baals-Priester (1. Buch der Könige 18, 40).

Johannes nennt sie Schlangen und Otter-Gezücht (Matthäus 3, 7).

Sie greifen mit hohem Verstand / mit hoher Denkart in jegliches Götzen-Wesen ein, stoßen es um und richten darauf wiederum die reine Lehre von der Buße und der Vergebung der Sünden auf, und lehren was ein rechtschaffener Gottesdienst sei.

So, meine lieben Freunde, wie oben angesprochen, war leider lange Zeit die Lage in der heiligen christlichen Kirche und so verhält es sich jetzt in den letzten Tagen unter dem päpstlichen Antichristen; da sind alle Irrtümer, jede Form der Ketzerei, Sekten und Götzendienst zusammen in eine Grundsuppe (schlammiger Bodensatz eines flüssigen Körpers / Grundübel) bestehend aus allen Gräueln geflossen, es ist kein rechter Verstand der heiligen Schrift vorhanden gewesen, keine reine Lehre zum Trost der Gewissen (Betroffenen) wurde gepredigt; Menschensatzungen (Menschen-Gebote, die dem göttlichen Gesetze widersprechen) sind über das Wort Gottes gestellt worden; niemand hat gewusst, wie man Gott anrufen soll, weswegen man sich in Nöten zu ihm versehen / sich vertrauensvoll an ihn wenden soll, was man tun oder wie man dienen sollte; Finsternis hat den ganzen Erdboden bedeckt; kein Licht hat in der Kirche geschienen.

In summa (= zusammenfassend / insgesamt) wie der Prophet im Kapitel 34, Vers 5 – 6, sagt:

Die Schafe haben geirrt, wie in einer Wüste auf allen Bergen, weil kein Hirte da ist.“

Hesekiel 34, Vers 5: Da verliefen sie sich, denn sie hatten ja keinen Hirten, und fielen Raubtieren zum Opfer. So zerstreuten sich (Matthäus 9, 36) meine Schafe und irrten im ganzen Land umher, auf Bergen und Hügeln. Niemand fragte nach ihnen und niemand suchte sie.

Und auch wie Jesaja im 53. Kapitel spricht: „ein jeglicher ist auf seinen (eigenen) Weg gewichen.“

Jesaja 53, 6: Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg.

Doch der Herr lud auf ihn (Jesus) die Schuld von uns allen.

Aber Gottes Weg, welchen die Schrift lehrt, und Christus, der der Sohn Gottes ist, den Weg hat niemand begangen. Und so ist der Schaden größer, als ihn jemand mit Worten zu beschreiben vermag.

Denn so wie zur Zeit des Eliias nicht Gott, sondern Baal angerufen wurde, und zu den Zeiten Johannes des Täufers alles voller Sekten war und sich eine der anderen vorziehen / überordnen wollte; so hat man die verstorbenen Heiligen, ja sogar sehr wohl auch Holz und Steine, und wie man in unserem Land Mansfeld erfahren hat, den Weidenstock, welchen sie „Gedut“ nannten und den „guten Lupen“ (Lupus = Wolf), welcher ein toter Hund sein soll, angerufen und bei ihnen Trost und Hilfe gesucht, so wie das in anderen Ländern auch geschehen ist, und was die starken Pfeiler der antichristlichen Kirche, die elenden Theologen von Löwen (Stadt in Belgien), in ihren Schriftstücken auch noch bestätigen und erhalten wollen.

So sehe man auch an die seltsamen und wunderlichen Secten, daß es zu Johannis Zeiten Kinderspiel gewesen gegen den wüsten Gräuel der Mönche und Nonnen, Cardinäl, Bischöfe und alles geistlichen Haufens; da es keiner mit dem andern gehalten, jede Sect einen eigenen Gott, ihre eigenen Werke, Regeln und Orden ausgeworfen, dadurch sie haben wollen selig werden. Und ist der Glaub' an Jesum Christum bey ihnen gar eine schlechte Sach gewesen; man müßte viel höher' und größer' Ding zur Seligkeit haben, denn der liebe Gottessohn gelehrt.

Also ist's in den Kirchen leider gestanden, wie es noch zu beweisen ist mit der That, wo der Pabst regieret, als lang (so lang) bis uns Gott vor seinem großen Tage den theuren Mann erwecket hat, der zu unsrer Zeit ein rechter Elias und Johannes gewest ist. Denn wie Elias zu seiner Zeit die Abgötterey angegriffen und niedergelegt (beendet / niedergeworfen), also hat Doctor Martin Luther auch den gewaltigen Abgott (Idol / falscher Gott) des päbstischen Ablasses angetastet und zu Boden geschlagen (niedergeschlagen). Und wie Elias die Paffen (Priester) des Baals getödtet, also hat der Mann Gottes mit dem Schwerdt göttliches Wortes die Meßpfaffen (priesterlichen Altardiener) und ihren Abgott (Götze / falscher Gott) umgestoßen.

Dagegen aber hat er, wie Johannes, der heilige Täufer, christliche und rechtschaffene Buße gelehret, und geprediget, wie und wodurch man zu rechter Erkenntniß der Sünde komme, wodurch man Vergebung der Sünden erlange, was rechtschaffene Früchte der Buße seyn, wie man Gott dienen und ihn anrufen soll;

und in Summa die Heilige Schrift, welche zuvor ein verschlossen und versiegelt Buch war, hat Gott durch ihn eröffnet, daß fint der Apostel Zeit sie mit solchem Verstand, wie jetzund, nicht ist gelesen worden.

So kann man auch an den seltsamen und wunderlichen Sekten erkennen, dass das zu den Zeiten von Johannes im Gegensatz zu dem wüsten Gräuel der Mönche und Nonnen, Kardinäle, Bischöfe und des ganzen geistlichen Haufens ein Kinderspiel gewesen ist, weil keiner zum anderen gehalten hat und jede Sekte einen eigenen Gott, ihre eigenen Werke, Regeln und Orden entworfen hat - allein dadurch wollten sie selig werden. Und der Glaube an Jesus Christus galt bei ihnen als eine gänzlich schlechte Sache, denn man müsse viel höhere und größere Dinge zur Erlangung der Seligkeit haben, als es der liebe Gottessohn gelehrt hat.

So ist es leider um die Kirche gestanden, wie es auch noch anhand der Tat zu beweisen ist, nämlich wo der Papst regiert, so lange bis Gott vor seinem großen Tag für uns den teuren Mann erweckt haben wird, der zu unserer Zeit ein rechter Elias und Johannes gewesen ist. Denn so wie Elias zu seiner Zeit den Götzendienst angegriffen und beendet / niedergeworfen hat, so hat auch Doktor Martin Luther den gewaltigen Abgott (Idol / falscher Gott) des päpstlichen Ablasses angetastet und niedergeschlagen. Und so wie Elias die Pfaffen (Priester) des Baals getötet hat, so hat auch der Mann Gottes mit dem Schwert des göttliches Wortes die Messe-Pfaffen (priesterlichen Altardiener) und ihren Abgott (Götze / falscher Gott) umgestoßen.

Er aber hat dagegen - wie Johannes, der heilige Täufer - die christliche und rechtschaffene Buße gelehrt und gepredigt, wie und wodurch man zu einer rechten Erkenntnis von der Sünde kommt und wodurch man eine Vergebung der Sünden erlangen kann, was rechtschaffene Früchte der Buße sind, wie man Gott dienen und wie man ihn anrufen soll; und in summa (= insgesamt) hat Gott durch ihn die Heilige Schrift eröffnet / offenbart - welche zuvor nur ein verschlossenes und versiegeltes Buch war, sodass er sie - wie zur Zeit der Apostel - mit solch einem Verstand gefunden hat, wie sie (die Bibel) jetzt und nie gelesen worden ist.

Denn da haben wir nu einen richtigen Unterscheid des Gesetzes und Evangelii;

was jedes sey, was es wirke; wie man seiner seliglich gebrauchen solle; welches gute Werk seyn; wie die Gott gefallen; warum man sich darinnen soll üben; was denselbigen durch Gottes Verheißung folge. Und ist dieser Verstand (Verständnis) auch den lieben Vätern, als Hieronymo (Hieronymus: Heiliger und Kirchenvater), Cypriano (Cyprianus: Heiliger und Bischof von Karthago), Tertulliano (Tertullian: früher christlicher Schriftsteller aus Karthago) und andern gar seltsam (selten) und theuer gewest, aber etzliche hundert Jahre unter dem Pabstthum ganz verfallen, daß man keinen beständigen Trost der Gewissen in Anfechtung (Angriffe / Versuchung) und Todesnöthen hat haben können. So die Mönche bei sterbenden Menschen gewest, und sie trösten sollen, haben sie dieselbigen auf Mariam geweist (verwiesen). Denn da hat man den Leuten vorgesungen und gesagt:

Maria, mater gratiae, mater misericordiae, tu nos ab hoste protege, in hora mortis suscipe,“ das ist: „Maria, die du bist eine Mutter der Gnad, und aller Barmherzigkeit, errette (beschütze) uns von unsern Feinden, und nimm uns auf in der Stunde des Todes,“ oder haben sie auf andere Heilige, ihre Orden und gute Werke geweiset, welches die lieben Heiligen nie begehret; und die Gewissen kein beständigen Grund gehabt, des sie sich hätten trösten mögen; sind endlich (letztendlich) in Verzweiflung ihrer Sünden gestorben.

Jetzund haben wir aber den großen und wahrhaftigen Grund, daß wir auf den Sohn Gottes, Jesum Christum, unsern lieben Herrn und Heiland, leben und sterben, singen mit dem lieben Simeon: Nunc dimittis servum tuum, Domine etc. secundum verbum tuum in pace = Nun lässt du deinen Knecht, Herr, gemäß deinem Wort / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. (dimittere: ausschicken, entlassen = vom Dienst entbinden). Lobgesang des Simeon. Martin Luther schuf ausgehend vom „nunc dimittis“ den Choral: „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“.

Mit Fried und Freud ich fahr dahin in Gottes Willen etc. Item (ebenso) wir singen mit dem lieben Stephano: Herr Jesu, nimm mein Geist auf zu dir, Apostelgesch. 7, 59. Gebet des heiligen Stephanus bei seiner Steinigung.

Und wissen mit S. Paulo, daß wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Röm. 14, 8. Ja, wer hat uns aber diese selige Kunst gelehrt, und den Grund angezeiget, dawider alle höllische Pforten nichts vermögen, daß aus Kreuz und Leiden Trost und Freude, aus dem Tod ein feiner, sanfter und sicherer Schlaf werden muß, wie man an unsern Leuten unter dem heiligen Evangelio, Gottlob, an so viel, beyde Jungen und Alten, fürnehmlich aber, wie wir hören werden, an diesem Manne Gottes erfahren und gesehen haben, daß keine Furcht des Todes an ihm gespürt wird, und etzliche mit Gesang, etzliche mit herzlicher Begierde und Anrufung göttlichen Namens und mit Freuden sich in den Tod begeben.

Denn hier haben wir nun einen richtigen Unterschied zwischen dem Gesetz und dem Evangelium, nämlich was jedes an sich ist und was es bewirkt; wie man davon selig Gebrauch machen / es verwenden soll; was gute Werke sind; wie sie bei Gott Gefallen finden, warum man sich darin üben soll; was denselben (guten Werken) durch die Verheißung Gottes nachfolgt. Und dieses Verständnis darüber ist auch den lieben Vätern, wie Hieronymus (Heiliger und Kirchenvater), Cyprianus (Heiliger und Bischof von Karthago), Tertullianus (früher christlicher Schriftsteller aus Karthago) und anderen selten und teuer gewesen, ist aber etliche hundert Jahre lang unter dem Papsttum ganz verfallen, sodass man bei einer Anfechtung (Angriffe / Versuchung) und in Todesnöten von gewissen Leuten keinen beständigen Trost hätte haben können. So sind die Mönche bei sterbenden Menschen gewesen, hätten diese auch trösten sollen, sie aber haben dieselben einfach auf Maria verwiesen.

Denn da hat man den Leuten vorgesungen und gesagt:

Maria, mater gratiae, mater misericordiae, tu nos ab hoste protege, in hora mortis suscipe,“ das heißt : „Maria, die du bist eine Mutter der Gnade, und aller Barmherzigkeit, errette (beschütze) uns von unseren Feinden, und nimm uns auf in der Stunde des Todes,“ oder sie haben auf andere Heilige, deren Orden und ihre guten Werken hingewiesen, was die lieben Heiligen selbst nie begehrt haben;

und die besagten Leute haben keinen beständigen (dauerhaften) Grund gehabt, dessen sie sich hätten trösten können, sondern sind letztendlich in Verzweiflung ihrer Sünden gestorben.

Jetzt haben wir aber einen großartigen und wahrhaftigen Grund, dass wir für den Sohn Gottes, Jesus Christus, unseren lieben Herrn und Heiland, leben und sterben, und mit dem lieben Simeon singen: Nunc dimittis servum tuum, Domine etc.

secundum verbum tuum in pace =

Nun lässt du deinen Knecht, Herr, gemäß deinem Wort / wie du gesagt hast,

in Frieden scheiden. (dimittere: ausschicken, entlassen = vom Dienst entbinden).

Lobgesang des Simeon. Martin Luther schuf ausgehend vom „nunc dimittis“ den Choral:

Mit Fried und Freud ich fahr dahin“.

Mit Fried und Freud ich fahr dahin in Gottes Willen etc. Ebenso singen wir mit dem lieben Hl. Stephan: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf zu dir, Apostelgesch. 7, 59. Gebet des heiligen Stephanus bei seiner Steinigung.

Und wir wissen durch den heiligen Apostel Paulus, dass wir leben oder sterben, so gehören wir dem Herrn. Röm. 14, 8.

Leben wir, so leben wir für den Herrn, sterben wir, so sterben wir für den Herrn.

Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.

Ja, aber wer hat uns diese selige Kunst gelehrt, und den Grund angezeigt, warum alle höllischen Pforten dagegen nichts vermögen (ausrichten können), nämlich dass aus dem Kreuz und dem Leiden heraus Trost und Freude entsteht, aus dem Tod ein feiner, sanfter und sicherer Schlaf werden muss, wie man es an unseren unter dem heiligen Evangelium stehenden Leuten, gottlob (Gott sei Lob und Dank), an so vielen, an beiden - Jungen und Alten, vornehmlich (vor allem) aber - wie wir hören werden - an diesem Manne Gottes erfahren und gesehen hat, dass an ihm keine Todes-Furcht gespürt (bemerkt) wurde, und etliche mit Gesang, wiederum etliche mit herzlicher Begierde (leidenschaftlichem Verlangen) und die sich durch die Anrufung des göttlichen Namens mit Freuden in den Tod begeben haben.

Freilich haben wir die Kunst nicht vom Pabst, welcher lieber wollte, daß wir noch auf seine Ablaßbrief' und Gnade stürben, und also ewig verdürben, allein, daß er sampt den Seinen, in Würden und Reichthum ein sanftes Epikurisches Leben (Epikureismus: Lust als das einzige wirkliche Gut) führen möchte. So lehren's die Bischöfe auch nicht, denn sie weder Prediger noch Kranke besuchen.

So wollten uns die Mönch' viel lieber in ihren Mönchskappen (Mönchskutte mit Kapuze) und auf die Orden begraben, denn daß wir auf Christum sterben; ihrenthalben (ihretwegen = wegen ihnen) würden wir den rechten Weg zum ewigen Leben nicht treffen.

Darum haben wir solches Gott, dem ewigen Vater unsers Herrn Jesu Christi, zu danken, der durch seinen heiligen Geist aus grundloser (selbstloser) Gnad' und Barmherzigkeit diesen seinen treuen Diener erleucht't und erwecket hat, der mit allem Fleiß und Treuen durch's Evangelium den Sohn Gottes geprediget, wie der der alten Schlangen (Teufel) den Kopf zutrete (zertrete), das ist (das heißt), vom Teufel und seiner Gewalt errette, und zum Tode saget: „Tod, wo ist nu dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Aber der Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz; Gott aber sey Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum !“ *)

*) 1 Cor. 15, 55. 1. Brief des Paulus an die Korinther 15, 55.

Dies ist's, das der Mann gelehret hat, und die Gläubigen daraus einen Muth fassen wider Sünde, Tod, Hölle und Teufel.

Wohlan ! Der Mann, welcher zu unseren Zeiten im Geist und Kraft Eliä gewandelt, auch ein Vorläufer vor dem jüngsten Tage, ein rechter Johannes gewest ist, der ist nu durch seinen letzten Abschied dahin, und [wir] werden ihn vor dem Ende der Welt nicht mehr sehen. Darum wir billig (zu Recht) auch, wie Elisa (= Elischa / Elisäus), der Prophet, klagen: „Mein Vater! mein Vater! Wagen Israel und seine Reuter (Reiter / Ritter)! **) und, mit den Jüngern Johannis ***), ihn mit allen Ehren, christlich zur Erden bestatten.

**) 2 B. d. Könige 2, 12.

2. Buch der Könige 2. 12:

2,11 Während sie miteinander gingen und redeten, erschien ein feuriger Wagen mit feurigen Pferden und trennte beide voneinander. Elija fuhr im Wirbelsturm zum Himmel empor.

2,12 Elischa sah es und rief laut: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und sein Lenker!

Als er ihn nicht mehr sah, fasste er sein Gewand und riss es mitten entzwei.

2,13 Dann hob er den Mantel auf, der Elija entfallen war, kehrte um und trat an das Ufer des Jordan.

2,14 Er nahm den Mantel, der Elija entfallen war, schlug mit ihm auf das Wasser und rief:

Wo ist der Herr, der Gott des Elija? Als er auf das Wasser schlug, teilte es sich nach beiden Seiten und Elischa ging hinüber.

***) Matth. 14, 12. Und seine Jünger kamen herbei, hoben den Leib auf und begruben ihn.

Und sie kamen und verkündeten es Jesus. (Kapitel: Der Tod des Täufers)

Wir sollen aber auch nicht unterlassen, mit dem Elisa nach dem Mantel dieses Eliä zu greifen; welches sind seine Bücher, die er auf Eingebung Gottes Geistes geschrieben und hinter sich verlassen; auf daß wir auch seines Geistes daraus empfahen (empfangen). Denn ob ****) er nach dem Leib gestorben, so lebt er aber nach seinem Geist, und in seinen Büchern.

*****) obgleich

Er wird auch, will's Gott, mit seinen Schriften nach seinem Tode des Pabst's Tod seyn, wie er (Luther) bei Leben seine Pestilenz gewest ist. Und mögen [wir] uns nu also zu denselbigen Büchern halten, sie lieb und werth haben (wertschätzen), die uns auf die heilige Schrift weisen, und Gott dafür danken.

Freilich haben wir diese Kunst nicht vom Papst, welcher lieber wollte, dass wir immer noch auf seine Ablassbriefe und seine Gnade hin sterben sollen und so für ewig verderben würden, allein dadurch, dass er samt den Seinen in Würde und Reichtum ein sanftes epikureisches Leben (Epikureismus: Lust als das einzige wirkliche Gut) führen möchte. So lehren es die Bischöfe auch nicht, denn sie besuchen weder die Prediger noch die Kranken.

So wollen uns die Mönche viel lieber in ihren Mönchskutten (mit Kapuze) und für die Orden begraben, als dass wir für Christus sterben; ihretwegen (wegen ihnen) würden wir den rechten Weg zum ewigen Leben nicht antreffen (finden).

Darum haben wir solch einem Gott, dem ewigen Vater unseres Herrn Jesus Christus, zu danken, der durch seinen heiligen Geist aus grundloser (selbstloser) Gnade und Barmherzigkeit diesen seinen treuen Diener erleuchtet und erweckt hat, welcher mit allem Fleiß und in Treue durch das Evangelium den Sohn Gottes gepredigt hat, wie dieser der alten Schlange (Teufel) den Kopf zertritt, das bedeutet, dass er uns vor dem Teufel und von seiner Gewalt errettet, und zum Tode sagt: „Tod, wo ist nun dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Aber der Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft der Sünde aber ist das Gesetz; Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat - durch unseren Herrn Jesus Christus !“ *)

*) 1. Brief des Paulus an die Korinther 15, 55.

Das ist es, das der Mann gelehrt hat, und damit die Gläubigen daraus Mut wider Sünde, Tod, Hölle und Teufel fassen können.

Wohlan ! Der Mann, welcher zu unseren Zeiten im Geist und in der Kraft von Elias wandelte, ist auch als ein Vorläufer vor dem Jüngsten Tag ein rechter Johannes gewesen, der ist nun durch seinen letzten Abschied dahin, und wir werden ihn vor dem Ende der Welt nicht mehr sehen. Darum klagen wir zu Recht auch wie der Prophet Elisa (= Elischa / Elisäus): „Mein Vater! mein Vater! Oh Wagen Israels und seine Reiter! **) und: die ihn mit den Jüngern von Johannes ***) mit allen Ehren christlich zur Erde bestatten.

**) 2. Buch der Könige 2. 12:

2,11 Während sie miteinander gingen und redeten, erschien ein feuriger Wagen mit feurigen Pferden und trennte beide voneinander. Elija fuhr im Wirbelsturm zum Himmel empor.

2,12 Elischa sah es und rief laut: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und sein Lenker!

Als er ihn nicht mehr sah, fasste er sein Gewand und riss es mitten entzwei.

2,13 Dann hob er den Mantel auf, der Elija entfallen war, kehrte um und trat an das Ufer des Jordan.

2,14 Er nahm den Mantel, der Elija entfallen war, schlug mit ihm auf das Wasser und rief:

Wo ist der Herr, der Gott des Elija? Als er auf das Wasser schlug, teilte es sich nach beiden Seiten und Elischa ging hinüber.

***) Matthäus 14, 12. Und seine Jünger kamen herbei, hoben den Leib auf und begruben ihn.

Und sie kamen und verkündeten es Jesus. (Kapitel: Der Tod des Täufers)

Wir sollen es aber auch nicht unterlassen, mit dem Elisa nach dem Mantel dieses Elias zu greifen; welcher seine Bücher sind, die er auf Eingebung des Geistes Gottes geschrieben und hinterlassen hat; auf dass auch wir daraus seinen Geist empfangen. Denn obgleich er gemäß dem Leib gestorben ist, so lebt er aber nach seinem Geist und in seinen Büchern weiter.

Er wird auch, so Gott will, nach seinem Tode mit seinen Schriften der Tod des Pabstes sein, so wie er (Luther) im Leben dessen Pestilenz gewesen ist. Also mögen wir uns nun an dieselben Büchern halten, sie lieb haben und wertschätzen, die uns auf die heilige Schrift verweisen und Gott dafür danken.

Und das sey gesagt, so viel das erst' Stück belanget, nehmlich, was Doctor Martin Luther gewest, und wofür man ihn ansehen und halten soll: als der unser'r Zeit Elias und Johannes gewest sey; nicht ein gemeiner (gewöhnlicher) Prediger, wie ich und meines Gleichen; sondern ein hoher und trefflicher (vortrefflicher) Mann, dadurch Gott seine Kirche wiederum gereiniget, und mit reiner Lehre und wahrhaftigen Gottesdienst begnadet hat.

Zum Andern wollen wir auch sagen und hören, wie er gestorben sey.

Denn er ist noch nicht begraben, auch nicht mehr denn einen Tag todt gewest und finden sich, wie mir fürkommt, bereit an*) Leute, die durch den bösen Geist getrieben, ausbringen (verbreiten) sollen, als hab' man ihn im Bette todt funden.

*) schon jetzt.

Nun trage ich nicht Zweifel, der, so von Anbeginn ein Lügener ist, wird noch mancherley mehr und geschwinder**) Lügen erdenken.

**) verderblicher. noch schneller.

Denn es [ist] ihm (Satan) nu nicht mehr um Doctor Luther zu thun; den hat Gott aus seinen Zähnen gerissen; er vermag an ihm nichts mehr. Aber um die Lehre ist's ihm nu zu thun; der wollte er gern Schaden thun und sie vertilgen (vernichten). Damit wir ihm aber begegnen, und die Gläubigen für (vor) Lügen verwahren (bewahren), so will ich, als einer, der bey seinem letzten Abschied, und nu drey Wochen Tag und Nacht bey ihm gewest, die Wahrheit seines Abschiedes hie an Gottes Statt und für Gott anzeigen.

Es hat, liebe Freunde, Doctor Martinus nicht erst die vergangene Nacht angefangen, zu sterben; sondern länger denn ein ganzes Jahr hat er immer gestorben; das ist:

mit Gedanken vom Tod' umgangen, vom Tode geprediget, vom Tode gered't, vom Tode geschrieben; wie er denn den Tag zuvor, ehe er sein Ende beschlossen, viel tröstlicher Sprüche aus seinem Pfalter (Haus- und Kirchenbuch), die er darein verzeichnet, gesprochen, sich damit zu trösten. Er hat Gott oft angerufen und gebeten, er wollte ihn, je eher je besser, aus dieser bösen Welt hinwegnehmen, er sey dieses Lebens überdrüß und müde. Er hat auch gebeten, wo es Gott wohlgefiele, daß er sich nicht lange auf dem Sterbebett' quälen müßte.

So fühlete er sich auch als einen alten, abgearbeiteten, schwachen Mann;

darum er oft gesagt: „Ich werde nicht lange mehr leben.“

Und sonderlich (insbesondere) kurz für (vor) seinem Ende redet' er noch die Worte:

Wenn mich der Pabst oder meine Widersacher in ihre Hände bekämen, und mir schon viel Leides anthun wollten, so bin ich zu schwach; ich stürbe bald in ihren Händen.“

Und das sei gesagt, so viel das Erstere belangt, nämlich, was Doktor Martin Luther gewesen ist und wofür man ihn ansehen und halten soll: für den Elias und er ist der Johannes unserer Zeit gewesen; nicht etwa ein gewöhnlicher Prediger, wie ich und meinesgleichen es sind, sondern ein hoher und vortrefflicher Mann, wodurch Gott seine Kirche wiederum gereinigt und mit einer reinen Lehre und wahrhaftigem Gottesdienst begnadet hat.

Zum anderen wollen wir auch sagen und hören, wie er gestorben ist.

Denn er ist noch nicht begraben und auch nicht mehr als einen Tag tot gewesen und schon jetzt finden sich - wie mir vorkommt - bereits Leute, die durch den bösen Geist getrieben, verbreiten sollen, dass man ihn im Bett tot vorgefunden hätte.

Nun hege ich keine Zweifel, dass der, welcher von Anbeginn so ein Lügner ist, sich noch mancherlei mehr und noch schneller / noch verderblicher Lügen ausdenken wird. Denn es geht ihm (Satan) jetzt nicht mehr um Doktor Luther, den Gott aus seinen Zähnen (seinem Rachen) gerissen hat; er kann ihm nichts mehr anhaben. Aber jetzt geht es ihm um die Lehre / macht er sich an die Lehre heran; dieser will er gerne Schaden zufügen und sie vernichten. Aber damit wir ihm entgegentreten und die Gläubigen vor Lügen bewahren, so will ich als einer, der bei seinem letzten Abschied und nun schon drei Wochen lang Tag und Nacht bei ihm gewesen ist, die Wahrheit seines Abschieds hier anstelle Gottes und für Gott anzeigen.

Es hat, liebe Freunde, Doktor Martin nicht erst vergangene Nacht zu sterben angefangen, sondern er ist länger als ein ganzes Jahr immerzu gestorben; das bedeutet: er ist mit Gedanken vom Tod umher gegangen, hat vom Tod gepredigt, vom Tod geredet, vom Tod geschrieben; so wie er denn auch am Tag zuvor, bevor er sein Ende beschlossen hat, viele tröstliche Sprüche aus seinem Pfalter (Haus- und Kirchenbuch), die er darin verzeichnet hat, gesprochen hat, um sich damit zu trösten.

Oft hat er Gott angerufen und gebeten, er wolle ihn - je früher umso besser - aus dieser bösen Welt fortnehmen, er sei dieses Lebens überdrüssig und müde.

Er hat auch darum gebeten, wenn es Gott wohlgefalle, dass er sich nicht lange auf dem Sterbebett quälen müsse.

So fühlte er sich auch - als ein alter, abgearbeiteter, schwacher Mann;

darum er oft gesagt: „Ich werde nicht mehr lange leben.“

Und insbesondere kurz vor seinem Ende redete er noch die Worte:

Wenn ich dem Papst oder meinen Widersachern in ihre Hände fallen würde und sie mir viel Leid antun wollten, so bin ich dazu zu schwach; (schon) bald würde ich in ihren Händen sterben.“

Also, wie er sich allenthalben (allerseits / bei jeder Gelegenheit) zum Tode wohlgerüstet (vorbereitet / gewappnet), hat Gott sein Gebet und Seufzen gnädiglich erhöret. Und wie er das Nachtmahl gehalten, und, hie zu Eisleben, aus der großen Stuben ins kleine Stüblein den 17. Februarii um 8 Uhr gangen, und, seiner Gewohnheit nach, ins (ans) Fenster gelegt (gelehnt), sein Gebet zu thun, hat es nicht lange gewähret; fing an und klaget', wie ihm um die Brust fast wehe würde.

Als *) rieb man ihn mit warmen Tüchern; man gab ihm auch von geschabtem Einhorn ein, mit Wein zu trinken; daß es wohl besser mit ihm wurde, und [er] sich nieder ins Ruhebettlein leget'. Da entschlief er, bis der Zeiger zehn schlug, und da (als) er erwacht', sprach er zu Doctor Jonas und mir, die wir auf ihn warteten:

Warum wir uns nicht möchten niederlegen?“ Aber wir gaben zur Antwort:

Es gebühret' uns jetzund, auf ihn zu warten.“

*) Also.

Da stund er auf, klaget' nichts sonderlichs mehr, und ging in die Kammer zu seinem Bette; und als er über die Schwelle schritt, sprach er:

In manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me Domine, Deus veritatis;“

das ist: „in deine Hände befehl ich dir meinen Geist; du hast mich erlöset, du treuer Gott.“ Und also legt er sich nieder zu Bett, gab uns gute Nacht und sprach:

Doctor Jona und Herr Michel (Coelius), betet für unsern Herrn Gott, daß ihm wohlgehe mit seiner Sache, und dem heiligen Evangelio. Denn die zu Trent im Concilio meinen's nicht gut mit ihm.“

Also schlief er wiederum ein, und ruhet' natürlich, wie man anders nicht vermerken konnte, bis der Zeiger nach Mitternacht Eins schlug. Da wachet' er auf und rief seinem Famulo (Diener), daß er ihm das Stüblein sollte warm machen; als aber dasselbe schon warm gehalten, richtet er sich auf, steigt aus dem Bett und saget:

O Doctor Jona, mir wird wehe; besorge (befürchte), ich werde nun wohl zu Eisleben bleiben.“ Und mitdem (damit) ging er wiederum ins Stüblein.

Und da er über die Schwelle schritt, sprach er aber wieder:

In manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me Domine, Deus veritatis.

(Deus veritatis = Gott der Wahrhaftigkeit)

Und als er einmal oder zwier (zwei) im Stüblein hin und wieder gangen, leget' er sich wieder aufs Ruhebettlein; und nahm die Krankheit je mehr und mehr überhand.

Alsobald rieben wir ihn wieder mit warmen Tüchern, und sandten so bald nach dem Wirth im Hause, beyden Stadtärzten; deßgleichen auch nach dem Edlen und Wohlgebornen Grafen und Herrn, Herrn Albrechten, Grafen und Herrn zu Mansfeld.

Und kam (da der Hochgelehrte Herr Doctor Jonas, ich, Michael Celius, Johannes Aurifaber, und sein Famulus, bey ihm von Anfang gewest waren) sobald der Wirth mit seinem Weib'; darauf der eine Arzt, bald der andere auch; und folgends Graf Albrecht samt seinem Gemahl.

So wie er sich allerseits (bei jeder Gelegenheit) für den Tod gewappnet (vorbereitet) hat, hat Gott sein Gebet und sein Seufzen gnädig erhört. Und als er das Nachtmahl gehalten hat, und - hier in Eisleben - am 17. Februar um 8 Uhr aus der großen Stube ins kleine Stüblein gegangen ist und sich seiner Gewohnheit nach ans Fenster lehnte, um sein Gebet zu verrichten, hat es nicht lange gedauert, dass er darüber zu klagen begann, nämlich wie es ihm um die Brust herum fast weh tun würde.

Also rieb man ihn mit warmen Tüchern; man gab ihm auch zusammen mit Wein von dem geschabten Einhorn zu trinken, damit es ihm besser gehe und er sich ins Ruhebettlein niederlege. Da schlief er bis der Zeiger zehn Uhr schlug, und als er erwachte, sprach er zu Doktor Jonas und zu mir, welche auf ihn warteten:

Warum möchten wir uns nicht niederlegen?“ Aber wir gaben zur Antwort:

Es gebührt (es gehört sich für) uns jetzt, auf ihn zu warten (aufzupassen).“
 

Da stand er auf, klagte über nichts Sonderliches mehr und ging in die Kammer zu seinem Bett; und als er über die Schwelle schritt, sprach er:

In manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me Domine, Deus veritatis;“

das ist: „in deine Hände befehle ich dir meinen Geist; du hast mich erlöst, du treuer (wahrhaftiger) Gott.“ Und so legte er sich zu Bett nieder, sagte uns Gute Nacht und sprach: „Doktor Jonas und Herr Michael (Coelius), betet für unseren Herrn Gott, dass es ihm wohlergehe mit seiner Sache und dem heiligen Evangelium.

Denn die in Trient beim Konzil meinen es mit ihm nicht gut.“

So schlief er wiederum ein und ruhte dabei ganz natürlich - wie man es nicht anders bemerken / feststellen konnte - bis der Zeiger ein Uhr nach Mitternacht schlug.

Da wachte er auf und rief nach seinem Diener, dass dieser ihm das Stüblein warm machen solle; als aber dasselbe bereits warm gehalten war, richtete er sich auf und stieg aus dem Bett und sagte:

O Doktor Jonas, es tut mir so weh; ich befürchte, ich werde nun wohl in Eisleben bleiben.“ Und damit ging er wiederum ins Stüblein.

Und als er über die Schwelle schritt, sprach er aber wieder:

In manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me Domine, Deus veritatis.

Und als er einmal oder zweimal im Stüblein hin und her gegangen ist, legte er sich wieder auf das Ruhebett; und da nahm die Krankheit immer mehr und mehr überhand. Alsbald rieben wir ihn wieder mit warmen Tüchern, und sandten bald darauf nach dem Wirt im Haus, nach den beiden Stadtärzten; desgleichen (ebenfalls zugleich) auch nach dem edlen und wohlgeborenen Grafen und Herrn, Herrn Albrecht, Graf und Herr zu Mansfeld.

Und da kam (anwesend waren der hochgelehrte Herr Doktor Jonas, ich, Michael Coelius, Johannes Aurifaber und sein Diener, die von Anfang an bei ihm gewesen waren) bald darauf der Wirt mit seinem Weib herbei; darauf der eine Arzt, bald auch der andere; und darauffolgend Graf Albrecht samt seiner Gemahlin.

Da wir ihn nu indeß, wie gesagt, mit warmen Tüchern gerieben, fraget' ich, ob er auch Linderung fühlet', antwortet' er: „Ja ! Die Wärme thut mir wohl; wärmet auch Küssen (Kopfkissen / Polster) auf mich; es drücket wohl hart, schonet mir aber noch des Herzens.“ Und als ich Michael Celius, fühlet', daß ihm des Hemde ganz naß war, sprach ich zu ihm: „Reverende (ehrwürdiger) Pater ! Ihr habt wohl geschwitzet, Gott wird Gnade geben, daß es besser wird;“ antwortete er: „Ja, es ist ein kalter Todtenschweiß, ích werde sterben, ich werde dahin fahren.“ Und indem man ihm einen Trunk Weins reichet auf sein Erfordern, und der eine Arzt ihm in einem Löffel eine Arzney eingab, fing er an:

Ich danke dir Gott, ein Vater unsers Herrn Jesu Christi, daß du mir deinen lieben Sohn hast offenbart, dem ich gegläubt, den ich geliebet, den ich geprediget, bekannt und gelobt habe, den der Pabst und alle Gottlosen schmähen und lästern.

Mein Herr Jesu Christe, laß dir mein Seelichen befohlen seyn.

O himmlischer Vater, ich weiß, ob ich schon von diesem Leib hinweg gerissen werde, daß ich bey dir ewig werde leben. „Sic Deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret, et omnis, qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam.“

Das ist: „Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen einzigen Sohn geben hat, auf daß alle die, so an ihn gläuben, nicht verlohren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3. v. 16). Er sprach auch weiter: „Deus noster, Deus salvos faciendi, tu es Deus, qui educis ex morte.“ Das ist: „Wir haben einen Gott, der da hilft und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet.“ (Ps. 68, 21.)

Als er nun fühlet', daß das Ende nicht fern war, sprach er dreymal:

Pater, in manus tuas commendo tibi Spiritum meum; Vater, in deine Hände befehle ich dir meinen Geist.“ Darauf schwieg er stille. Wir rüttelten aber ihn, und schrien Doctor Jonas und ich: „Reverende (ehrwürdiger) Pater, wollet ihr auch auf euern Herrn Jesum Christum sterben? und die Lehre, so ihr in seinem Namen gethan, bekennen?“ antwortet er: „Ja.“ Und wendet sich auf die rechte Seite, fing an eine halbe Viertelstunde zu schlafen. Und als wir dem Schlaf nicht vertraueten, sondern ihn mit Aqua vitä (Wasser des Lebens) und Rosenessig bestrichen und die Pulsadern rieben, als der Zeiger ein viertel Stund noch hatte auf drey Uhr frühe, und wir ihm unter Augen leuchteten, thät er ein'n tiefen Odem (Atem) holen, und hiemit gab er sanft und in aller Stille mit großer Gedult seinen Geist auf.


Da wir ihn nun indessen, wie gesagt, mit warmen Tüchern gerieben haben, fragte ich, ob er auch eine Linderung fühle, antwortete er: „Ja ! Die Wärme tut mir gut; wärmt für mich auch das Kopfkissen (Polster); es drückt sehr hart, schont aber noch / dennoch mein Herz.“ Und als ich - Michael Coelius - fühlte, dass ihm das Hemd ganz nass wurde, sprach ich zu ihm: „Ehrwürdiger Pater (Vater) ! Ihr habt gut geschwitzt, Gott wird Gnade geben (verleihen), sodass es besser wird;“ da antwortete er:

Ja, es ist ein kalter Todes-Schweiss, ích werde sterben, ich werde dahinfahren (dahinscheiden).“ Und indem man ihm auf sein Verlangen hin einen Trunk Wein (ein Wein-Getränk) reichte und der eine Arzt ihm mit einem Löffel eine Arznei eingab, begann er:


Ich danke dir Gott, ein Vater unseres Herrn Jesus Christus, dass du mir deinen lieben Sohn offenbart hast, dem ich geglaubt, den ich geliebt, den ich gepredigt, bekannt und gelobt habe, den der Papst und alle Gottlosen schmähen und lästern. Mein Herr Jesus Christus, lass dir mein Seelchen (kleine Seele) befohlen (anempfohlen) sein.


O himmlischer Vater, ich weiß, ob (auch wenn) ich schon von diesem Leib hinweg gerissen werde, dass ich bei dir ewig leben werde. „Sic Deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret, et omnis, qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam.“ Das heißt: „So (sehr) hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat, auf dass alle die, sofern sie an ihn glauben, nicht verloren (gehen) werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3. v. 16). Er sprach auch weiter: „Deus noster, Deus salvos faciendi, tu es Deus, qui educis ex morte.“

Das heißt: „Wir haben einen Gott, der da hilft und den Herrn Herrn (du Herr), der vom Tod errettet.“ (Ps. 68, 21.)


Als er nun fühlte, dass das Ende nicht mehr fern war, sprach er dreimal:

Pater, in manus tuas commendo tibi Spiritum meum; Vater, in deine Hände befehle ich dir meinen Geist.“ Darauf schwieg er still. Wir aber rüttelten ihn, und schrien - Doktor Jonas und ich: „Ehrwürdiger Pater, wollt ihr auch auf euren Herrn Jesus Christus sterben? und die Lehre, so wie Ihr sie in seinem Namen getan (gemacht) habt, bekennen?“ Da antwortete er: „Ja.“ Und er hat sich damit sich auf die rechte Seite gewendet (gelegt) und fing an, eine halbe Viertelstunde zu schlafen. Und weil wir diesem Schlaf nicht trauten, sondern ihn mit Aqua Vitae (Wasser des Lebens) und Rosenessig bestrichen und die Pulsadern rieben, als der Zeiger nur noch eine Viertelstunde bis drei Uhr früh hatte und wir ihm unter seine Augen leuchteten, holte er einen tiefen Odem (Atemzug), und hiermit gab er sanft und in aller Stille mit großer Geduld seinen Geist auf.


 

Und dies weiß Gott, für dem wir's auch auf unser Gewissen nehmen, und wollen's am Tage des Herrn geständig seyn und zeugen, daß [es] mit seinem Abschied also, und anders nicht, ergangen sey. Wie man dasselbige in einer Historia zusammen getragen, im Druck freylich wird reichlicher ausgehen lassen.

Das hab' ich nu nach der Länge erstlich darum erzählet, daß man dem Teufel und den Seinen ihren lügenhaftigen Rachen stille. Und da man anders, denn wie jetzund gehöret, davon reden wird, dass man dem nicht Statt noch Glauben gebe. Denn ich und Ander', so daneben gewesen, wollen deß' lebendige Zeugen seyn. Wer uns nu Glauben geben will, wohl gut; wer nicht will, der fahre hin (fort), lüge und trüge auf seine Ebentheuer (Abenteuer); er wird seinen Richter endlich wohl finden; ich weiß, Gottlob, dass ich der Wahrheit Zeugniß hierinnen geben hab' 1).

1) Vergleiche zu diesem Abschnitt der Rede das vorstehende Kapitel:

Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches der „Historia“.

Zum andern (andererseits), habe ich diese Geschichte auch wollen erzählen darum, daß wir uns auch lernen zu dem letzten Stündlein bereiten, und geschickt machen, wie sich dieser unser treuer Hirt und Lehrer bereitet hat. Denn ob wir wohl alle wissen, daß wir sterben müssen, so sind ihrer doch gar wenig, die sich dazu schicken und bereiten, daß sie sich mit Glauben willig darein begeben.

Darum wie wir von diesem Manne gehört, der ein großer Doctor der heiligen Schrift gewest, und mit viel Gaben für andern begnadet; noch*) ist er ein' lange Zeit mit eitel **) Todesgedanken umgegangen; hat die Sprüche der heiligen Schrift, so in Todesnöthen trösten, zusammen gezogen und im Herzen wohl bewogen; oft mit andern davon geredet; und indes doch seines Amts oder Berufs treulich gewartet. Darum ist er auch in die Stunde kommen, da er selbst noch nicht weiß, wie er gestorben, und gleich wie mit einem Schlafenden, der nicht weiß, wie und wenn er einschläft; also ist er auch zu dieser seiner seligen Ruhe kommen.

Und diese Kunst sollen wir auch aus dieser Geschicht lernen.

*) dennoch. **) lauter (rein); nichtig / leer / nutzlos.


 

Und dies weiß Gott, für dem wir es auch auf unser Gewissen nehmen, und wir wollen es am Tag des Herrn geständig sein (gestehen) und bezeugen, dass es mit seinem Abschied so und nicht anders ergangen (hergegangen) ist. Sowie man dasselbe in einer Historie zusammengetragen hat und im Druck freilich noch reichlicher ausgehen (verbreiten) lassen wird.

Das habe ich nun der Länge nach erstens darum erzählt, dass man dem Teufel und den Seinen ihren lügenhaften (verlogenen) Rachen stillt. Und da man darüber anders, als wie eben jetzt gehört, davon reden wird, dass man dem weder Statt (Platz) noch Glauben geben soll. Denn ich und andere, welche so (unmittelbar) daneben gewesen sind, wollen dessen (davon) lebendige Zeugen sein. Wer uns nun Glauben schenken will, wohl gut; wer das aber nicht will, der fahre damit fort, lüge und betrüge (weiterhin) auf seine Abenteuer (Eigenverantwortung); er wird wohl sicher letztendlich seinen Richter finden; ich weiß, gottlob, dass ich hierin (darin) von der Wahrheit Zeugnis gegeben habe 1).

1) Vergleiche zu diesem Abschnitt der Rede das vorstehende Kapitel:

Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches der „Historia“.

Zum anderen (andererseits) habe ich diese Geschichte auch darum erzählen wollen, dass wir auch lernen, uns für das letzte Stündlein (Todesstunde) vorzubereiten, und uns dafür geschickt (tauglich / bereit) zu machen, so wie sich dieser unser treuer Hirte und Lehrer vorbereitet hat. Denn obwohl wir alle wissen, dass wir sterben müssen, so sind ihrer doch gar wenige, die sich dazu anschicken und sich vorbereiten, nämlich dass sie sich mit dem Glauben willig darin (in diese Sache) hineinbegeben. Darum – wie wir von diesem Mann gehört haben, der ein großer Doktor der heiligen Schrift gewesen ist, und vor anderen mit vielen Gaben begnadet war, ist er dennoch eine lange Zeit mit lauter eitlen (leeren / nutzlosen) Todesgedanken umher gegangen; hat die Sprüche der heiligen Schrift, die in Todesnöten trösten sollen, zusammengetragen und im Herzen wohl abgewogen (bedacht); oft hat er mit anderen davon geredet; und hat indessen (währenddessen) dennoch sein Amt oder seinen Beruf getreulich ausgeführt (und dafür Sorge getragen). Darum ist er auch in diese (letzte) Stunde gekommen, da er selbst noch nicht weiß, wie er gestorben ist, und gleich wie mit einem Schlafenden, der nicht weiß, wie und wenn er einschläft, so ist auch er zu dieser seiner seligen Ruhe gekommen.

Und diese Kunst sollten auch wir aus dieser Geschichte lernen.


Und nachdem wir nu auf's Kurz't und Einfältigest gehört, wer Doktor Martin Luther gewest, wie er gestorben, und was wir daraus lernen sollen, daß es zu unser Seligkeit und christlichem Leben dienstlich und fruchtbar sey: so wollen wir nu zum dritten hören und bewegen, warum er so eben jetztund in dieser Zeit gestorben sey, da man seiner über alle Maaß sehr nöthig bedürft hätte in der christlichen Kirche, wider welche sich der Pabst mit seinem Tridentinischen Concilio und alle höllischen Pforten auflehnen, und das Wort der Wahrheit, so Gott durch seinen Diener und Apostel offenbart, gedenken zu dämpfen und unterzudrücken.

Es werden allhie ihr'r viel mancherley Ursachen fürwenden, seines Abschieds halber, und etliche sagen: „Ein alter Mann sollte um diese Zeit und in solcher Kälte nicht gereiset haben über Land; man sollt' ihn in diesen Sachen zu handeln verschont haben; wäre er zu Wittenberg blieben, hätte sich sonst oder so gehalten, er lebte wohl noch, ect. Es ist wahr; der Vernunft nach sind dies Gedanken und Rede, die man Etwas muß seyn lassen. Aber, wer ihnen nachfolget, den führen sie ins wilde Meer; und gleich wie dasselbige von Winden aufgetrieben, keine Ruhe nimmer haben kann, also lassen diese Gedanken in dem und andern Fällen einen Menschen zu keiner Ruhe noch Friede kommen.

Derhalben müssen wir allhie in unsern Kindern glauben, und sagen: Ich glaub' an Gott Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden. Welches nicht alleine zu verstehn als habe Gott Himmel, Erde und alle Creaturen geschaffen, sondern auch, daß er dieselbigen regiere und erhalte; ohn seinen Willen nicht ein Haar von unserm Haupt falle, wie Christus sagt Luc. am 21 v. 18, und David in 39 Psalmen v. 5. Herr lehre mich doch, daß ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. Also sagt auch Hiob am 14 v. 5 : Der Mensch hat seine bestimmte Zeit; die Zahl seiner Monden stehen bey dir; du hast ein Ziel gesetzt, das wird er nicht übergehen. Durch diese Worte führet uns der heilige Geist aus den Gedanken unserer Vernunft und hilft uns aus dem wilden Meer in einen sichern Port (Hafen) daß wir allhie stille halten und sagen müssen: es sey der Wille Gottes; Gott hat's also geschickt und haben wollen, daß er in dieser Stadt Eisleben hat sollen sein Ende beschließen, darinnen er geboren und getauft ist worden.
 

Und nachdem wir nun auf das Kürzeste und Einfachste gehört haben, wer Doktor Martin Luther gewesen ist, wie er gestorben ist, und was wir daraus lernen sollen, auf dass es zu unserer Seligkeit und für unser christliches Leben dienstlich und fruchtbar sei, so wollen wir nun zum Dritten (drittens) hören und nahe bringen, warum er soeben jetzt in dieser Zeit gestorben ist, da man in der christlichen Kirche seiner (Person) über alle Maßen sehr nötig (dringend) bedurft hatte, gegen welche sich der Papst mit seinem Tridentinischen Konzil und alle höllischen Pforten auflehnen und das Wort der Wahrheit, das Gott durch seinen Diener und Apostel offenbart hat, zu dämpfen und zu unterdrücken gedenken (beabsichtigen).

Es werden von denen hier wegen seinem Abschied viele und mancherlei (mögliche) Ursachen verwendet und etliche werden sagen: „Ein alter Mann sollte um diese Zeit und bei solcher Kälte nicht über das Land gereist sein; man sollte ihn in diesen Sachen davor verschont / bewahrt haben, so zu handeln; wäre er in Wittenberg geblieben, hätte er sich (stattdessen) so oder so verhalten, dann würde er wohl noch leben, ect. Es ist wahr; der Vernunft nach sind dies Gedanken und Redensarten, die sicher etwas für sich haben. Aber, wer diese (weiter) verfolgt, den führen sie in ein wildes Meer; und gleichwie dasselbe von Winden aufgetrieben wird und niemals seine Ruhe haben (finden) kann, so lassen diese Gedanken einen Menschen in diesem und in anderen Fällen weder zur Ruhe noch zu einem Frieden kommen.

Deshalb müssen wir hier unseren Kindern glauben und sagen: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Welches nicht allein so zu verstehen ist, als habe Gott Himmel, Erde und alle Kreaturen geschaffen, sondern auch so, nämlich dass er dieselben auch regiere und erhalte; ohne seinen Willen fällt nicht ein einziges Haar von unserm Haupt, wie Christus bei Lukas im 21. Kapitel Vers 18* sagt, und wie David im 39. Psalm Vers 5: Herr lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss. So sagt auch Hiob im 14. Kapitel Vers 5: Der Mensch hat seine bestimmte Zeit; die Zahl seiner Monde (Monate) stehen bei dir fest; du hast ein Ziel festgesetzt, das wird er nicht überschreiten. Durch diese Worte führt uns der heilige Geist aus den Gedanken unserer Vernunft (heraus) und hilft uns aus dem wilden Meer in einen sicheren Hafen, sodass wir hier still (inne) halten und sagen müssen: es ist der Wille Gottes; Gott hat es so geschickt und es so haben wollen, dass er (Luther) in dieser Stadt Eisleben sein Ende beschließen sollte, wo er geboren und getauft worden ist.

*Und kein Haar von eurem Haupt soll verloren gehen (Lukas 21, 18).


 

Aber aus Ursachen er jetzund die Zeit von Gott abgefordert, das ist eine andere Frage. Nu findet man in der heiligen Schrift mehr denn eine Ursache, warum ein jeder zu seiner Zeit stirbt. Bisweilen nimmt Gott so bald nach der Taufe die Kinder, und junge Leute sonst auch hinweg; und zeiget das Buch der Weisheit am 4. Cap. die Ursach an: Gott thue es darum, daß die Bosheit ihren Verstand nicht verkehre, noch falsche Lehre ihre Seele betrüge. Denn die bösen Exempel (Beispiele) verführen, und verderben einem das Gute, und die reizende Lust verkehret unschuldige Herzen. Sie gefallen Gott, darum eilet er mit ihnen aus diesem bösen Leben.

Und dies ist gar ein feiner Trost für die Eltern, denen ihre Kinder in der Jugend dahin sterben. Es thut der Vernunft und Natur über die Maaße wehe, daß man Kinder und junge Leute also sieht dahin fallen, auf die man Trost und viel Hoffnung gesetzt hat. Es meinet auch mancher, er wollte aus seinem Sohn einen ehrlichen Mann, eine Mutter aus ihrer Tochter eine tugendsame Jungfrau gezogen haben. Aber, lieber Gott, man siehet, wie die Welt so reizet mit bösen Exempeln. So feiert der Satan auch nicht, Lehre und Leben zu verderben. Und wir haben ein armes, gebrechliches Fleisch, durch die Erbsünde so gar verderbt, daß, ob sie wohl in der Taufe zugedeckt, und wie ein Feuer mit Abscheu verscharret wird, doch so bleibt die Sünde in unsrer Natur; und wie eine Magd zu Morgens in der Aschen stüret (stochert) und das Feuer wiederum anzündet, also auch, wenn man zu Vernunft und Jahren kömmt, so bläset Teufel, Welt und unsre eigene Lüfte zu, das verdeckte Feuer, die Erbsünde, zu erregen. Da muß nun Gott zuvorkommen, und durch den Tod die Kinder, weil sie noch in ihrer Unschuld sind, erretten. Und das, hab' ich gesagt, sollen die Eltern ihn lassen ihr Trost seyn. Darnach so nimmt Gott oft die Tyrannen hinweg, als Pharao muß mit den Seinen im rothen Meer ersaufen; Sennacherib (assyrischer König) von seinen eigenen Kindern in seines Abgottes (falscher Gott / Götze) Tempel erwürgt werden; Nero sich selbst erstechen, und Julianus im Perserkrieg erschossen werden, darum daß Gott seine Kirche für ihnen erhalte, und sie ihn mit seinem Worte und Reich nicht gar austilgen, wie sie im Sinne haben. Und diese Exempel sind auch zum Trost geschrieben, ob wir bey unsrer Zeit auch sehen große Leute das Evangelium, und die ihm anfolgen, verfolgen, daß wir wissen, der Gott lebe noch, und halte über seiner Kirchen, der Pharaonen und andere Tyrannen gestürzt ; seine Hand ist nicht verkürzt noch zu schwach worden; er weiß die Seinen wohl zu schützen, und die Tyrannen zu stürzen.


Aber aus welcher Ursache er jetzt die Zeit von Gott abgefordert hat, das ist eine andere Frage. Nun findet man in der heiligen Schrift mehr als eine Ursache, warum ein jeder zu seiner Zeit stirbt. Bisweilen nimmt Gott so bald nach der Taufe die Kinder und auch sonst junge Leute hinweg; und das Buch der Weisheit im 4. Kapitel zeigt die Ursache an: Gott tue es darum, damit die Bosheit ihren Verstand nicht verkehrt mache, noch dass eine falsche Lehre ihre Seele betrügt. Denn die bösen Exempel (Beispiele) verführen und verderben einem das Gute, und die reizende Lust macht unschuldige Herzen verkehrt. Sie gefallen Gott, darum eilt er mit ihnen aus diesem bösen Leben fort.

Und dies ist ein gar feiner Trost für die Eltern, denen ihre Kinder in der Jugend dahinsterben. Es tut der Vernunft und der Natur über alle Maßen sehr weh, dass man Kinder und junge Leute so dahinfallen sieht, auf die man Trost und viel Hoffnung gesetzt hat. Es meint auch mancher, er wollte seinen Sohn zu einem ehrlichen Mann, eine Mutter ihre Tochter zu einer tugendsamen Jungfrau erzogen zu haben.

Aber - lieber Gott - man sieht wie die Welt so mit bösen Exempeln (Beispielen) reizt. So feiert es der Satan auch nicht, die Lehre und das Leben zu verderben. Und wir haben ein armes, gebrechliches Fleisch, durch die Erbsünde so sehr verdorben, dass, obwohl sie in der Taufe zugedeckt wird, und wie ein Feuer mit Abscheu verscharrt wird, doch so bleibt die Sünde in unserer Natur; und wie eine Magd morgens in der Asche herumstochert und wiederum das Feuer anzündet, auch wenn man zu Vernunft und in die Jahre kommt, so blasen auch der Teufel, die Welt und unsere eigenen Lüfte dazu, um das verdeckte Feuer, die Erbsünde, zu erregen.

Da muss Gott dem nun zuvorkommen und durch den Tod die Kinder - weil sie noch in ihrer Unschuld sind - erretten. Und das - habe ich vorher gesagt - sollen die Eltern ihren Trost sein lassen. Danach nimmt Gott oft die Tyrannen hinweg, so wie der Pharao mit den Seinen im Roten Meer ersaufen muss; Sennacherib (assyrischer König) von seinen eigenen Kindern im Tempel seines Abgottes (falscher Gott / Götze) erwürgt werden, Nero sich selbst erstechen und Julianus im Perserkrieg (von einem Pfeil) erschossen werden muss, damit Gott seine Kirche vor ihnen erhalte (schütze), und diese ihn zusammen mit seinem Wort und seinem Reich nicht gar austilgen (auslöschen) können, wie sie es im Sinn haben. Und diese Exempel (Beispiele) sind auch zum Trost geschrieben, obwohl wir in unserer Zeit auch große Leute sehen, die das Evangelium - und die ihm nachfolgen - verfolgen, auf dass wir wissen: der Gott lebt noch und er hält über seiner Kirche Wache, die Pharaonen und andere Tyrannen sind gestürzt; seine Hand ist nicht verkürzt noch zu schwach geworden; er weiß die Seinen sehr wohl zu schützen und die Tyrannen zu stürzen.


Wenn aber die Propheten sterben, und von Gott hinweg gefordert werden; da hat gemeiniglich (gewöhnlich) Gott im Sinne, daß eine Strafe folgen soll, wie er in der Schrift oft heiligen Leuten zusagt, er wolle inne halten bey ihrem Leben, aber, nach ihrem Abschied, so soll' die Strafe folgen. Also, da Samuel, der Prophet, todt ist, fallen die Philister ins Land, erwürgen Saul samt dreien Söhnen, und großer Anzahl Volks, nehmen viel Städte ein, darinnen die Kinder von Israel gewohnet. Also auch nach Abgang der andern Propheten folgete die Babylonische Gefängniß (Gefangenschaft); und da Gott alle Apostel zu sich gefordert, bis auf Johannem, der allein noch übrig war, kam die Zerstöhrung Jerusalem's samt dem ganzen jüdischen Lande, welche noch währet bis auf diesen Tag, und werden vor dem jüngsten Tage die Juden in ihr Land, Regiment (Herrschaftsbereich) und Gottesdienst nicht kommen.

 

Und ist solcher Straf' Ursach gewesen, daß sie die Propheten, Christum und seine Apostel nicht haben hören wollen, sondern dieselbigen gelästert und verfolget, als*) lange die Ruthe Gottes kommen, und sie ihren verdienten Lohn auch empfangen haben, wie im andern Buch der Chronika (2. Buch der Chronik) am 36. Cap. v. 15. geschrieben stehet:

Der Herr, ihrer Väter Gott, sandte zu ihnen durch seine Bothen frühe; denn er schonete seines Volks, und seiner Wohnung. Aber sie spotteten der Bothen Gottes, und verachteten sein Wort, und äffeten (äfften nach) seine Propheten, bis der Grimm des Herrn über sein Volk wuchs, daß kein Heil mehr da war."

*) so lange, bis u.s.w.

 

So ist auch groß zu besorgen, daß Gott diesen seinen Diener hinweg genommen hab' um unser Sünde willen. Denn wie droben gehört, er hat rechtschaffene Buß und Vergebung der Sünde nach Christi Befehl und Inhalt der heiligen Schrift gepredigt; die Mißbräuche in den Kirchen angezeigt und vor Abgötterei (Götzendienst) gewarnet; wie Gott anzurufen, und was christliche Freiheit sey, dafür alle Welt hätte niederknien und Gott danken sollen. Aber die Papisten (Papstanhänger) haben ihn dagegen aufs Aeußerste gehasset und verfolget, seine Lehre Ketzerey gescholten, und als trage die Erde keinen ärgern Menschen. Das ist ihr Dank für Gottes Wohlthat.


Wenn aber die Propheten sterben und von Gott hinweg gefordert werden, da hat gewöhnlich Gott im Sinn, dass eine Strafe folgen soll, wie er es in der Schrift oft den heiligen Leuten vorhersagte, er wolle innehalten bei ihrem Leben, aber nach ihrem Abschied (Tod) sollte so die Strafe folgen. So, da der Prophet Samuel tot ist, fallen die Philister ins Land ein, erwürgen Saul samt seinen drei Söhnen und einer großen Anzahl des Volkes, nehmen viele Städte ein, worin die Kinder von Israel gewohnt haben. Und so folgte auch nach dem Abgang der anderen Propheten die Babylonische Gefangenschaft; und da (nachdem) Gott alle Apostel zu sich gefordert hat - bis auf den Apostel Johannes, der allein noch übrig war - kam die Zerstörung Jerusalems samt dem ganzen jüdischen Land, welche noch bis auf diesen Tag fortwährt (andauert), und bis zum Jüngsten Tag werden die Juden nicht in ihr Land kommen, nicht ihr Regiment (ihre Herrschaft) und ihren Gottesdienst bekommen.

 

Und die Ursache solch einer Strafe ist jene gewesen, nämlich dass sie die Propheten, Christus und seine Apostel nicht haben hören wollen, sondern dieselben gelästert und verfolgt haben, so lange, bis die Rute Gottes gekommen ist und sie auch ihren verdienten Lohn empfangen haben, wie es im anderen Buch der Chroniken (2. Buch der Chronik) im 36. Kapitel Vers 15 geschrieben steht:

Der Herr, der Gott ihrer Väter, sandte früh (und immerfort) seine Boten zu ihnen; denn er schonte seines Volkes, und seiner Wohnung. Aber sie spotteten der Boten Gottes, und verachteten sein Wort und äfften seine Propheten nach, bis der Grimm (Zorn) des Herrn über sein Volk (so groß) wuchs, dass kein Heil mehr da war."

 

So ist es auch sehr besorgniserregend (mit großer Sorge zu bedauern), dass Gott diesen seinen Diener hinweg genommen hat, um unserer Sünde willen. Denn wie oben gehört, hat er auf Befehl von Christus und nach dem Inhalt der heiligen Schrift rechtschaffene Busse und die Vergebung der Sünde gepredigt, die Missbräuche in der Kirche angezeigt und vor Abgötterei (Götzendienst) gewarnt; wie Gott anzurufen ist und was christliche Freiheit sei, dafür hätte alle Welt niederknien und Gott danken sollen. Aber die Papisten (Papstanhänger) haben ihn dagegen auf das Äußerste gehasst und verfolgt, seine Lehre Ketzerei gescholten (geschimpft), und: als trage die Erde keinen ärgeren Menschen als ihn. Das ist ihr Dank für die Wohltat Gottes.


 

Wir aber, die wir seiner Lehre anhängig und uns evangelisch schelten lassen, halten uns, daß auch wohl besser taugte*). Wir wissen den Weg des Herrn, denn er hat ihn uns durch sein Wort offenbaret; aber wir wandeln nach unserm Gefallen. In der Jugend siehet man weder Scham noch Zucht (weder Schamgefühl noch gesittetes Benehmen); so achteten sie keines Gehorsams; in Alten ist's eitel Geiz, Wucher und Untreu. Niemand wandelt mehr ehrbar und aufrichtig; läßt ihm auch niemand an seinem Beruf genügen. Es gehet allenthalben (überall / an allen Orten / allerseits), wie der Prophet Hosea klaget, daß zu seinen Zeiten für der Babylonischen Gefängniß (Gefangenschaft) gangen ist, da er am 4ten Cap. (v. 1 bis 3) sagt:

Höret, ihr Kinder Israel, des Herrn Wort, denn der Herr hat Ursach, zu schelten, die im Lande wohnen. Denn es ist keine Treu', keine Liebe, kein Wort Gottes im Lande; sondern Gottes Lästern, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hat Ueberhand genommen, und kommt eine Blutschuld nach der andern. Darum wird das Land jämmerlich stehen, und allen Einwohnen [wird's] übel gehen. Denn es werden auch die Thier' auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer weggerafft werden."

Und hie wäre es Zeit, Buße thun und weinen, nicht über den seligen Mann, der nu allem Uebel entgangen, und in Gott seliglich ruhet, sondern, daß wir mit unsern Sünden Gott reizen, und zur Straf' mehr denn Schrittes eilen. Aber ich besorge, es werd' des Propheten Weissagung an Vielen wahr und erfüllet werden, die sich darum nichts annehmen, sondern wie er saget:

Der Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen nehme, und heilige Leute werden ausgerafft, und niemand achtet darauf; denn die Gerechten werden weggerafft für dem Unglück."

Und das ist zu besorgen, daß es auf viel Verächter und Unbußfertiger Köpfe fallen wird, da er nu hinweg ist, und den Jammer nicht sehen darf.

*) töchte im Original. taugen = nützen.


 

Wir aber, die wir seiner Lehre anhängen und uns evangelisch schelten (schimpfen) lassen, halten davon, dass diese uns auch wohl (viel) besser taugt (nützt).

Wir wissen den Weg des Herrn, denn er hat ihn uns durch sein Wort offenbart; aber wir wandeln (dennoch) nach unserem (eigenen) Gefallen. In der Jugend sieht man weder Schamgefühl noch Zucht (gesittetes Benehmen); so achten sie keinen Gehorsam; bei den Alten ist es eitler (leerer / nutzloser) Geiz, Wucherei und Untreue. Niemand wandelt mehr ehrbar und aufrichtig und niemand kann sich mehr mit seinem Beruf begnügen. Es geht überall (allerseits) so zu, wie der Prophet Hosea klagt, nämlich dass es zu seinen Zeiten vor der Babylonischen Gefangenschaft genauso zugegangen ist, dazu sagt er im 4. Kapitel (Vers 1 bis 3): „Hört, ihr Kinder Israels, das Wort des Herrn, denn der Herr hat Ursache (Grund) die, die auf diesem Land wohnen, zu schelten: Denn es ist keine Treue, keine Liebe, kein Wort Gottes in diesem Land; sondern Gottes-Lästern, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hat (stattdessen) überhand genommen, und es kommt (ereignet sich) eine Blutschuld nach der anderen. Darum wird das Land jämmerlich dastehen (enden), und allen Einwohnen wird es übel ergehen. Denn es werden auch die Tiere auf dem Feld und die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer weggerafft werden."

Und hier wäre es (höchst) an der Zeit, Buße zu tun und zu weinen - nicht über den seligen Mann, der nun allem Übel entgangen ist und selig in Gott ruht, sondern dass wir mit unseren Sünden Gott reizen (herausfordern), und zur Strafe - mehr - dann (schnellen) Schrittes eilen. Aber ich besorge (befürchte), es wird die Weissagung des Propheten an vielen wahr und erfüllt werden, die davon nichts annehmen / die sich nicht darum kümmern, sondern - wie er sagt:

Der Gerechte kommt um, und niemand ist (da), der es zu Herzen nimmt, und heilige Leute werden weggerafft, und niemand achtet darauf; denn die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück."

Und das ist zu befürchten, dass es (die Strafe) auf viele Verächter und unbussfertige Köpfe fallen wird, da er (Luther) nun hinweg ist, und diesen Jammer nicht sehen darf (muss).


Darum so seyd vermahnet, ihr lieben Christen, und wem es bisanher (bisher / bis jetzt) nicht zu Herzen gangen, der schick' sich noch in die Sache, höre und hab' Acht auf Gottes Wort, thu' Buße und bekehre sich, ein jeder, von seinem bösen Wege;

so will der Herr auch noch umkehren, sagt der Prophet, und soll ihn gereuen der Straf', so er über uns beschlossen hat. Oder aber, so es die Gottlosen je (seit jeher) nicht anders haben wollen, so wird doch der Gerechte errettet, wo nicht hie zeitlich, doch dort ewiglich. Und wo die Gottlosen mit zeitlicher und ewiger Pein gestraft werden, wird uns, die wir ein bußfertig Leben führen, die zeitliche Straf ein' Förderung sein zum ewigen Leben. Es wird auch noch in solcher Straf' der Sohn Gottes seine Kirche erhalten, und werden [die] Gläubigen überbleiben und errettet werden. Aber die Ursach seines Todes ist unser sündlich (sündiges) Leben, das Gott für hat (vorhat), zu strafen.

Nu wollen wir für das Vierte und Letzte auch hören, was nu jetzt dieses Mannes Thun und Wesen sey. Nach (gemäß) dem Leibe, wie wir ihn da noch für (vor) unsern Augen auf der Bahre sehen, schläfet er, und freilich einen sanftern Schlaf, denn er die Zeit seines Lebens je geschlafen; und wird solcher Schlaf währen bis an jüngsten Tag. Da er nu aller Sorge, Mühe, Arbeit und Fehr (Gefahr) entbrochen (entkommen), weder Pabst noch Cardinal, Welt noch Teufel fürchten darf. O wie hat der Pabst, sammt den Seinen, das fromme, treue und gottesfürchtige Herz gequälet und gemartert mit seinem gottlosen Wesen ! Daß er gesehen Kirchen und allen Gottesdienst untergedruckt und alles mit eitel Abgötterey und höllischem Sodoma erfüllet: und dazu müssen leiden, daß er verbannt, und an seinem Bilde verbrannt worden ist zu Rom, welches sie an seinem Leibe viel lieber gethan hätten. Aber Gott hat ihn gnädiglich aus ihrem blutgierigen Rache gerissen und zu seliger Ruhe gelegt. Werden ihn wohl ungebissen lassen, denn er ist nu, wie der Prophet sagt, zum Friede kommen, und ruhet in seiner Kammer.


Darum - so seid ermahnt, ihr lieben Christen, und wem das bisher (bis jetzt) nicht zu Herzen gegangen ist, der bereite sich noch auf die Sache vor, der höre und habe Acht auf Gottes Wort, der tue Buße und bekehre sich - ein jeder - von seinem bösen Weg; so will auch der Herr noch umkehren, sagt der Prophet, und es soll ihn wegen der Strafe reuen, die er so über uns beschlossen hat. Oder aber, so wie es die Gottlosen seit jeher nicht anders haben wollen, so wird doch der Gerechte errettet, wenn auch nicht hier zeitlich, so doch dort ewiglich. Und wo die Gottlosen mit zeitlicher und ewiger Pein gestraft werden, wird uns - die wir ein bußfertiges Leben führen - die zeitliche Strafe eine Förderung (förderlich) zum ewigen Leben sein.

Auch in solch einer Strafe wird der Sohn Gottes seine Kirche noch erhalten, und die Gläubigen werden übrigbleiben und errettet werden. Aber die Ursache seines Todes ist unser sündiges Leben, das Gott vorhat, zu strafen.

Nun wollen wir für das Vierte und Letzte auch (noch) hören, was nun jetzt das Tun und Wesen dieses Mannes sei. Dem Leibe nach (gemäß dem Leibe), so wie wir ihn noch vor unseren Augen da auf der Bahre (liegen) sehen, schläft er - und freilich einen viel sanfteren Schlaf, als den, den er jemals Zeit seines Lebens geschlafen hat; und solch ein Schlaf wird bis zum Jüngsten Tag währen (dauern), da er nun von aller Sorge, Mühe, Arbeit und Gefahr entbrochen (entkommen) ist, und weder Papst noch Kardinal, weder Welt noch Teufel fürchten muss. O wie hat der Papst mit seinem gottlosen Wesen samt den Seinen das fromme, treue und gottesfürchtige Herz gequält und gemartert ! Dass er mitansehen musste, wie die Kirche und jeder Gottesdienst unterdrückt wurde und alles mit eitler Abgötterei (nutzlosem Götzendienst) und einem höllischen Sodom (und Gomorrha) erfüllt war: und dazu müssen wir darunter leiden, dass er verbannt und mit seinem Bild in Rom verbrannt worden ist, welches sie mit seinem Leib viel lieber getan (gemacht) hätten.

Aber Gott hat ihn gnädiglich aus ihrem blutgierigen Rachen gerissen und zur seligen Ruhe gelegt. Sie werden ihn wohl ungebissen (unbeschadet) sein lassen müssen, denn er ist nun, wie der Prophet sagt, zum Frieden gekommen und ruht in seiner Grabes-Kammer.


Und ist je tröstlich allen Gläubigen, daß der heilige Geist den Tod der Gerechten, das ist der Gläubigen, einen Frieden und ihre Schlafkammer nennet.

Wie Gott eben in dem Propheten Esaias am 26sten Cap. auch saget:

Gehe hin, mein Volk, in eine Kammer, und schleuß die Thür nach dir zu; verbirge dich ein klein Augenblick, bis der Zorn fürüber gehe." Menschliche Vernunft entsetzt sich darum vor dem Tode, daß sie ihn ansiehet, als sey es eitel Trübniß und Unruhe. Aber die Schrift nennet ihn einen Schlaf, und dazu einen friedesamen Schlaf der Gläubigen in ihren Kammern. Sie schlafen ja zuvor auch, das ist: Gott giebt ihnen bisweilen (manchmal) einen Trost, daß sie des Satans und [der] Welt zornigen Haß verachten können. Aber bey Leben schlafen sie in einer fremden Kammer, in einer fremden Herberge, da man aufwachen, und wiederum Trübsal und Verfolgung leiden muß, wie wir an dem theuren Manne oft, auch allhie zu Eisleben, kurz vor seinem seligen Ende gesehen, daß er Freud' gehabt. Aber er ist noch in einer fremden Herberge gewest, darum hat sie nicht lange währen müssen; daß er auch auf einen Abend einmahl mit Thränen klaget': „Er hätte sein Herz mit Freuden zu Gott erhaben, und zum Fenster hinaus ihn angebetet, aber er sehe den Teufel auf dem Röhrkasten (Brunnen-Kasten) sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren, der ihn in allen seinen Handelungen hindere. Aber Gott würd' noch stärker sein, denn der Satan, das wüßte er fürwahr (in der Tat).“


Da hatte ihm Gott Ruhe verliehen, das ist, Trost des Herzens gegeben; er ruhete aber noch nicht aus in seiner Kammer, darum mußte er durch den Satan aus seiner Ruhe verstört und aufgeweckt werden. Aber nu hat er Fried' und Ruh in seiner Kammer; wird ihn hinfort nicht mehr aus seiner Ruhe bringen; wie denn alle Gläubige, so von Adam's Zeit her in Christo eingeschlafen, sanft und stille ruhen;

und wie der Psalm saget: Es brennet sie des Tages keine Sonne, noch drücket des nachts die Kälte*). Und ob er und wir alle schon von Würmern verzehret, und, wie wir von Erde geschaffen, wieder zur Erde werden müssen, doch so gehet's zu ohn' alles Fühlen, ohne Schmerzen und ohne Wehe, und ist,

wie S. Paulus sagt 1 Corinth. 15. v. 41 u.s.w.:

Es wird gesäet verweslich, und es wird auferstehen unverweslich;

es wird gesäet in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit;

es wird gesäet in Schwachheit, und wird auferstehen in Kraft;

es wird gesäet ein natürlicher Leib, und wird auferstehen ein geistlicher Leib.

*) Psalm 121 Vers 6


 

Und es ist seit jeher allen Gläubigen tröstlich (zum Trost) gewesen, dass der heilige Geist den Tod der Gerechten, das ist der der Gläubigen, einen Frieden und ihre Schlafkammer nennt. Wie Gott eben dem Propheten Jesaja auch im 26. Kapitel sagt:

Gehe hin, mein Volk, in eine Kammer, und schließe die Tür hinter dir zu; verberge dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergeht." Die menschliche Vernunft entsetzt (fürchtet) sich darum vor dem Tod, sodass sie ihn ansieht, als sei es eine eitle (leere / nutzlose) Trübsal und Unruhe. Aber die Schrift nennt ihn (den Tod) einen Schlaf, und dazu noch einen friedsamen Schlaf der Gläubigen in ihren Grabes-Kammern. Sie schlafen ja zuvor auch, das bedeutet: Gott gibt ihnen bisweilen (manchmal) einen Trost, sodass sie den zornigen Hass des Satan und der Welt verachten können.

Aber während dem Leben schlafen sie in einer fremden Kammer, in einer fremden Herberge, wo man aufwachen und wiederum Trübsal und Verfolgung erleiden muss, wie wir es an dem teuren Mann oft - auch hier an diesem Ort in Eisleben - kurz vor seinem seligen Ende gesehen haben, dass er Freude gehabt hat. Aber noch ist er in einer fremden Herberge gewesen, darum hat diese nicht lange währen (andauern) müssen; dass er auch an einem Abend einmal mit (unter) Tränen klagte:

Er hätte sein Herz mit Freuden zu Gott erhoben, und ihn zum Fenster hinaus angebetet, aber er sehe den Teufel auf dem Rohrkasten (Brunnen-Kasten vor dem Haus) sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren, der ihn in allen seinen Handlungen hindere. Aber Gott würde noch stärker sein, denn (als) der Satan, das wüsste er fürwahr (in der Tat ganz sicher).“


Da hatte ihm Gott Ruhe verliehen, gemeint ist: Trost des Herzens gegeben;

er ruhte aber in seiner Kammer noch nicht aus, darum musste er durch den Satan in seiner Ruhe gestört und aufgeweckt werden. Aber nun hat er Frieden und Ruhe in seiner Kammer; er wird ihn hinfort (weiterhin) nicht mehr aus seiner Ruhe bringen;

so wie denn alle Gläubige, sofern sie von Adams Zeit an in Christus entschlafen sind, sanft und still ruhen; und wie ein Psalm sagt: Es brennt sie am Tag keine Sonne, noch drückt in der Nacht die Kälte*). Und ob (wenn) er und wir alle schon von Würmern verzehrt werden, und – so wie wir aus Erde erschaffen wurden - wieder zu Erde werden müssen, so geht es doch ohne alles Fühlen (jegliches Gefühlsempfindungen), ohne Schmerzen und ohne Wehklagen zu, und es ist so, wie der heilige Paulus im 1. Buch an die Korinther im 15. Kapitel Vers 41 u.s.w. sagt:

Es wird gesät verweslich, und es wird auferstehen unverweslich;

es wird gesät in Unehre, und es wird auferstehen in Herrlichkeit;

es wird gesät in Schwachheit, und es wird auferstehen in Kraft;

es wird gesät ein natürlicher Leib, und es wird auferstehen ein geistlicher Leib.

*) Psalm 121 Vers 6


 

Und das sey nu gesagt von dem Wesen, so unser lieber Herr und Vater nu hat nach seinem seligen Abschied', so viel den Leib belangt, den wir, sammt den unsern und aller Gläubigen Leibe, werden sehen auferstehen, gleichförmig dem Leib', welchen Christus am heiligen Ostertag' herfür brachte (hervorbrachte); schöner, denn die liebe Sonne, wenn sie am hellen Himmel aufgehet, schneller und behender (gewandter / flinker), denn sie läuft, und kräftiger, denn alle Creaturen, daß alsdann (darauf) den Leib niemand mehr anfechten, betrüben, noch tödten wird, sondern, wie dem Sohne Gottes, alle Ding' unter seine Füße geworfen*), also wird auch ihm und uns Tod, Teufel und Hölle, sammt allen Creaturen unterworfen seyn. Und in den Worten sollen wir uns über dieser seligen Leichen und wider unsern Tod trösten.

So viel aber den Geist, oder die Seele, thut belangen, so hat es die Meinung nicht, wie etzliche Schwärmgeister (Schwarmgeister*) fürgeben (vorgeben), als solle der Geist oder Seele des Menschen auch schlafen bis zum jüngsten Tage. Hat doch die Seele nicht geschlafen, weil**) sie im Leibe, wie in einem Kerker verschlossen, und, wie das Buch der Weisheit sagt***) beschwert gewest ist! Sollte sie denn nu schlafen, weil sie aus dem Kerker erlöset? Es ist der Seelen Art und Natur, nicht von Gott zu schlafen geschaffen; sondern, daß sie allezeit lebet, wachet und wirket. Wenn der Leib schon schläft, so wachet aber die Seele, wie wir denn an den natürlichen Träumen und sonst viel Erfahrung haben. Darum so ist's ein Irrthum, da etzliche fürgeben vorgeben), die Seele schlafe bis zum jüngsten Tage gleich wie der Leib; sondern das ist gewiß (sicher), daß sie wacht und lebt. Gleichwie sie gelebt, ehe sie zum Leib' kommen ist, und denselbigen erst lebend gemacht hat, also lebt sie nach Abscheidung vom Leib', und wird durch Gottes gewaltige Hand denselben lebend machen, wenn sie an dem großen Tage des Herrn zum Leibe wiederum wird kommen.

Und hiemit stimmet auch die heilige Schrift Lucä Cap. 17 (richtig: Lukas* 16,19), da Abraham redet mit dem reichen Mann, so in der Hölle begraben und Lazarum in seinem Schooß sitzen sahe. Das vermag ein Schlafender oder Todter nicht zu thun. Cap. 6. (Offenbarung 6, 9**) schreien die Seelen der'r, so erwürget waren um Gottes Wort's Willen. Da wird aber angezeigt, daß sie wachen und leben. So saget Christus: Gott sey ein Gott der Lebendigen, Gott sey Abrahams, Isaacs und Jacobs Gott, darum müssen sie leben. Nu waren sie, nach (gemäß) dem Leib', dazumahl langs (damals lange) verstorben, derhalben (deshalb) so leben sie nach der Seele, und leben gewißlich (ganz gewiss) bei Gott und unserm Herrn Christo.

*) Ephes, 1, 22.

**) während.

***) Cap. 9. v. 15. Buch der Weisheit 9, 15:

*Scharmgeist = Anhänger einer von der offiziellen Reformationsbewegung abweichenden Strömung.


Und das sei nun gesagt von dem Wesen (Dasein), das unser lieber Herr und Vater (Luther) nun nach seinem seligen Abschied hat, so viel (was) den Leib belangt (betrifft), den wir, samt den der Unseren und dem Leib aller Gläubigen, auferstehen sehen werden, gleich dem Leib, welchen Christus am heiligen Ostertag hervorbrachte; schöner, denn (als) die liebe Sonne, wenn sie am hellen Himmel aufgeht, schneller und behender (gewandter / flinker) als sie läuft, und kräftiger als alle Kreaturen, sodass alsdann (darauf) niemand mehr den Leib anfechten, betrüben noch töten kann, sondern - wie dem Sohne Gottes - alle Dinge unter seine Füße geworfen*) sind (ihm unterworfen sind), also wird auch ihm und uns der Tod, der Teufel und die Hölle - samt allen Kreaturen - unterworfen sein. Und in den Worten sollen wir uns über (mit) dieser seligen Leiche und wider (entgegen) unseren eigenen Tod trösten.

So viel (was) aber den Geist oder die Seele belangt, so stimmt die Meinung nicht, wie etliche Schwarmgeister* vorgeben, als dass auch der Geist oder die Seele des Menschen bis zum Jüngsten Tag schlafen soll. Die Seele hat doch nicht geschlafen, während sie im Leib, wie in einem Kerker eingeschlossen, und - wie das Buch der Weisheit sagt***) - von ihm beschwert gewesen ist! Sollte sie denn nun schlafen, weil sie aus dem Kerker erlöst wurde? Es ist die Art und die Natur der Seelen - nicht dazu von Gott geschaffen, um zu schlafen, sondern, dass sie allezeit (ewig) lebt, wacht und wirkt. Wenn der Leib schon schläft, so wacht aber die Seele, so wie wir natürliche Träume haben und auch sonstige viele Erfahrungen machen. Darum ist es so (gesehen) ein Irrtum, wenn da etliche Leute vorgeben, die Seele schlafe gleich wie der Leib bis zum Jüngsten Tag; sondern das ist gewiss (sicher), dass sie wacht und lebt. Gleichwie (egal wie) sie gelebt hat, ehe (bevor) sie zum Leib gekommen ist, und denselben erst lebend gemacht hat, so lebt sie nach der Abscheidung (Trennung) vom Leib doch weiter und wird denselben durch die gewaltige Hand Gottes lebend machen, wenn sie am großen Tag des Herrn wiederum zum Leib kommen wird.

Und hiermit stimmt auch die heilige Schrift bei Lukas Kapitel 17 (richtig: Lukas* 16,19), wo Abraham mit dem reichen Mann redet, welcher so in der Hölle begraben ist und (den Armen) Lazarus in seinem Schoß (Abrahams) sitzen sieht. Das vermag ein Schlafender oder ein Toter nicht zu tun. Im Kapitel 6 (Offenbarung 6, 9**) schreien die Seelen derer, weil sie um des Wortes Gottes willen erwürgt (ermordet) waren.

Da wird aber angezeigt (darauf hingewiesen), dass sie wachen und leben.

So sagt Christus: Gott ist ein Gott der Lebendigen, er ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, darum müssen sie leben. Nun waren sie - nach (gemäß) dem Leib - damals lange verstorben, so leben sie deshalb nach (bezüglich) der Seele, und sie leben ganz gewiss bei Gott und unserem Herrn Christus.

*) Epheser 1, 22. Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt. Sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht.

*Scharmgeist = Anhänger einer von der offiziellen Reformationsbewegung abweichenden Strömung.

***) Buch der Weisheit 9, 15:

Unsicher sind die Berechnungen der Sterblichen / und hinfällig unsere Gedanken; denn der vergängliche Leib beschwert die Seele / und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Geist.


*Lukas 16,19-31: Der reiche Mann und der arme Lazarus

Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was vom Tisch des Reichen fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.

Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.“

Nach seinem Tod findet sich also Lazarus in Abrahams Schoß (wörtlich: „der Leibesbucht“ = Becken) wieder. Auch der Reiche stirbt und wird begraben, jener aber findet sich in der Unterwelt (Hades) wieder, in der er qualvolle Schmerzen leidet.

Der Reiche wird von Abraham aufgeklärt:

Mein Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst leiden. (Lk 16, 25).


 

**Offenbarung 6, 9:

Und da es das fünfte Siegel auftat, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die erwürgt waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen, das sie hatten.“

Dann brach das Lamm das fünfte Siegel auf. Da sah ich am Fuß des Altars die Seelen der Menschen, die man umgebracht hatte, weil sie an Gottes Wort festgehalten hatten – an all dem, wofür Jesus Christus als Zeuge einsteht.“

Vers 9 schildert hier die Heiligen, die den Märtyrertod erlitten hatten, und die Erste Auferstehung erwarten. In der Tat „schlafen diese Heiligen in Christus“ (I Korinther 15:18) zu dieser Zeit, sind aber in dieser Vision als Fragende versinnbildlicht, wie lange es noch dauern würde, bevor ihr Blut gerächt würde (Vers 10).


 

Denn also stehet geschrieben Eccles. 12. v. 7 (Buch Ecclesiastes):

Der Staub muß wieder zu der Erden kommen, wie er gewesen ist,

und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.

So saget Christus zum Schächer: Heute sollt'u mit mir im Paradies seyn!

Und S. Paul: Ich begehr' zu sterben und bey Christo zu sein. Item (ebenso):

Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Röm. 14. v. 8. Und Apokal. 6*) siehet Johannes unter dem Altar die Seelen derer, die erwürget waren (ermordet wurden) um des Wortes Gottes Willen, das sie hatten; und sie schrieen mit großer Stimm' und sprachen: „Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du, und rächest nicht unser Blut an denen, die auf Erden wohnen. Und ihnen wurde gegeben, einem jeglichen ein weiß Kleid, und ward zu ihnen gesaget, daß sie ruheten noch eine kleine Zeit, bis daß vollends dazu kämen ihre Mitknechte und Brüder, die auch sollen ertödtet werden, gleich wie sie."

*) V. 10 u. 11.

Apokalypse 6 (Vers 10 und 11):

Sie riefen mit lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen? Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben; und ihnen wurde gesagt, sie sollten noch kurze Zeit warten, bis die volle Zahl erreicht sei (das volle Maß erreicht ist) durch den Tod ihrer Mitknechte und Brüder, die noch sterben müssten wie sie.

Aus diesem Spruch' (wie auch aus dem andern) ist's klar, daß der Verstorbenen Seelen leben und wachen; sonst würden sie nicht mit großer Stimme schreien, und dazu bey Gott und unserm Herrn Jesu Christo, welcher der Altar ist. Aus welchem folget, daß auch, dieweil (weil) dieser Diener Gottes mit Anrufung und Bekenntniß des Nahmens Christi verschieden, nach (gemäß) seinem Geist, bey Gott und seinem Sohne sein muß, und hat sein Wesen (Dasein) unter den lieben Engeln und Auserwählten Gottes. Wie er aber fürnehmlich (vornehmlich = besonders) bey Mose, Esaia, den Propheten und Aposteln, sonderlich (besonders) aber bey S. Paulo gehalten sey, welcher Bücher, die vertünkelt**) und im Finsterniß gelegen seyn, bis daß er sie durch den Geist Eliä mit Predigen und Schreiben wiederum ans Licht und rechten Brauch der Kirchen gebracht hat, und das Lamm Gottes mitten unter ihnen, dem sie nachfolgen, wo es hingehet, welches sie bey Leben erkannt, und bekannt gemacht haben, das wollen wir auch erfahren und sehen, wenn uns der barmherzige Gott, ein Vater unsers Herrn Jesu Christi, auch seliglich hernach wird foddern (fordern).

**) verdunkelt.

Jetzund, dieweil wir gehört, wer Doctor Martinus Luther gewest, nehmlich (nämlich), ein rechter Elias und Johannes Baptista zu unsern Zeiten; wie christlich er im Herrn eingeschlafen, und warum er eben jetzund dieser Zeit von Gott aus dieser Welt abgefoddert (abgefordert), auch was nunmehr sein Thun und Wesen sey, wollen wir ihn dem Herrn befehlen, und bitten: Gott wolle an seine Statt wiederum einen andern Propheten seiner Kirche senden, und nach diesem Elia einen Elisam geben, der seines Geistes zwiefältig (zweifach) so viel hab', und dem Römischen Babylon zwiefaltiges (doppelt) vergelte, denn bisher geschehen; auch daß wir durch den heiligen Geist erleuch't. uns durch seine Bücher in die heilige Schrift führen lassen, und in dem rechten Glauben und Leben unser letztes Stündlein auch seliglich beschließen.

 

Amen, Amen, Amen.


 

Denn so steht es geschrieben bei Ecclesiastes 12 Vers 7:

Der Staub muss wieder zu der Erden kommen, wie er gewesen ist,

und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. So sagt Christus zum Schächer:

Heute sollst du mit mir im Paradies sein! Und der Heilige Paulus sagt: Ich begehre zu sterben und bei Christus zu sein. Ebenso: Wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn (so gehören wir dem Herrn). Römer 14 Vers 8. Und in der Apokalypse 6 (Vers 10 und 11) sieht Johannes unter dem Altar die Seelen derer, die erwürgt waren (ermordet wurden) um des Wortes Gottes willen, das sie hatten (bezeugten); und sie schrien mit großer (lauter) Stimme und sprachen: „Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du (noch), und rächst unser Blut nicht an denen, die auf Erden wohnen? Und ihnen wurde gegeben, einem jeglichen (jedem) ein weißes Gewand, und es wurde zu ihnen gesagt, dass sie noch eine kleine Zeit ruhen (warten) sollten, bis dass vollends (= bei der erreichten Vollzahl) dazukämen ihre Mitknechte und Brüder, die auch getötet werden sollen, gleich wie sie."

Apokalypse 6 (Vers 10 und 11):

Sie riefen mit lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen? Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben; und ihnen wurde gesagt, sie sollten noch kurze Zeit warten, bis die volle Zahl erreicht sei (bis das volle Maß erreicht ist) durch den Tod ihrer Mitknechte und Brüder, die noch sterben müssten wie sie.


 

Aus diesem Spruch (wie auch aus dem anderen) ist klar zu erkennen, dass die Seelen der Verstorbenen leben und wachen, sonst würden sie nicht mit großer (lauter) Stimme schreien, und dazu (noch) bei Gott und unserem Herrn Jesus Christus, welcher der Altar ist. Aus welchem (= daraus) folgt, dass auch er - weil dieser Diener Gottes mit der Anrufung und dem Bekenntnis des Namens Christi verschieden ist - gemäß seinem Geist bei Gott und seinem Sohn sein muss und sein Wesen (Dasein) unter den lieben Engeln und Auserwählten Gottes hat. Genauso wie er sich vornehmlich (besonders) bei Moses, Jesaja, den Propheten und den Aposteln, besonders aber beim Heiligen Paulus aufgehalten hat, diese welche Bücher solange verdunkelt und in der Finsternis (im Verborgenen) gelegen waren, bis er sie durch den Geist des Eliias mit seinem Predigen und seinen Schreiben (Schriften) wiederum ans Licht und zum rechten Gebrauch der Kirche gebracht hat; und das Lamm Gottes mitten unter ihnen - dem sie nachfolgen, wohin es auch geht, welches sie im Leben erkannt und bekannt gemacht haben - das wollen auch wir erfahren und sehen, wenn der barmherzige Gott, ein Vater unseres Herrn Jesus Christus, auch uns nachher (nach dem Tod) seliglich (selig) abfordern (= abberufen) wird.

Weil / während wir jetzt gehört haben, wer Doktor Martin Luther gewesen ist, nämlich ein rechter Elias und Johannes Baptista (Johannes der Täufer) zu unseren Zeiten, wie christlich er im Herrn eingeschlafen (entschlafen) ist und warum er eben (gerade) jetzt in dieser Zeit von Gott aus dieser Welt abgefordert wurde, auch was nunmehr (jetzt in diesem Augenblick) sein Tun und Wesen (Charakter) sei, wollen wir ihn dem Herrn befehlen (anempfohlen sein lassen) und bitten: Gott wolle für seine Kirche an seiner Stelle wiederum einen anderen (weiteren) Propheten senden und uns nach diesem Elias einen Elisam (Prophet nach Elias) geben, der von seinem Geist zweifach so viel hat und es dem Römischen Babylon doppelt vergelte, als es bisher geschehen ist; auch dass wir - durch den heiligen Geist erleuchtet - uns durch seine Bücher in die heilige Schrift einführen lassen und auch (ebenfalls) im rechten Glauben und Leben seliglich (selig) unser letztes Stündlein beschließen.


 

Amen, Amen, Amen.*


 

*Amen (hebräisch): wahrlich / so ist es / so sei es / es sei / es geschehe.


 

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Aus

Sedulius, Ord. Minorum.

Praescriptiones adversus haereses, Antverp. 1606.


 

Cap. XVIII, §§ 25, 26 und 27.


Martinus Lutherus, Germaniae totius, immo Europae incendium, caussa et origo turbarum et calamitatum omnium Christiani orbis, repentina morte sublatus scribitur ab omnibus qui de morte eius vel per occasionem meminere, genus mortis tarnen non exprimentes. De qua, Friburgi Brisgaviae cum agerem, a fide digno viro quid accepi fideliter adscribam, si prius quae apud alios inveni commemoravero.


 

Tradit haec Surius* („Commentarius brevis rerum in orbe gestarum ab anno Salutis 1500 usque in annum 1567 Coloniae 1567“) in hunc modum:

* Pater Surius: großer kirchlicher Geschichtsforscher aus dem Karthäuserorden

Lutherus litis cuiusdam componendae caussa ab Illustribus Mansfeldensibus Comitibus Islebium, quae fuit illi patria, honorifice evocatus, eo venit cum magna pompa tribus stipatus filiis ex praeclaro monachi et monachae concubitu procreatis. Obviam illi missi sunt centum tredecim equites honoris caussa. Itaque die decima septima Februarii, cum laute et splendide coenatus esset et facetiis suo more hilariter lusisset, eadem nocte sublatus est e medio. Eius obitus non eodem modo a Catholicis et Evangelicis id temporis referebatur. Jonas Cocus, qui se Justum Jonam vocat, eius morti interfuit, sed ita eam describit, ut apud cordatos maiori eum contumelia quam laude affecisse videatur. Inter alia scribit eum ipsi Jonae et Coelio et aliis circumstantibus dixisse: „Orate pro Domino nostro Deo et eius Evangelio, ut ei bene succedat, quia Concilium Tridentinum et abominabilis Papa graviter ei adversantur.“ . . . . . .

Eius quoque precationem supremam recitant in haec verba:

Pater mi coelestis, Deus et pater Domini nostri Jesu Christi, Deus totius consolationis, gratias tibi ago, quod mihi dilectum filium tuum Christum revelasti:

in quem credo, quem praedicavi et confessus sum, quem laudavi et amavi, quem abominabilis Papa et omnes impii vituperant, persequuntur et blasphemant.“

Et sic ille mortuus est.

Ceterum haec imperite et mendaciter conficta credere necesse est, si vera sunt, quae alii de morte eius aliter tradiderunt.

Hosius (lib. I de haeresib.) certe scribit, cum vespere bene potus fuisset et hilaris, postridie mane repertum esse in lecto mortuum, nullum in morte adfuisse hominem, sed daemonem, qui vitam illi extorserit.

Joannes Haren affirmat, (Alanus Copus dial. 6. cap. 33 = Dialogi Sex Contra Summi Pontificatus) se accepisse a viro, qui erat eo loco, ubi Lutherus mortuus est, Lutherum conspecto diabolo horribili mortuum esse.

Propius ad verum accedit Thomas Bozius in haec verba scribens (lib. 23 de sig. Eccl. c. 3): „Lutherus cum vespere laute coenasset ac laetus somno se dedisset, ea nocte suffocatus interiit. Audivi haud ita pridem compertum testimonio sui familiaris, qui tum puer illi serviebat et superioribus annis ad nostros se recepit, Lutherum sibimetipsi laqueo iniecto necem miserrimam attulisse: sed datum protinus cunctis domesticis rei consciis iusiurandum, ne factum divulgarent ob honorem adiecere Evangelii.“

Sic isti et alii plerique, sic Bozius. Quibus promissa superius a me subiungetur ex scripto.


Cubicularii cuiusdam Martini Lutheri, religiose a pio quodam viro super eiusdem domini sui Martini morte interrogati, ingenua responsio et vera confessio:


Dant quidem calcar ad abrumpendum omnem humanae indignationis seu offensae metum et ad debitum veritati perhibendum testimonium addunt religiosae vestrae preces: sed longe vehementius eodem me impellit summi Numinis Divorumque omnium reverentia. Neque enim ignoro mirabilibus Dei operibus suam ubique tribuendam esse gloriam, meque divino magis praecepto quam humano debere parere mandato. Proinde, licet gravissime interminati sunt Germaniae Heroes, ne mortalium cuiquam horrendum domini mei Martini Lutheri exitum eliminarem: non celabo tarnen, sed ad Christi gloriam revelabo et ad totius Reipub. Catholicae aedificationem propalabo, quod ipse vidi et in primis comperi, ipsisque Principibus viris Islebii congregatis enunciavi, nullius odio lacessitus, nullius amore aut favore provocatus. – Contigit itaque cum Martinus Lutherus aliquando inter illustriores Germaniae Heroes Islebii genio suo largius indulsisset et plane obrutus potu cubitum a nobis ductus, atque in lectulum foret compositus, ut nos ei salutarem quietem precati in nostrum abiremus conclave, ibique nihil sinistre vel orninantes vel suspicantes, placide obdormiremus. Postridie vero ad dominum reversi, quacum solemus in vestitu operam daturi, vidimus -- proh dolor! – eundem dominum nostrum Martinum iuxta lectum suum pensilem et misere strangulatum. Ad quod sane horribile spectaculum suspendii ingenti perculsi pavore, non diu tarnen haesitantes, ad hesternos eius compotores et Principes viros prorupimus eisque execrabilem Lutheri exitum indicavimus. Illi porro non leviori quam nos formidine perterriti omnia polliceri, multaque obtestari coeperunt: primum omnium, ut rem constanti ac fideli premeremus silentio, ne quid in lucem proferretur; tum ut expeditum laqueo foedum Lutheri cadaver in lectum collocaremus, denique in hominum vulgus spargeremus, dominum meum Martinum repentina morte ex hac vita discessisse: id quod et precibus illorum Principum et non secus quam adhibiti Dominico monumento vigiles, amplis corrupti promissis facturi eramus, -- nisi vis quaedam insuperabilis veritatis aliud persuasisset: quae vel hominum metu seu reverentia vel lucri spe aliquamdiu quidem premi potest, sed exstimulante religionis, vel conscientiae oestro, in perpetuum opprimi non potest.“

 

Hierauf, im § 28, erzählt Sedulius die Geschichte von den Raben, welche der Leiche Luthers gefolgt waren. Er erklärt (nach Bredembach) den Vorgang ebenfalls auf mystische Weise.


 

 

Aus

Henricus (Heinrich) Sedulius,

(eigentlich Hendrik de Vroom),

Ordinis Fratrum Minorum (O. F. M.)

vom Orden der minderen Brüder = Minoriten (Franziskaner-Zweig)

Praescriptiones adversus haereses, Antverpia 1606.

Verordnungen gegen Ketzer, Antwerpen 1606.

 

Kapitel 18, §§ (= Paragraph) 25, 26 und 27.

Martin Luther ist in ganz Deutschland - ja vielmehr als ein Feuer in Europa - der Grund und der Ursprung (Stammvater) aller Verwirrungen / Ränke und aller Unglücksfälle (Niederlagen) des christlichen Erdkreises, hinweggenommen durch einen plötzlichen Tod – schreibt man und dass von allen, welche sich an dessen Tod oder bei Gelegenheit daran erinnert haben, die Todesart dennoch nicht deutlich ausgesprochen (bestimmt) wurde. Als ich mich in Freiburg im Breisgau aufhielt, habe ich von einem würdigen Mann im Vertrauen etwas darüber erfahren, worüber ich getreulich / sicher dazuschreiben werde, wenn ich mir in Erinnerung rufe, was ich früher bei den anderen gefunden / entdeckt habe.

Dies überliefert Surius* („Kurzer Bericht in der Welt geschehener Begebenheiten

ab dem Jahr des Heils 1500 bis ins Jahr 1567, Köln 1567“) in dieser Weise:

*Pater Surius: großer kirchlicher Geschichtsforscher aus dem Karthäuserorden

Indem Luther von den vornehmen Mansfelder Grafen wegen einer gewissen beizulegenden Streitsache ehrenvoll (ehrenamtlich) nach Eisleben berufen wurde, welche die Heimatstadt jenes gewesen ist, ist er in diese mit einem großem Festzug

(Pomp) eingezogen, dicht umdrängt von den 3 Söhnen, die durch den berüchtigten Beischlaf eines Mönches und einer Nonne hervorgebracht wurden. Entgegen

jener Sache sind der Ehre wegen 113 Reiter gesendet worden. Und so wurde er am 17. Februar, als er vornehm und prächtig gespeist hätte und seiner Gewohnheit nach mit witzigen Einfällen (Scherzen) fröhlich die Zeit vertrieben hätte, in derselben Nacht aus dem Weg geräumt. Über dessen Hinscheiden wurde von den Katholiken und den Evangelischen zu dieser Zeit nicht in derselben Weise berichtet. Jonas Cocus, der sich (fälschlicherweise) Justus Jonas nennt, ist bei dessen Tod dabei gewesen, hat aber diesen so beschrieben, nämlich dass es so scheint, dass er bei den Verständigen mehr mit Beschimpfungen (Schmähreden) als mit Lob versehen (überhäuft) wurde. Unter anderem schreibt er, dass er persönlich zu Jonas und Coelius und den anderen Herumstehenden gesagt haben soll:

Betet für unseren Gott dem Herrn und dessen Evangelium (= gute Nachricht), dass es diesem um seiner Kirche willen gut gelingen möge, weil das Konzil von Trient und der abscheuliche / verächtliche Papst ihm heftig Widerstand leisten / ihn schwer bedrängen.“ . . . . . . .

Ebenso verlesen sie auch das letzte Gebet dessen in diesen Worten:

Mein Vater im Himmel, Gott und Vater unseres Jesus Christus, Gott allen Trostes,

ich sage dir Dank, weil du mir deinen geliebten / teuren Sohn Christus offenbart hast.

An den ich glaube, den ich verkündet und bekannt habe, den ich gelobt und geliebt habe, den der abscheuliche Papst und alle Gottlosen tadeln / verletzen, verfolgen und lästern.“ Und so ist jener verstorben.

Außerdem ist es unausweichlich, diesen ungeschickt und lügnerisch verfertigten Erdichtungen zu glauben - wenn sie wahr sind, welche die anderen auf andere Weise über dessen Tod überliefert / berichtet haben.


Hosius (Buch 1: Über die Irrlehren / Ketzereien) schreibt zweifelsfrei / mit Gewissheit, nämlich als er im Laufe des Abends recht voll gesoffen (voll gefressen) und fröhlich war, wurde er tags darauf in der Früh im Bett tot vorgefunden, dass kein Mensch beim Tod dabei war, aber ein Dämon, welcher das Leben jenes entrissen hat.
 

Johannes Haren (= Jan Harennius) bekräftigt, (Buch von Alanus Copus: 6 Dialoge. Kapitel 33) von einem Mann erfahren zu haben, der an diesem Ort war, wo Luther gestorben ist, dass Luther durch einen sichtbar wahrgenommenen fürchterlichen Teufel gestorben ist.
 

Näher an die Wahrheit kommt Thomas Bozius heran, indem er in diesen Worten schreibt (Buch 23, Über die Zeichen / Merkmale der Kirche, Kapitel 3):

Als er am Abend vornehm gespeist hätte und sich fröhlich (gut gelaunt) dem Schlaf überlassen hätte (schlafen gegangen ist), ist Luther in dieser Nacht erwürgt zugrunde gegangen. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit durch die zuverlässige Zeugenaussage seines Hausdieners gehört, welcher jenem damals als junger Mann diente und sich in den späteren (seinen letzten) Jahren zu den Unsrigen zurückgezogen hat, dass Luther sich durch einen sich selbst angelegten Strick einen unglücklichen gewaltsamen Tod beigebracht haben soll: indessen wurde aber von allen - in die Sache eingeweihten Hausbewohnern - sofort ein eidliches Versprechen abgegeben, dass sie die Tat keinesfalls allen preis geben sollten, zur Ehre des Evangeliums - haben sie erhöhend hinzugefügt.“

So diese (Autoren) und auch die meisten anderen, so (auch) Bozius.

Diesen welchen (Autoren) wird das Versprochene (das Schweigegelübde) aus dem Schriftstück weiter oben / an vorangehender Stelle von mir hinzugefügt werden.

Die offene Antwort und ein wahres Geständnis eines gewissen Kammerdieners von Martin Luther, von einem gewissen frommen Mann, der über den Tod desselben seines Herrn Martin gewissenhaft gefragt wurde:


Sie geben zwar einen Ansporn / Anreiz, um die ganze Angst vor der menschlichen Empörung oder der Kränkung zu verscheuchen und um aus moralischer Verpflichtung der Wahrheit Zeugnis zu geben, fügen sie die Gebete ihrer Religiosität hinzu: Indessen aber drängt mich eben deswegen die Ehrfurcht vor der höchsten Gottheit und vor allen Himmelsbewohnern zusammen bei weitem umso stärker voran. Denn ich weiß recht wohl um die wunderbaren Werke Gottes und überall ist ihm Ehre zu erweisen, und was mich betrifft, dem göttlichen Gebot ist mehr als einem menschlichen Befehl zu gehorchen.

So denn, mag es auch sein, dass die germanischen Helden noch so sehr verpönt sind, damit ich nach dem schrecklichen (entsetzlichen) Lebensende meines Herrn Martin Luther niemanden unter den Sterblichen verstoße:

Ich werde dennoch nicht schweigen, sondern zum Ruhme Christi und der katholischen Gemeinschaft insgesamt werde ich aufklären und den Bauplan (des Hauses) skizzieren, was ich selbst gesehen und zuerst entdeckt habe und den versammelten Fürsten von Eisleben persönlich verkündet habe, dabei keinerlei Hass herausgefordert habe, das ohne Zuneigung oder Beifall geerntet zu haben.

Es traf sich sodann zu, dass Martin Luther manchmal unter den berühmteren Helden Deutschlands zu Eisleben seinem Genius reichlicher (in größerem Umfang) gefrönt hätte und im Liegen gänzlich überwältigt vom Trank war, der von uns herangeschafft wurde, und so wäre er zu Bett gegangen, als wir ihm heilsame Ruhe wünschten, gingen wir in das Gemach von uns, und indem wir dort sowohl nichts Unheilvolles anwünschten als auch vermuteten, schliefen wir allmählich ein.

Am darauf folgenden Tag aber - zum Herrn zurückgekehrt, bei dem wir ihm wie gewöhnlich auf alle Weise ins Gewand halfen (um ihm, wie gewohnt, beim Ankleiden zu helfen) - haben wir jedoch – ach Schmerz, welch ein Jammer – denselben unseren Herrn Martin neben seinem Bettlager erhängt und kläglich erdrosselt gesehen. Darauf hat uns das wahrlich ganz schreckliche Schauspiel des Erhängens mit unermesslich großem Angstzittern erschüttert; indem wir dennoch nicht lange zögerten, sind wir zu den gestrigen Trinkgenossen von ihm und zu den Fürsten losgestürmt und haben ihnen den verabscheuungswürdigen Ausgang Luthers gemeldet.

Ferner haben jene begonnen – durch das Schreckensbild nicht weniger erschrocken als wir - alles zu versprechen und vielerlei inständig zu bitten:

Das Erste von allem, dass wir die Angelegenheit im beständigen und außerdem treuen Stillschweigen bedeckt halten sollten, damit es nicht ans Licht gebracht werde; wie wir dann den vom Strick befreiten, scheußlichen Leichnam Luthers ins Bett legten, sollten wir dann schließlich unter die Masse der Menschen gerüchteweise verbreiten, dass unser Herr Martin durch einen plötzlichen Tod aus diesem Leben geschieden sei:

Das was wir nicht nur durch Bitten jener Fürsten, sondern ebenso - sowie die Wächter am Sonntag beim Grabmal hinzugezogen wurden - durch große Versprechungen der Bestechung machen sollten, außer: es sei denn die Kraft (höhere Gewalt) einer gewissen unübersteigbaren Wahrheit hätte als etwas anderes überzeugt:

Was sowohl aus Furcht vor Menschen oder aus Ehrfurcht / Scheu, als auch durch Hoffnung auf Gewinn gewiss eine Zeitlang zu unterdrücken möglich ist, aber durch Anstacheln des Glaubens oder sogar auch durch die Pferdebremse des Gewissens, auf Dauer unmöglich zu erzwingen ist.“

Hierauf, im § 28, erzählt Sedulius die Geschichte von den Raben*, welche der Leiche Luthers gefolgt waren. Er erklärt (nach Bredembach) den Vorgang ebenfalls auf mystische Weise.


 

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*Auch Helmesius schreibt über die Raben-Geschichte in Buch 1 im Kapitel:

Die Gerüchte über Luthers Tod“, welche sich nach Luthers Tod sehr lange in Halle gehalten hat.

Auch Petrus Thyräus (Buch: Über die von Dämonen Besessenen) schreibt darauf im selben Kapitel:

An dem Tag, als Martin Luther aus dem Leben schied, wurden die Besessenen, derer in Gheel (belgische Kolonie der Verrückten) sehr viele waren und sich unter der Schirmherrschaft der Heiligen Dympna Befreiung erhofften, alle zusammen von den Dämonen befreit, aber nicht gerade viel später wurden sie danach von denselben wiederum besetzt.

Diese Sache ist kein Rätsel, insofern sie nämlich am darauffolgenden Tag, als die grausamen Geister diese bedauernswerten Menschen nochmals entstellten (quälten), befragt wurden, wo sie sich denn am Tag zuvor versteckt hielten, antworteten sie, dass sie auf Befehl ihres Anführers zum Begräbnis Luthers, des neuen Propheten und des treuen Gehilfen, herbeigerufen geworden seien und diesem auch beiwohnten.


 

Der im Buch 3 erwähnte Pater Martin von Cochem schreibt über das Ende Luthers:

Gleich nach dem Tod stank sein Leib so übel, dass niemand dabei bleiben konnte, obwohl es zu kalter Zeit, mitten im Hornung (= Februar) war. Deswegen wurde er sobald wie möglich in einen bleiernen Sarg (aus Zink) gelegt.

Zu solchem Ende war er mit großem Pomp und Pracht auf einen Wagen, mit schwarzen Tüchern bedeckt, gestellt und mit viel Volk nach Wittenberg begleitet.

Der Gestank des Toten war so groß, dass niemand nahe hinzu durfte gehen. Welches dann ein Zeichen war, wie grausam seine Seele für Gott und alle Engel stinken müsse. Es flogen viele Raben einer ungewöhnlichen Größe den ganzen Weg über dem Leib her, welche ein schändliches Geschrei anstatt einer lieblichen Musik führten.

Dämonen-Geständnis (nicht durch Exorzismus zustande gekommen):

Unser Oberster hat befohlen, dass alle Teufel sich zu dem Begräbnis unseres getreuen Martin Luther erheben und dasselbige mit ihrem Gesang und ihrer Gegenwart zieren sollten. Denn es gebühre sich allwegen (überall und immer), dass derjenige, welcher gar viele zur Hölle gebracht habe, gleichfalls von vielen Teufeln mit großem Pomp zur Hölle gebracht werde.

Quelle: aus „Luther, wie er lebte, leibte und starb".

Sonderdruck: GOTTHARD-MEDIA. SD 068.

Fazit: Dämonen können nicht nur Stimmen imitieren (Spiritismus oder Schizophrenie) oder von Menschen Besitz ergreifen (Besessenheit oder Umsessenheit), sondern sich auch in Tiere (z.B. in Raben) verwandeln. Laut Pfarrer Jussel (1972) und dem Exorzisten Don Gabriele Amorth werden wir von der Geburt bis zum Tod von Dämonen begleitet.


 


 

Äußerungen katholischer Schriftsteller

des 19. Jahrhunderts über Luthers Tod.

Die Frage über Luthers Lebensende hat -- aus den oben (Seite 42) entwickelten Gründen -- im 19. Säkulum (Jahrhundert) nicht mehr die Rolle gespielt, wie in den beiden vorangegangenen Jahrhunderten.

Die meisten katholischen Historiker unseres Zeitalters pointieren (betonen) nicht mehr die Angelegenheit und begnügen sich mit der objektiven Mitteilung des Ortes und Datums, wo und wann der Tod erfolgt war – bisweilen (manchmal) unter Beifügung von Zusätzen, welche im Allgemeinen unbestritten sind.

So sagt Johann Adam Möhler in seiner Kirchen-Geschichte (herausgegeben von Pius Gams. Regensburg 1868) Seite 148:

Aus Anlass eines Streites der Grafen von Mansfeld in seiner Vaterstadt Eisleben als Schiedsrichter berufen, ereilte ihn [Luther] dort nach kurzem Unwohlsein der Tod den (am) 18. Februar 1546."

Döllinger in seiner „Skizze" über Luther (Freiburg 1851) schildert Seite 50 die

Rat- und Mutlosigkeit, in der Luther 1545 sich befand und fügt dann hinzu:

In solcher Stimmung ereilte ihn der Tod am 22. [Ist falsch!] Februar 1546 zu Eisleben, wohin er, um einen Streit der Grafen von Mansfeld zu schlichten, gekommen war."

Gerhard Ritter, Caspar Riffel und Kardinal Joseph A. Hergenröther drücken sich ähnlich aus.

Im Jahre 1836 erschien in Mainz eine Übersetzung der von Ulenberg verfassten Biographie Luthers. Ulenberg war im 16. Jahrhundert vom Protestantismus zum Katholizismus zurückgekehrt und gab seine, durch pragmatische (sachliche) Darstellung und psychologische Tiefe ausgezeichnete „Vita Lutheri“ (das Leben Luthers) 1589 in Köln heraus -- also kurz bevor Bozius und Sedulius ihre mehrfach erwähnten Schriften erscheinen ließen. Im Jahre 1589 war die Erklärung von Luthers Diener noch nicht bekannt, denn sonst hätte Ulenberg, welcher Pfarrer von St. Kolumba in Köln war, das betreffende Skriptum (Schriftstück), von welchem oben (Seite 28) Petrejus sprach, in Köln bemerken müssen. Ulenberg folgt denn auch in seiner Darstellung über Luthers Tod zum größten Teile der „Historia". Aber er muss sie in der Hauptsache als ein auf Verabredung entstandenes Schriftstück halten.

Er fügt deshalb hinzu, dass nach anderer Aussage Luther „a diaboIo suffocatum esse“ (von einem Teufel erwürgt wurde*). Er bemerkt hierzu, dass in diesem Falle nur Luthers eigener Wunsch erfüllt worden sei, insofern derselbe früher einmal erklärt habe, er wolle „lieber durch den Teufel, als den Kaiser erwürgt werden", weil er dann „durch einen großen Fürsten" aus der Welt geschafft würde. -- Der Übersetzer des Ulenberg'schen Werkes teilt dies in genauer Version nach dem Originale mit, ohne aber seinerseits hinzuzufügen, wie der Bericht des Ulenberg durch die Mitteilungen des Bozius, Sedulius und Petrejus hätte ergänzt werden können.

*) Siehe das Portrait von Lucas Furtenagel im Buch 3. Rechts am Hals ist deutlich ein dunkler Fleck (= Druckstelle) zu erkennen. Laut Gerichtsmedizin ist nach dem Tod jede Druckstelle bzw. kleinste Verletzung als dunkel verfärbt erkennbar, die der Verstorbene vor dem Tod erlitten hat, wobei dieselbe Verletzung (Druckstelle) an einem noch lebenden Körper nicht aufscheint. Fazit: So wurde Martin Luther von einem Dämon erwürgt und anschließend aufgehängt, um einen Selbstmord vorzutäuschen, der aus vielen (existenziellen) Gründen unter allen Umständen vertuscht werden musste, frei nach dem Motto: Je mehr Zeugen mitten in der Nacht, umso besser.


 

Johannes Baptist Alzog sagt in der letzten von ihm selbst noch besorgten Ausgabe seiner Universal-Kirchen-Geschichte (Mainz 1872) Band II. Seite 192:

In Eisleben übereilte der Tod den Mann, – am 18. Februar 1546 -- der die Herzen vieler Völker getrennt, die Familienbande zerrissen und der Kirche seiner Vorväter zwar eine schwere Wunde geschlagen, ihr aber doch nicht, wie er gewollt, den Todesstoß versetzt hat."

Der ehemalige Wiener Irren-Anstalts-Geistliche Pater Bruno Schön, der eine sehr beachtenswerte Schrift: „Dr. Martin Luther auf dem Standpunkte der Psychiatrie beurteilt" (Wien 1874) geschrieben, begnügt sich bezüglich des Todes Luthers mit der Bemerkung, dass in der darüber ausgegebenen „Historia" „viel Schönfärberei" herrsche.

Nicolas Janssen gibt im 3. Band seiner „Geschichte des deutschen Volkes" (Freiburg 1881) Seite 538 die oben mitgeteilte Erzählung Ratzebergers von der Teufels-Erscheinung auf dem Rohrbrunnen bis zu dem Satz:

Pestis eram vivus, moriens ero mors tua papa 1).“

Als Lebender war ich die Pest, als Sterbender werde ich dein Tod sein, Papst!“

Dann fügt Janssen seinerseits hinzu: „In der folgenden Nacht, auf den 18. Februar, trat seine Seele vor den ewigen Richter."

1) In den späteren Auflagen ist die ganze Erzählung Ratzebergers weggelassen.

Vergleiche oben Seite 23.


 

In der jedem Protestanten besonders zu empfehlenden, mit kritischem Geiste, psychologischem und pragmatischem Verständnis geschriebenen Luther-Anti-Jubiläumsschrift:

Kirche oder Protestantismus? Von einem deutschen Theologen" (Mainz 1883)

sind zwar gleichfalls nähere Umstände über Luthers Tod nicht mitgeteilt, das Werk enthält aber eine vortreffliche Schilderung des überaus trostlosen, der Verzweiflung nahegekommenen Zustandes, in welchem der „Reformator" seit dem Jahre 1540 sich befand 1).

1) Die Schrift, welche überhaupt viel mehr bietet, als ihr Titel besagt und ihr anonymer Verfasser erwarten lässt, gibt zugleich eine praktische Anleitung für angehende Künstler, welche Luther-Denkmäler modellieren wollen.


 

Sehen wir ab von einer Andeutung über Luthers „gräulichen" Tod, welche sich findet in dem (1852) erschienenen historischen Roman: „Der getreue Ritter Hager und die Reformation" vom protestantischen Superintendenten Wilhelm Meinhold, nach seinem Tode fortgesetzt von seinem Sohne Aurel Meinhold, katholischem Pfarrer zu Hochkirch (1873) -- so ist der Einzige, welcher unter den neueren katholischen Schriftstellern die Frage über Luthers Todesart wieder näher berührt hat, der (anonyme) Verfasser der „Hamburger Briefe“, (Berlin 1883), der seine Elaborate (Ausarbeitungen) ebenfalls aus Veranlassung des 1883-er Luther-Jubiläums schrieben hatte. Derselbe sagt über unser Thema:

Ich meinerseits wünsche gewiss von Herzen, dass der arme Luther sein durch schreckliche Gewissensbisse zerfoltertes (hochgradig gefoltertes) Leben durch eine aufrichtige Reue beschlossen hätte und eines frommen gottseligen Todes gestorben wäre. Wenn man mir aber zumutet, ich solle den von Jonas und Coelius gegebenen Bericht ohne weiteres als die Darlegung eines wirklichen Vorganges hinnehmen, und im reuelosen Reformator einen sterbenden Heiligen erblicken, so finde ich das -- gelinde gesprochen -- stark. Ich meinerseits besitze ebenfalls eine Erzählung über Luthers Hinscheiden, eine Erzählung, für deren Glaubwürdigkeit ich eine Gewähr habe, welche mir wenigstens viel mehr gilt, als die „Augenzeugen" Jonas und Coelius. Gemäß dieser Erzählung hätte Luther -- um es nur kurz anzudeuten -- den Abend in einer heiteren Trinkgesellschaft zugebracht und wäre alsdann von den Dienern des Grafen Mansfeld wegen Übelkeit in sein Zimmer geleitet worden;

am folgenden Morgen wäre er am Bettstollen erhängt und tot aufgefunden worden. Von Luthers Freunden wäre der wahre Hergang aus naheliegenden Gründen verheimlicht und das Gerücht ausgesprengt (verbreitet) worden, der große Mann wäre in erbaulicher Weise eines gottseligen Todes verschiedenen 1)."

1) Bis hierher hatten wir „Gottlieb“ in der ersten Auflage zitiert. Unerwarteter Weise wurde uns von – katholischer Seite (zur höchsten Freude protestantischer Blätter) ein Vorwurf daraus gemacht, dass wir „Gottlieb“ nicht weiter zitiert hätten. G. fährt nämlich jetzt fort, dass er auf die oben von ihm erwähnte Erzählung, für die er „eine Gewähr“ (Garantie) hatte, „kein Gewicht“ lege und gibt dann seinen Zweifeln und sonstigen Betrachtungen auf ein paar weiteren Seiten Raum. Da er aber zum Schlusse nur den Floremund Raemund (Raymond) als einzige Quelle für seine gesamte Darstellung angibt, – einen Autor, dessen Unzuverlässigkeit in dieser Sache wir glauben genügend beleuchtet zu haben – so hatten wir schon deshalb nicht mehr zitiert.


So die „Hamburger Briefe" von „Gottlieb". Das Werk rief sofort eine Gegenschrift hervor unter dem Titel: „Der historische Luther „Gottliebs“ und die geschichtliche Wahrheit. Ein Beitrag zur Würdigung ultramontaner (rom-treuer) Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit von K. Cropp, Dr. phil., Pastor zu Hamburg-Eimsbüttel. Hamburg 1883."

Man hätte nun glauben sollen, dass man in dieser Schrift die „Wahrheit" über Luthers Lebensende finden würde – aber des „Reformators" Bettstollen hat der Historiker und Dr. phil. Cropp gänzlichübersehen.


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Anmerkung des Textübersetzers: Alle seine historischen Texte, die immer wieder gebetsmühlenartig auf das Evangelium Christi hinweisen, sind nur die offizielle publikumswirksame Version Luthers Lehre und erinnern mich persönlich an ein vorgehaltenes Schild, hinter dem er sich versteckt.

Dauer der Übersetzung: August 2013 bis 8. Juli 2014 Copyright:
http://kath-zdw.ch/maria/texte/luthers.lebensende.htm


 

 

Den Anhang zu diesem Buch, können sie der Orginal Kopie (Pdf) entnehmen, wenn sie der alten deutschen Schrift kundig sind.
Buch 1  Luthers Lebensende. Eine historische Untersuchung.   Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1891    Seite 1-100

 

 

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Kurzbiographie Paul Majunke

Paul Majunke (* 14. Juli 1842 in Groß-Schmograu bei Wohlau; † 21. Mai 1899 in Hochkirch bei Glogau) war ein deutscher katholischer Priester, Publizist und Politiker der Zentrumspartei.

Majunke studierte von 1861 bis 1866 Theologie und Rechtswissenschaften in Breslau und promovierte zum Dr. theol. in Rom. Anschließend unternahm er Reisen durch Europa. Im Jahr 1867 wurde Majunke zum Priester geweiht. Danach war er als Kaplan in Neusalz an der Oder und in Breslau tätig. Später war er Redakteur der Kölnischen Volkszeitung von Julius Bachem. Im Jahr 1870 wurde er entlassen, weil sein Schreibstil als zu scharf erschien. Anschließend war er vorübergehend Pfarrer in Glogau.

Seit 1871 war er der erste Chefredakteur der neu gegründeten Zeitung Germania. Dieses Blatt stand der Zentrumspartei sehr nah. Unter der Leitung von Majunke wurde die Germania zu einer der führenden katholischen Tageszeitungen. Im Kulturkampf schrieb Majunke zahlreiche scharfe Artikel zur Verteidigung der katholischen Sache gegenüber der preußischen Regierung.

Seit 1874 bis 1884 war Majunke Abgeordneter der Zentrumspartei im Reichstag und von 1878 bis 1884 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses.


 

Majunke war Pfarrer in Hochkirch bei Glogau (polnisch Wysoka / Niederschlesien).
Der Ort ist ein besonderer >

 
DIE WALLFAHRTSKIRCHE ZU HOCHKIRCH (bei Glogau) UND IHR MARIENBILD

Hochkirch, drei Viertelmeilen südöstlich von Glogau, ward in früheren Jahrhunderten, wo es zum benachbarten Gräditz gehörte, Hohenkirchen offen Berge genannt. Es hat eine Wallfahrtskirche mit dem 1856 neugebautem Turme und ein wunderbares Marienbild auf dem Hochaltare, zu dem von weit her aus Schlesien und Polen gewallfahrtet wird. Die größten Wallfahrten finden statt am Sonntage Trinitatis (Dreifaltigkeitsfest), wo auch eine Prozession von der Probstei Seitsch aus dem Guhrauschen ankommt, und dann am Feste Maria Geburt.

An die Kirche und das darin befindliche Muttergottesbild knüpft sich folgende Geschichte:

Als die Kirche vor uralten Zeiten erbaut werden sollte, hatte der Gutsherr eine andere Anhöhe in der Nähe derjenigen, auf der heute die Kirche steht, als Platz dazu bestimmt. Fromme Spenden waren zu ihrer Erbauung reichlich eingegangen, und der Gutsherr lieferte das Bauholz. Er ließ dieses auf die von ihm ausersehene Anhöhe schaffen. Die Geistlichen des Sprengeis wünschten sie zwar dort nicht, aber sie fügten sich, als der Gutsherr außer dem Bauholze noch reiche Gaben versprach. Dennoch kam es anders, denn es trat ein seltsames Ereignis ein.

Am andern Morgen nämlich war das Holz von der Anhöhe verschwunden. Erst dachte man an einen Raubfrevel, aber man fand das gesamte Holz in bester Vollständigkeit und Ordnung auf einem benachbarten Hügel. Der Gutsherr hielt dies für einen mutwilligen Streich und ließ das Holz auf den früheren Platz zurückschaffen und noch mehr dazubringen. Am andern Morgen war es wieder fort und lag wieder auf jenem ändern Hügel. Das brachte eine große Bewegung in der Gemeinde hervor, und viele gingen zum Gutsherrn und erklärten, das gehe nicht mit richtigen Dingen zu und sei ein Wunder, das etwas zu bedeuten habe. Aber der Gutsherr ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, er wolle doch sehen, meinte er, ob das Holz zum dritten Male seinen Platz verändern werde. Der Herr ließ von seinen Leuten das Holz wieder zurückschaffen. Für die Nacht stellte er zwei Wächter daneben auf. Doch wieder lag es am nächsten Morgen auf dem ändern Berge. Die Wächter hatten nichts bemerkt und sagten aus, ein unwiderstehlicher Schlaf habe sie befallen. Nun stürmten alle auf den Gutsherrn ein, er möge doch gestatten, daß die Kirche dort gebaut werde, wohin schon in dreien Nächten das Bauholz von unsichtbaren Händen geschafft worden sei; es sei sicher Gottes Wille so. Da sagte der Gutsherr: „Nun in Gottes Namen, baut dorthin die Kirche zu seiner Ehre." Mit Jubel ward diese Entscheidung aufgenommen, und der Bau ward behende in Angriff genommen, schien es doch allen ein heilig Werk. Die Teilnahme für das Gotteshaus wuchs weit über den Sprengel hinaus. Die Kirche war fertig, auch die innere Ausschmückung war fast vollendet. Aber noch fehlte ein würdiges Bild für den Hauptaltar. Da griff wiederum eine wunderbare Macht ein.

In einer Nacht, als alle Einwohner Hochkirchs längst schliefen, rief der Wächter eben die Mitternachtsstunde aus. Zufällig schweifte sein Blick nach der Höhe hinauf, wo die Kirche stand. Wunderbar! Das Innere des Gotteshauses strahlte in hellem Lichterglanz. Es war keine Feuersbrunst, aber dennoch rief er die Bewohner aus ihrem Schlafe. Staunend scharte sich die ganze Gemeinde zusammen und wie zur ersten Wallfahrt geordnet schritt sie dem neuen Gotteshause entgegen. Schon war die Menge bis zum Fuße der Anhöhe gelangt, da ereignete sich ein zweites Wunder. Herrliche Töne erklangen aus der Kirche, bald schmelzend und bald brausend wie im vollen Chor, Posaunen und Orgelton und Priestergesang dazwischen, über dem ganzen schwebend aber ein Klang wie von Engelsharmonien. Wer waren die nächtlichen Musiker dort oben? Die Gemeinde sank am Fuße des Hügels auf ihre Knie und wohnte dem Gottesdienste dort oben in andächtiger Ferne bei. Das war das erste Hochamt, ehe noch das Gotteshaus die kirchliche Weihe erhalten hatte. Plötzlich erloschen Licht und Gesang; stumm und finster lag das Gebäude wieder auf seiner einsamen Höhe. Tief ergriffen aber kehrten die Leute zurück; was sich da oben zugetragen hatte, war ihnen ein unerklärliches Rätsel. Als aber der Morgen anbrach, sendete der Gutsherr den Gemeindevorstand in die Kirche, um den Ursachen des nächtlichen Geschehnisses nachzuspüren. Ganze Scharen von Menschen schlössen sich an, und als die Türe der Kirche geöffnet wurde und die Blicke auf den Hochaltar fielen, da prangte dort ein Bild der Mutter Gottes in schönster Farbenpracht. Das Staunen löste sich in ein stilles Gebet auf, das der wunderbaren Macht den heißen Dank der Gemeinde aussprach für die herrliche Gabe.
Quelle: Sagen aus Schlesien, Herausgegeben von Oskar Kobel, Nr. 23


 

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