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Wer hat die Madonna zum Weinen gebracht?

Erzbistum Bamberg erkennt das "Tränen-Wunder" von Heroldsbach nicht an - Verdacht der Manipulation

Bamberg - Für die Pilger in der Heroldsbacher Gebetsstätte gab es keinen Zweifel: Die Mutter Gottes weint! Dicke Tränen rannen nach Angaben mehrer Augenzeugen an der Madonnenstatue herab. Annegret Mewis aus Lindau besah sich das „Wunder“ näher, küsste sogar eine Träne, die auf die Hand der „Rosenkönig von Heroldsbach“ getropft war. „Sie schmeckte salzig - das müssen echte Tränen gewesen sein“, behauptete sie im Februar. Fast zehn Monate später ist in der oberfränkischen Pilgerstätte die Euphorie verflogen. „Es kann nicht von einem Wunder gesprochen werden, denn es steht nicht fest, dass sich etwas Übernatürliches ereignet hat“, sagte Bambergs Erzbischof Ludwig Schick gestern.

Im März hatte er eigens einen Kirchenrechtler mit der Untersuchung des „Tränen-Wunders“ beauftragt. Prof. Alfred Hierold ließ sich kriminalpolizeilich beraten, vernahm 25 Zeugen unter Eid und ließ sogar ein Taschentuch mit der angeblichen Tränenflüssigkeit untersuchen. Sein Fazit: „Bis auf einen Zeugen konnte niemand bestätigen, dass die Tränen aus den Augen hervorgequollen sind.“

Die Aufregung um die Erscheinung von Heroldsbach versteht nur, wer die Geschichte des „Heiligen Berges“ kennt: Bereits 1949 berichteten damals elfjährige Mädchen, dass ihnen die Gottesmutter, das Jesuskind sowie Engel und Heilige erschienen seien. Dennoch erkannte die Erzdiözese Bamberg die Gebetsstätte erst 1998 offiziell als Ort der „gesunden Marien-Verehrung“ an.

Pater Dietrich von Stockhausen, der die Stätte heute leitet, sah die weinende Madonna bereits im Februar skeptisch: „Wenn uns der Himmel ein Zeichen geben will, dann doch eines, das wir verstehen können, und keins, das leicht zu manipulieren ist.“ Die Nähe der Figur zu den Toiletten des Pilgerheims hatte ihn misstrauisch gemacht. Bereits 2001 hatte nämlich eine Jesulein-Figur aus einer Krippe angebliche Tränen vergossen. Er verschloss sie daraufhin in seinem Schrank, wo die Tropfen augenblicklich versiegten. Stattdessen fand von Stockhausen in einem Papierkorb Pipetten.

Mit wissenschaftlicher Akribie machte sich der vom Bischof mit einer kanonischen Untersuchung beauftragte Theologie-Professor an die Aufklärung. Ein Labor stellte in dem Taschentuch, mit dem von Stockhausen die „Tränen“ aufgetupft hatte, Natrium in annähernd derselben Konzentration fest wie im Wasser aus der Leitung des Pilgerheims. Gibt es also eine sehr natürliche Erklärung für die übernatürlichen Ereignisse von Heroldsbach? Hierold: „Den Zeugen ist subjek-tive Glaubwürdigkeit zuzubilligen. Nicht auszuschließen ist aber, dass jemand Wasser auf die Figur spritzte.“ Vor allem „Seherin“ Annegret Mewis machte sich die Erscheinung zunutze. Sie behauptete: „Durch mich spricht Jesus Christus.“ Die Madonna habe wegen der „vielen Sakrilegien meiner geliebten Priestersöhne“ geweint. Als sie auch noch verbreitete, die Heroldsbacher Gebetsstätte werde von Freimaurern finanziert, erklärte sie Pater Dietrich zur unerwünschten Person. Auch wenn für das Bistum die Akte Heroldsbach nun geschlossen ist: „Die Seherin kommt immer wieder“, stöhnt der Geistliche.

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